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Kanadischer Cocktail: die Arbeitswelt von Campari

Collage in Pastell: Für die Campari-Büros in Toronto ließen sich die Gestalter von einer früheren Werbekampagne inspirieren.

von Tim Berge, 28.07.2017

Die Geschichte von Campari ist nicht nur die eines leckeren alkoholischen Getränks, sie beinhaltet auch eine über 100 Jahre währende Tradition, mit Künstlern und Gestaltern zu kooperieren. Das Archivmaterial dieser Zusammenarbeit bildet einen gigantischen Fundus, den sich das kanadische Designstudio I-V zunutze gemacht hat. Es wurde mit der Gestaltung der neuen Campari-Firmenbüros in Toronto beauftragt und schuf einen collageartigen Mix aus Farben, Formen und Texturen – inspiriert von einem 89 Jahre alten Poster.

Der Auftrag lautete, einen Ort zu kreieren, der den Geist Camparis einfängt und die Leute inspiriert. Um die Zukunft zu gestalten, dachte sich das junge Designteam, sollte man den Blick zuerst in die Vergangenheit richten. Neben aktuelleren Kooperationen mit Künstlern wie Vanessa Beecroft und Tobias Rehberger fanden die kanadischen Designer Arbeiten der italienischen Futuristen und Künstler Fortunato Depero und Bruno Munari, die in den Zwanziger- und Sechzigerjahren Anzeigen für Campari gestaltet hatten. Insbesondere das 1928 erschienene Poster He Distractedly Put the Bitter Campari on His Head hatte es I-V angetan: Genau wie Depero, wollten sie ihre „Volumen auf einer Leinwand treiben lassen“, erklären die Architekten ihre Idee. Dazu haben sie die Zutaten, die ihnen zur Verfügung standen, gut durchgeschüttelt und eine abstrakte Raum- und Materialcollage geschaffen, bedeckt mit wundersamen Farben und Mustern.

Über Brücken und Treppen
I-V teilen das Büro in drei Bereiche ein: Eingang, Arbeiten und Versorgungseinrichtungen. Das Hauptaugenmerk bei der Planung lag auf der intelligenten Nutzung der großen, offenen Fläche und hohen Decken, nachdem die alte Industriehalle zuvor als Filmstudio genutzt wurde. Es sollten sowohl öffentliche als auch private Arbeitsbereiche entstehen. Wie auf dem Poster von Fortunato Depero schufen die Planer eine fließende, räumliche Struktur. Neben 16 Arbeitsplätzen, die sich als geschlossenes Cluster im Zentrum der Halle befinden, platzieren die Architekten unterschiedlich große Besprechungsräume als eigenständige Volumen in dem doppelgeschossigen Raum. Sie lassen sich über Türen, die mit Polycarbonat-Platten verkleidet sind, vollständig öffnen und an allen Seiten passieren. Über ihnen bieten Mezzanine einen öffentlichen Raum abseits der Arbeitswelt: Treppen und Brücken führen hinauf in eine reduzierte Relax-Landschaft mit pfirsichfarbenen Sofas und transparenten Tischen. Der vor den Augen der Arbeitenden verborgene Ort bietet Mitarbeitern und Gästen Platz für informelle Treffen oder kleine Pausen.

Farben, Muster und Texturen
Deperos Poster von 1928 war noch in Schwarzweiß – doch spätere Arbeiten des Futuristen und anderer Künstler im Auftrag Camparis strotzen nur so vor Farbe. Entsprechend rückten diese in den Mittelpunkt der Gestaltung von I-V. „Wir abstrahierten Farben, Muster, Texturen und Formen aus den Plakaten,“ erzählt der verantwortliche Planer Emil Teleki, „und schichteten sie, bis wir eine ausgewogene dreidimensionale Leinwand geschaffen hatten.“ Erste, sanfte Farbtupfer bieten die Kinesit-Bürostühle von Arper, die auch aufgrund ihrer weichen Formensprache perfekt in die neu gestaltete Arbeitswelt passen. Aber auch der gummibeschichtete Boden bringt Farbe ins Spiel und nutzt sie zur Zonierung der Bürolandschaft: dunkelblau steht für Erschließung und mintgrün für Arbeiten. Als Oberfläche für die Büromöbel, den obligatorischen Tresen und den großen Konferenztisch verwenden die Architekten das von Ettore Sottsass entwickelte Bacterio-Muster. Die rotweiße Struktur eine Reminiszenz an die originale Farbe von Campari, Karmin, die aus der Cochenillelaus gewonnen wurde. Die Wände von Halle und Besprechungsräumen wurden dagegen in Weiß und Grau gehalten, um für einen optisch ruhigen Rahmen zu sorgen. Der Übergang von Marke zu Raum gelingt I-V auf eine sehr organische Art – und durch die ungewöhnliche und kühne Architektur haben sie eine inspirierende und schöne Bürowelt geschaffen.

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