Hüttenzauber im Teufelstal
Feriendomizil von Atelier L’Abri in Kanada
Es muss nicht immer ein Grandhotel sein: In der kanadischen Region Lac-Supérieur hat Atelier L’Abri das Feriendomizil Farouche Tremblant gestaltet – ein Cluster aus puristischen Finnhütten mit Blick auf die Laurentinischen Berge und eingebettet in die Felder eines Biobauernhofs.
Der Mont-Tremblant-Nationalpark zählt 400 Seen und sechs Flüsse. Für Wanderungen und Radtouren ist er ebenso geeignet wie als Skigebiet. 130 Kilometer sind es bis nach Montreal, 140 Kilometer bis in die Hauptstadt Ottawa. Dass es an diesem Ort durchaus bodenständig zugehen kann, zeigt die Ferienunterkunft Farouche Tremblant im Tal des Devil's River. Auf der Nordseite des Chemin du Lac-Supérieur, der Hauptstraße des Örtchens Mont-Tremblant, passieren die Gäste bei ihrer Ankunft mehrere Gewächshäuser, Blumenwiesen und Felder. 100 Hektar Land, der Großteil davon unberührt, gehören zum Biobauernhof mit Gästebetrieb.
Rustikaler Charme
Als Rezeption dient eine Scheune, in der saisonale Gemüse von den umliegenden Feldern sowie lokale Käsesorten verkauft werden. Der Neubau wurde von Atelier L’Abri nicht nur geplant. Das auf Holzbau spezialisierte Büro in Montreal hat ebenso die Baumaßnahmen ausgeführt. Die Scheune dient auch als gastronomischer und sozialer Mittelpunkt: Hinter einer U-förmigen Bar schließt sich ein kleines Restaurant mit sechs Tischen an, wo ausschließlich Speisen aus den Erzeugnissen des Bauernhofes zubereitet werden. Die hölzerne Materialität der Stühle und Tische korrespondiert mit der Verkleidung des offenen Dachstuhls mit Brettern aus Hemlock-Tannen. Das Holz verbreitet einen angenehmen Duft und unverkennbar rustikalen Charme. Wie bei traditionellen Bauernhäusern in der Region üblich, sind die Dachflächen mit kohlefarbenen Stahlblechen verkleidet.
Ums Feuer versammelt
Nach Westen öffnet sich sich der Speisesaal mit großen Panoramafenstern zum Fluss und den Gipfeln der Laurentinischen Berge. An den beiden Seitenwänden können gläserne Schiebetüren geöffnet werden, um Zugang zu zwei Terrassen zu gewähren: Die eine ist in der warmen Jahreszeit mit weiteren Tischen und Stühlen möbliert. Auf der anderen Terrassenseite gruppieren sich um eine offene Feuerstelle ganzjährig vier Adirondack Chairs. Die Gartenstühle hat der Amerikaner Thomas Lee 1905 für sein Sommerhaus in Westport im Bundesstaat New York entworfen. Bis heute erfreuen sie sich vor allem in den Neuenglandstaaten und in Kanada großer Beliebtheit.
Erhöhtes Refugium
Wem es auf den Stühlen zu kalt wird, der kann sich an einem offenen Kamin aufwärmen, der vor der Fensterfront im Inneren des Restaurants platziert wurde. Oberhalb der Bar haben die Planer*innen von Atelier L’Abri ein Zwischengeschoss eingezogen, das als kollektives Wohnzimmer dient. Die Gäste können hier auf einem Sofa oder einem Sessel Platz nehmen. Von einem mit Bänken flankierten Tisch lässt sich das Geschehen im Restaurantbereich überblicken. Die erhöhte Position des Wohnzimmers lässt auch die Temperaturen steigen. Ein gemütlicher Rückzugsort, der vor allem in der kühlen Jahreszeit seine volle Wirkung entfaltet.
Zickzack in der Landschaft
Vom Restaurant führen Wanderwege in die umliegenden Berge hinauf. In südliche Richtung gelangen die Gäste zu den Unterkünften der Farouche Tremblant, die ebenso von Atelier L’Abri gestaltet und errichtet wurden. Die Dächer der vier puristischen Finnhütten sind mit Zedernholzschindeln verkleidet. Indem die Dächer bis zum Boden hinabreichen, erhalten die kompakten Häuser eine prägnante A-Silhouette. Im Vierer-Verbund entsteht so eine Zickzack-Formation, die aus den Büschen am Flussufer deutlich herausragt. Zugleich wirken die Dächer wie Echos auf die Tannen, die sich hinter den Hütten mit ihren spitz zulaufenden Kronen nach oben verjüngen.
Dreieckiges Doppel
Die Rückseiten der Häuser sind mit den gleichen Zedernholzschindeln verkleidet wie die Dächer. Sie werden jeweils von einem vertikalen Fenster durchbrochen. Der Zugang erfolgt auf der gegenüberliegenden Seite über eine vorgelagerte Terrasse. Sie ist um drei Stufen erhöht und ebenso aus Holz gebaut. Ihr dreieckiger Zuschnitt greift die Dachform auf. Fast könnte man meinen, die Terrasse wäre ein immer bleibender Schattenwurf der Architektur: nicht in präziser Abmessung, sondern in legerer Annäherung. Atelier L’Abri kombinierten hier ganz nonchalant die Formen eines spitzen und eines gleichschenkligen Dreiecks.
Dichte Nebelschwaden
Das Innere der Hütten ist überaus spartanisch eingerichtet: Ein Doppelbett wird seitlich von den beiden Dachflächen eingefasst. Das Kopfende schließt bündig mit dem Fenster an der Nordseite ab. Der Bettkasten ist erhöht, sodass das abgesenkte Fußende als Rückenlehne für eine angeschlossene Sitzbank dient. Davor haben die Gestalter*innen zwei kleine Sitzhocker sowie einen frei stehenden Ofen platziert. Mehr braucht es nicht.
Der Star in dieser Umgebung ist ohnehin die Aussicht: Die gesamte Südfassade ist einschließlich der mittig platzierten Eingangstür verglast, sodass die Blicke hinaus in die Flusslandschaft und die Berge wandern. Wenn dichte Nebelschwaden aus dem Gewässer aufsteigen oder das Mondlicht für dramatische Schattenwürfe sorgt, sind die Hütten ganz in ihrem Element: Sie definieren Orte der Einkehr, um wieder Kräfte zu tanken für all die Ablenkungen, die die Gäste im Alltag erwarten.
FOTOGRAFIE Raphaël Thibodeau Raphaël Thibodeau
Projekt | Farouche Tremblant |
Ort | Lac-Supérieur, Québec, Kanada |
Entwurf | Atelier L'Abri |
Fläche | 464 Quadratmeter |
Projektteam | Stefania Praf, Charles-Édouard Dorion, Vincent Pasquier, Nicolas Lapierre, Francis Martel-Labrecque |
Produkte | Lepage Millwork, Vicwest, Scierie Armand Duhamel & Fils, Entrepôt du Cèdre |
Fertigstellung | 2022 |