Geschenkte Patina
Atelier Raumfragen gestaltet das Berliner Restaurant Ryke

Alte Stühle im neuen Lokal: Das Interiordesignbüro Atelier Raumfragen hat das Berliner Restaurant „Ryke“ gestaltet – mit viel Gespür für die Atmosphäre und die Qualitäten des Gebrauchten.
„Das ist das Gebot der Stunde: Erst einmal schauen, was da ist. Was kann man wiederverwenden?“, sagt Sandra Bruns von Atelier Raumfragen. „Und nicht immer nur neue Dinge einsetzen.“ Zum Beispiel die Möbel: Die hölzernen Tischplatten für das Ryke wurden zwar extra angefertigt, aber die Metallgestelle sind gebraucht und wurden schon im Vorgängerrestaurant benutzt. „Sie haben uns ihre Patina geschenkt“, so Bruns. Gemeinsam mit ihrem Partner Carsten Scheibe ist sie verantwortlich für das Interieur des neu eröffneten Berliner Restaurants Ryke. Es befindet sich im Erdgeschoss eines typischen Altbaus im Stadtteil Prenzlauer Berg.
Sympathisches Sammelsurium
Der Ansatz, möglichst viel wiederzuverwenden, zieht sich durch das gesamte Interiorkonzept des Ryke: Das vorhandene Eichenparkett wurde aufgearbeitet, die rund 40 Holzstühle sind ein sympathisches Sammelsurium alter Gastrobestuhlung, die Polster der Bänke wurden mit recycelten Textilien bezogen. Und die beiden Stirnwände des L-förmigen Raums sind mit einem zart braunroten Recyclingputz akzentuiert. Zwei ehemalige Studierende der Professorin Sandra Bruns an der Detmolder Schule für Innenarchitektur haben den Putz namens Ve.Mura entwickelt, er besteht zu rund 90 Prozent aus Bauschutt.
Helle Naturtöne
Das Ryke ist bereits das zweite Restaurant, das Atelier Raumfragen für die Gastronomin Xiaofen Fan in Berlin konzipiert hat, nach dem Ramen x Ramen im Stadtteil Friedrichshain. Es gibt lokale, saisonale Küche. Außerdem möchte Fan das Lokal als Anlaufpunkt für die Nachbarschaft im Viertel etablieren, unter anderem mit einem Mittagstisch am Sonntag. Entsprechend wünschte sie sich für das Interieur eine warme, gastliche Stimmung. So ist der ganze Raum in lichte Naturtöne getaucht, von den hellroten Vorhängen über die sandfarbenen Fliesen des Tresens bis zum gebürsteten Kiefernholz der Tische, Raumteiler und Regale.
Lichtwolke aus Papier
In die Grundstruktur des Lokals hat Atelier Raumfragen nicht eingegriffen, der Bartresen behielt seinen Platz vor dem Zugang zur Küche und wurde für das neue Foodkonzept optimiert. Zwei Raumteiler mit einem Holzgerüst und einer Füllung aus Strukturglas zonieren die Fläche und schirmen den Zugang zu den Toiletten ab. Atelier Raumfragen legte Wert darauf, „differenzierte Sitzmöglichkeiten anzubieten: die gesellige Gruppe, das Separee, den Zweiertisch“, wie Sandra Bruns erklärt. Wichtig für eine lebendige Atmosphäre sind auch Details wie die gebürsteten Oberflächen der Tischplatten, die sich angenehm anfühlen, und die kleinen Unregelmäßigkeiten der handgefertigten Fliesen.
Auf den Tisch kommt von der Frankfurter Keramikerin Viola Beuscher produziertes Geschirr. Über einer Sitzecke schwebt ein besonderes Lichtobjekt: Der junge Künstler Timo Heijnk hat die beschützende Wolke aus bemaltem Wenzhou-Papier eigens für das Ryke gestaltet. Die beiden auskragenden, beweglichen Wandleuchten sind indes ein Eigenentwurf von Atelier Raumfragen. „Die sind ganz einfach“, sagt Carsten Scheibe. „Eine Holzleiste, Porzellanfassung, Textilkabel, an die Wand geschraubt – fertig.“ Damit lassen sich verschiedene Tischanordnungen flexibel illuminieren. Generell waren die beiden Planer*innen eher zurückhaltend bei der Ausleuchtung. Indirekte Lichtstreifen hinter den Bänken betonen die Wandstruktur und Lichtakzente schaffen eine einladende Atmosphäre.
FOTOGRAFIE Jules Villbrandt, Herz und Blut
Jules Villbrandt, Herz und Blut
Projektname |
Ryke |
Entwurf | Atelier Raumfragen |
Standort | Berlin |
Fertigstellung | 2023 |
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