Kaufhaus-Makeover
Neugestaltung der fünften Etage im KaDeWe
Die Kaufhaus-Legende der Hauptstadt hat ihrer fünften Etage ein Makeover und einen Funktionswechsel verpasst. Statt zwischen den klirrenden Tellern eines in die Jahre gekommenen Restaurants landen die KaDeWe-Kunden jetzt in einem mit viel Textil gedämpften Servicebereich, der auf offener Fläche visuell, ästhetisch und akustisch eine Verschnaufpause bietet. Entworfen haben die neuen Räume natürlich zwei Berlinerinnen.
In der fünften Etage der Berliner Kaufhaus-Institution KaDeWe residierte einmal das Restaurant Silberterrasse. Zwischen viel dunklem Holzfurnier, verspiegelten Pfeilern und floralen Jugendstil-Lüstern traf sich die Charlottenburger Gesellschaft zur gutbürgerlichen Pause vom Konsum. 2010 war nach über hundert Jahren Schluss – und die Fläche rief nach einem zeitgemäßen Nutzungskonzept. Umgesetzt haben die Neugestaltung die beiden in der Hauptstadt lebenden Designerinnen Claire Wildenhues und Vanessa Heepen. Sie machten die ehemals kulinarisch genutzte Fläche zu einem offen gestalteten Kundenservice-Areal, das durchaus Anleihen an der Geschichte nimmt. Die Holztäfelung der Wände in Kombination mit einer geschwungenen Lamellenwand aus Eiche ist eine moderne Hommage an den architektonischen Zeitgeist des Ortes.
Von Westberlin bis Tokio
Claire Wildenhues und Vanessa Heepen haben eine offene Lounge gestaltet, die unterschiedliche Materialien mit zarten Nuancen, semitransparenten Raumvorhängen und Spiegelflächen kombiniert. Inspirieren ließen sich die beiden Gestalterinnen von Kreativen verschiedener Epochen. Sie nennen beispielsweise Luca Guadagnino, den italienischen Regisseur des im Berlin der Siebziger spielenden Films Suspiria, Constantin Brâncuși, der mit seinen radikalen und progressiven Skulpturen ein Pionier der Moderne war, oder Hildegard Knef, Chansonsängerin, Diva und Westberliner Ikone. Aus dem Designbereich beruft das Duo sich auf französische und japanische Vorbilder, wie Charlotte Perriand oder Shiro Kuramata. Und so empfängt empfängt die fünfte Etage des KaDeWe ihre Kunden minimalistisch, diskret und mit leichten Farbtönen von Holz bis Pistazie. Dazwischen wird es dann aber doch immer mal wieder kurz laut.
Möbel auf Maß
Die wenigen Möbelstücke sind formal avantgardistisch und setzen farbliche Akzente. Einige davon haben Wildenhues und Heepen eigens für das KaDeWe entworfen. Etwa die Sitzelemente Taramon – eine Chaiselongue, die zentral im Raum steht – und das aquamarinblaue Sofa Lucablu, das die Sitzenden exzentrisch einrahmt. Beide Möbelstücke setzen sich als Patchwork aus Materialien und Geometrien zu funktionalen Objekten zusammen. Ein Zylinder aus Terrazzo bildet die Basis, ein rauchgrauer Glaskreis wird zum trennenden Screen zwischen Wartenden. Die mit ihrer konsequenten Silhouette fast comichaften Sessel kommen hingegen vom ukrainischen Studio Noom. Mit ihren schwarzen Polstern setzen sie sich vom Raumhintergrund ab, der durch Vorhänge immer wieder zur konsequent monochromen Fläche wird.
Vier zu eins
Unterteilt ist die fünfte Etage in vier Bereiche: Lounge, Kundenservice, Hospitality und die Terrasse. Die Vorhänge zonieren alle innenliegenden Areale, lassen sich aber auch für Abendveranstaltungen zu einer einzigen Fläche öffnen. Dann bietet die Terrasse Austritt mit Aussicht – und ein ebenfalls überarbeitetes Ambiente. Passend zum Interieur stehen hier feuerverzinkte Möbel vor der Muschel-Kalkstein-Fassade und begrünten Grasbalustraden. Nichts in der neuen Kundenservice-Welt sollte statisch sein. Die Nutzungsbereiche gehen durch die textilen und mobilen Grenzen ineinander über, die Möbel stehen wie kleine Inseln auf der Fläche. Alles lässt sich dynamisch verändern und temporär öffnen. Wildenhues und Heepen haben damit ein inspirierendes Ambiente geschaffen, das bewusst nicht auf die visuelle Herausforderung setzt, sondern auf ein Interieur gemäß des musikalischen „piano“: Es ist ästhetisch still, formal leise und lässt der Erzählung Raum.
FOTOGRAFIE Robert Rieger
Robert Rieger