Im Bauch des Berges
Eine texanische Höhle für Sommeliers und Eremiten

Mitten im Nirgendwo der nordamerikanischen Landschaft führt ein Betonportal in den Hügel. Dahinter haben die Planer von Clayton Korte einen architektonischen Einsiedlertraum realisiert: Die Höhle im Felsen beherbergt eine feudale Lounge und ein Lager für bis zu 4.000 Flaschen Wein.
Die Landschaft des Texas Hill Country ist voll von schroffen Hügeln, deren steinig-staubigen Flächen verstreut von Kakteen, Yucca und Wacholder besiedelt werden. Es ist einsam hier, mitten im Bundesstaat Texas. Die Besucher kommen zum Wandern, die Ortsansässigen bleiben wegen des entschleunigten Alltags – und pflegen Hobbys wie den Weinbau. Am östlichen Rand der Region steht eine abgelegene, privat genutzte Farm, deren genauer Standort auf Wunsch der Eigentümer geheim bleiben soll. Wenn ihre Bewohner sich abends noch einmal auf einen Spaziergang machen, dann liegt ihr Ziel meist nur ein paar Gehminuten entfernt. Direkt an einer Flussbiegung und am Fuße eines Kalksteinhangs verschwinden sie zwischen den Stämmen einiger Ulmen und Eichen – als hätte der Berg sie verschluckt.
Unterschlupf im Unterholz
Das Geheimnis im Berg ist eine bewusste Inszenierung. Nur ein Fenster schließt sich an die Landschaft an und verrät sich nachts durch einen sanften Lichtschein. Tagsüber verbergen die üppige Vegetation und ein paar bewusst platzierte Felsbrocken das Geheimnis der Farmbesitzer: eine private Weinhöhle. Ihr Ursprung wirkt natürlich, ist aber tatsächlich eine Grabung in den leicht zu bearbeitenden Kalkstein. Allerdings zeigte sie denkbar schlechte Voraussetzungen für eine architektonische Intervention. Die Höhle war weder wasserdicht, noch in ihren Maßen auf ein innenliegendes Bauwerk eingestellt. Die Architekten von Clayton Korte, die mit dem Entwurf beauftragt wurden, konzentrierten sich auf drei Maßnahmen. Zum einen versiegelten sie die Höhlenwände in einem ersten Schritt mit Spritzgussbeton, der sich an der Ästhetik einer natürlichen Felswand orientierte. Dann verpassten sie dem Bauch des Berges ein hölzernes Skelett und setzten an seinen Eingang eine stützende und versiegelnde Schottwand.
Hommage an den Wein
Der hölzerne Raumkubus, der wie in den Bergschlund hineingeschoben wirkt, verschließt sich nicht vor dem Felsen. Einige Partien bleiben sichtbar, andere sind hinter Fenster gesetzt. Auch die Sicht durch den gesamten Schlauch bis zur Rückwand bleibt – dank einer raumhohen Glastrennwand – erhalten. Gleichzeitig haben die Architekten neben Deckenspots und hängenden Glühbirnen auf viel indirektes Licht gesetzt, das als Lichtband zwischen Decke und Wand läuft. Es wirkt fast wie Tageslicht und nimmt der tiefen Höhle ihren beklemmenden Charakter. Der Ort wirkt ganz im Gegenteil wie ein Schutzraum vor äußeren Einflüssen und Umweltbedingungen. Warme Materialien und ein farblich auf das Gestein abgestimmter Boden stellen ein Gleichgewicht zwischen der geschaffenen Architektur und dem natürlichen Refugium her. „Dieses Projekt ist ein Instrument, wie ein Werkzeug oder Museum, das nicht nur die Möglichkeit für eine ordnungsgemäße Lagerung von Wein bietet, sondern dem Nutzer auch eine privilegierte Perspektive bietet. Dieses Gefühl der Aussicht und der Zuflucht, wenn man sich der Höhle nähert und sie schließlich betritt, ist ein zentrales Element des Entwurfs“, so beschreibt Camden Greenlee von Clayton Korte die emotionale Wirkung des Baus.
Eine Höhle wie eine Flasche
Wichtig war dem Büro auch der Bezug zur direkten Umgebung. Die Architekten setzten auf einfache, aber hochwertige Materialien und Baustoffe, die nicht weiter als 500 Meilen zur Baustelle reisen durften. Das geschah aus praktischen Gründen, garantiert aber gleichzeitig einen minimalen Aufwand bei späterer Wartung. Im Innern wurde natürlich belassene mit geschwärzter Weißeiche kombiniert, die Wände sind mit vertikal gemaserter Douglasie verkleidet. Die Arbeitsflächen sind aus aufgearbeitetem Zedernholz. Dazu kamen Details aus schwarzem Stahl, mit dem die Fenster eingefasst sind, aber auch Details wie ein schwebend montierter Spiegel im Badezimmer. Alle Einbauten wurden im Entwurf wie eine temporäre Lösung betrachtet. Sie sind nicht mit der gebauten Hülle verbunden und können jederzeit einfach demontiert und ersetzt werden. Brian Korte findet dafür ein schönes Bild: „ Es ist wie bei einem Flaschenschiff. Die Bestandteile des Holzeinsatzes werden bewusst von der vorhandenen Höhlenschale ferngehalten, damit der Raum anpassungsfähig bleibt.“
FOTOGRAFIE Casey Dunn
Casey Dunn
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