Hommage an Mies
Im australischen Somersby entstand ein gläserner Pavillon – vollgespickt mit Referenzen an Mies van der Rohe.

Tuchfühlung zum Teich: Im australischen Somersby realisierte der Architekt Matthew Woodward einen gläsernen Pavillon – vollgespickt mit Referenzen an sein Vorbild Mies van der Rohe. Obgleich gleich mehrere von dessen Bauten Paten standen, ist das Ergebnis kein Sammelsurium, sondern ein stimmig komponiertes Juwel aus einem Guss.
Was ist besser als ein Gebäude von Mies van der Rohe? Richtig: Mehrere Gebäude von Mies van der Rohe! Gleich drei Ikonen des Meisters dienten dem australischen Architekten Matthew Woodward als Vorbild für ein Gästehaus mit eigenem Spa im Norden von Sydney. „Der Pavillon befindet sich in einer ursprünglichen Naturkulisse, die ebenso einem Gemälde von Claude Monet entsprungen sein könnte“, erklärt der Architekt. Umgeben von einem 80 Hektar großen Privatpark, entstand nicht nur ein intimer Ort der Ruhe und Kontemplation. Das Gebäude gleicht einem bewohnbaren Schaukasten für die Natur, bei dem die Architektur mit ihrer Umgebung eins wird.
Schon bei der Ankunft am Wirra Willa Pavillon werden alle Zweifel beiseite geräumt: Zwei leicht erhöhte Sandsteinwände durchschneiden den gläsernen Bau wie bei Mies‘ Hauptsitz des Illinois Institute of Technology in Chicago und markieren somit den Eingangsbereich. Das Dach ruht wie beim Farnsworth House auf vertikalen Stahlträgern und schiebt sich mit dem gesamten Baukörper über ein leichtes Gefälle hinweg, das in diesem Fall in einen mit Seerosen bewachsenen Teich übergeht. Die optische Verlängerung des Innenraums durch eine Wasserfläche sowie die Ummantelung der Außenterrasse durch flache Steinmauern lassen unweigerlich an den Barcelona Pavillon denken. Trotz der Vermischung dieser Blockbuster-Referenzen entstand kein eklektisches Stückwerk, sondern ein stimmig durchkomponiertes Juwel aus einem Guss.
Verbindung zur Natur
„Ich wollte in jeder Stufe des Designprozesses Einfachheit beibehalten, um einen eleganten wie unauffälligen Einschnitt in die Landschaft vorzunehmen, der als Aussichtspunkt und Rückzugsort gleichermaßen dient“, beschreibt Matthew Woodward seinen Ansatz. Durch die Ausrichtung nach Nordosten wird das Gebäude bereits in den Morgenstunden vom Sonnenlicht durchflutet. In den Sommermonaten können einige Glaswände seitlich geöffnet werden, um einen natürlichen Luftzug zu bewirken und den Übergang zur Landschaft noch fließender zu gestalten. Im Winter wird das Gebäude durch die Nutzung thermischer Masse temperiert sowie durch einen zusätzlichen Kamin beheizt.
Mit seinem holzgetäfelten Boden erinnert der Innenraum an das Deck eines Bootes. Vor allem im Wohnbereich, der sich unmittelbar über den Teich hinweg schiebt, werden die nautischen Qualitäten umso deutlicher. Just an dieser Stelle tritt das flexible Nutzungsprogramm zutage. Werden zwei großformatige Bodenpaneele aus der Raummitte herausgenommen, kommt darunter ein mit Magnesium angereicherter Pool zum Vorschein. In den Wintermonaten wird der Pavillon nicht als Gästehaus vermietet, sondern dient ausschließlich als Badehaus. Das Wohnzimmer verwandelt sich dann in ein Spa mit Panoramablick, das Platz für bis zu zehn Personen bietet.
Ausgewogene Reduktion
Von zurückhaltender Seite zeigt sich auch die Möblierung. Ein Kamin mit einer langgezogenen Granitablage wurde in eine der beiden Sandsteinwände eingelassen, die den Pavillon durchschneiden und dessen funktionalen Kern bilden. Raumhohe Holztüren sorgen dafür, dass sämtliche Ablagen, Sanitäranlagen sowie das große Klappbett im Schlafzimmer verborgen bleiben, sofern sie nicht gebraucht werden. Lediglich der Waschtisch tritt als funktionales Element hervor – wenngleich auch dieser in die Rückwand des Gebäudekerns stimmig integriert wurde.
Die Leere des Wohnraumes dominieren lediglich vier ausgesuchte Objekte: Zwei klappbare NY Chairs des japanischen Designers Takeshi Nii (entworfen 1958) werden von einem Alvar-Aalto-Holztisch (Modell 90b aus dem Jahr 1935) sowie einer Bodenversion von Michele De Lucchis Leuchtenklassiker Tolomeo (1987) flankiert. Schließlich soll die Hauptrolle weder der Architektur noch den Dingen überlassen werden, sondern einzig den Bewohnern und der sie umgebenden Natur.
FOTOGRAFIE Murray Fredericks
Murray Fredericks
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