Japanische Poesie
Restaurant Ōkyū in Stuttgart von Studio Komo
Bei der Gestaltung des Restaurants „Ōkyū“ in Stuttgart hat Studio Komo Elemente der traditionellen japanischen Tempelarchitektur aufgenommen, diese neu interpretiert – und dabei gleichzeitig den eklektizistischen Stil der fernöstlichen Tempelarchitektur, den „setchū-yō“, an die Bedürfnisse der gehobenen Gastronomie angepasst.
Eleganz gepaart mit fernöstlichem Charme – schon von außen wirkt das Ōkyū äußerst stilvoll und einladend. Das von Studio Komo in der Stuttgarter Calwer Passage gestaltete japanische Restaurant ist eine ebenso moderne wie feinsinnige Interpretation japanischer (Innen-)Architektur. Erst kürzlich war die 133 Meter lange Passage aus den Siebzigerjahren umfassend umgebaut worden und bildet mit ihrer begrünten Fassade (Werner Sobek) eine perfekte Symbiose aus historischem Bestand und moderner Architektur. Auch das Ōkyū integriert Elemente des denkmalgeschützten, innen liegenden Bereichs in das architektonische Konzept. So ist durch die beim Umbau notwendig gewordenen Träger und Unterkonstruktionen die im Innenraum sichtbare, axial ausgerichtete Pagodenstruktur entstanden.
Nachahmung der Tempelarchitektur
Die in der Tempelarchitektur traditionelle Aufteilung des Innenraums in die Bereiche Basho (Hof), Kōen (Garten), Funsui (Brunnen), Kitchin (Küche) und Yokujō (Badehaus) ist zwar kaum erkennbar, dennoch entsteht durch unterschiedlich gesetzte Formwände, Nischen und verschiedene Ebenen im Raum der Eindruck eines tempelartigen Inneren. Im Zentrum steht eine lange Reihe kleiner Tische, am Rand bieten in die Erker der Bestandsfassade integrierte, ovale Sitzecken ein wenig Privatsphäre. Eine durch drei Stufen erhöhte Sitznische mit eingelassenem Tisch und farblich abgesetzter Decke vermittelt beinahe das Gefühl, bei einer traditionellen Tee-Zeremonie zu sitzen. Die Tische wurden eigens von Studio Komo entworfen. Durch die mit roter Farbe aufgefüllten Kapillare des verwendeten Rattans entsteht eine besondere Struktur der Oberfläche. Der mittig gesetzte rote Punkt ist eine grafische Anspielung auf die japanische Flagge. Der Kreis als Form findet sich auch an anderen Stellen wieder – so öffnet sich der Raum im hinteren Bereich mit einem runden Durchgang zu den Waschräumen, die mit Spiegeln in derselben Form ausgestattet sind, und auch die Längsachse läuft auf eine indirekt beleuchtete Kreisform zu.
Prägnante Farben und stimmige Materialien
Ins Auge fallen insbesondere die im Raum verteilten roten Formsteinwände. In Spanien gefertigt und aufwendig mit einer roten Keramikglasur bearbeitet, wurden die Hohlsteine vor Ort passgenau in die restlichen Wände eingemauert – eine handwerkliche Herausforderung. Die dahinterliegenden Wände wurden zusätzlich rot verspiegelt, sodass ein subtiler Infinity-Effekt entsteht und die Grenzen des Innenraums zu verschwimmen scheinen. Daneben bestimmen weitere Farben und Materialien das Raumerlebnis mit: insbesondere der grüne, rote und schwarze Terrazzo aus Italien, der, in verschiedener Körnung, zur Gestaltung von Wänden, Boden und Möbeln verwendet wurde, sowie Bouclé-Polsterstoffe von Raf Simons für Kvadrat in den Sitznischen. Die Wandoberflächen erhalten durch zugesetzten Marmorstaub eine matte Oberfläche und eine besondere Patina.
Poetisches Ambiente
Das fernöstliche Flair wird durch Elemente wie die von der Decke hängenden Noren (traditionelle japanische Leinenvorhänge) oder an unvermuteten Stellen zitierte Haikus (japanische Kurzgedichte) noch betont. Durch ein per App steuerbares Beleuchtungskonzept lassen sich einzelne Bereiche in unterschiedliches Licht tauchen. Zum Wohlgefühl trägt sicherlich auch die Ausrichtung des Interieurs nach fernöstlichen Einrichtungsprinzipien bei: Der Grundriss und einzelne Zonen wurden von einem Feng-Shui-Meister aus Vietnam geprüft und nach seinem Urteil in Teilen nochmals angepasst. Es gibt also wahrlich vielerlei Gründe, einen (oder mehrere) Abende in der beinahe mystischen Atmosphäre des Ōkyū zu verbringen.
FOTOGRAFIE Philip Kottlorz Philip Kottlorz
Kategorie: | Gastro Design / Gastronomie Planung |
Innenarchitektur: | Studio Komo - holistic interior affairs |
Kunde: | Ōkyū GmbH |
Größe: | 230 Quadratmeter |
Umsetzung: | 2022 |