Japanischer Lichtblick
Licht ins Schwarze: Yoshiaki Yamashita hat in Osaka ein Minihaus gebaut, das sich abschottet und doch keine dunkle Höhle ist.
In Osaka hat das Architektenbüro Yoshiaki Yamashita Architect & Associates auf Wunsch des Auftraggebers ein Haus ohne klassische Fenster gebaut. Und doch gibt es ausreichend Licht – dank traditioneller Kunstgriffe der japanischen Innenarchitektur.
„Ein Maximum an Privatsphäre“ wünschte sich der Bauherr für sein neues Zuhause in Osaka, das auf einem nur 66 Quadratmeter großen Restgrundstück zwischen einer Straße und dem Ende einer langen und schmalen Gasse, nicht weit entfernt von einem der vielen animierten Einkaufszentren der Stadt entstehen sollte.
Wie im tiefen Brunnen
Um seinen Klienten so gut wie möglich von der quirligen und dicht besiedelten Nachbarschaft abzuschirmen, verkleidete der Architekt Yoshiaki Yamashita die zur Straße und zur Gasse ausgerichteten Fassaden des Neubaus mit schwarzen Holzplanken – und das ohne jegliche Öffnungen. Für die Konstruktion der südlichen Hauswand schwebte ihm dagegen zunächst vor, die bestehende, vier Meter hohe und das Grundstück begrenzende Steinmauer einzubeziehen. Doch sein Auftraggeber lehnte diesen Vorschlag ab und verlangte stattdessen „nach einem vollkommen geschlossenen Entwurf für eine maximale Privatsphäre“, erinnert sich Yamashita an die anfängliche Zusammenarbeit, die ihm zu diesem Zeitpunkt Kopfzerbrechen bereitet hatte. „Beim Betrachten der fensterlosen Wände fühlte ich mich jedes Mal wie in einem tiefen Brunnen gefangen. Um dem neuen Eigentümer auf Dauer eine angenehme Wohnatmosphäre zu schaffen, wollte ich ihn unbedingt von der Notwendigkeit eines wenigstens minimalen Bezuges zur Außenwelt überzeugen.“
Licht durch Kompromisse
Um zumindest ein klein wenig Tageslicht in das Innere des Hauses gelangen zu lassen, erhielt er schließlich die Erlaubnis, einen verglasten Eingangsbereich auf der Südwestseite zu konstruieren. Geschickt maximierte Yamashita diesen Effekt, indem er nicht nur die Front transparent gestaltete, sondern einen parallel zur Steinwand verlaufenden Korridor mit gläsernem Dach baute. Auf diese Weise werden nicht nur der gesamte Eingangsbereich, sondern auch das sich hier befindende Bad mit Tageslicht versorgt.
Lichtdurchlässig blickdicht
Im Haupttrakt des Hauses schuf Yamashita dagegen einen Bezug zur Außenwelt ganz anderer Natur: durch den Einbau einer Shoji-Konstruktion, einer typisch japanischen Schiebetür. Statt als herkömmlichen, flexiblen Raumteiler im Hausinneren integrierte er sie bei diesem Projekt jedoch als festen Bestandteil der Ostfassade, und schlug damit gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Das durch die Beimengung von Kunststofffasern besonders widerstandsfähig gemachte Japanpapier sorgt für gleichmäßige und sanfte Lichtversorgung und schützt gleichzeitig vor ungewollten Einblicken aus der Nachbarschaft. Zudem harmonisiert die Konstruktion aus filigranen Holzstreben und milchigem Papier perfekt mit der innenarchitektonischen Gestaltung des Hauses, die – typisch japanisch – von linearen Formen und unauffälligen Farben geprägt wird. Als besonderes Gestaltungselement sticht in diesen Kontext die Silhouette eines Bambusbaumes hervor, die sich bei künstlicher Beleuchtung in der Nacht auf der Shoji-Wand widerspiegelt und die fast meditativ anmutende Leichtigkeit dieser Konstruktion unterstreicht.
Schöne Details in der Nebenrolle
Und selbst wenn diese geniale, architektonische Notlösung andere gestalterische Höhepunkte wie die spektakulären Fußböden, den Indoor-Garten und das originelle Mezzanin in den Hintergrund treten lässt, passt das innovative Gesamtprojekt perfekt in das moderne Stadtbild von Osaka. Die drittgrößte Stadt Japans und „kleine Schwester Tokios“ macht vermehrt mit zeitgenössischen Architekturexperimenten auf sich aufmerksam, die zwischen den historischen Schreinen inmitten der traditionellen Wohnvierteln entstehen.
FOTOGRAFIE Eiji Tomita
Eiji Tomita