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Kulinarische Adressen

Umbau zweier historischer Markthallen in Florenz

Markthallen dienen keineswegs nur dazu, Einkäufe zu erledigen. Sie sind Identitätsstifter, Orte des Zusammenkommens und manchmal auch Weihestätten kulinarischer Hochgenüsse. In Florenz sind nun der Storico Mercato Centrale di San Lorenzo und der Mercato Sant’Ambrogio renoviert worden. Keramikböden vollziehen den Sprung aus der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft.

von Norman Kietzmann, 02.04.2024

Ein Markt ist eine Adresse. Und die braucht eine architektonische Fassung. Als die Bevölkerung von Florenz Mitte des 19. Jahrhunderts immer weiter anwuchs, wurden der Mercato Vecchio sowie der Mercato del Porcellino zu klein. Also entschied man sich, drei überdachte Plätze zu bauen, von denen zwei bis heute erhalten sind. Die Arbeiten wurden dem Architekten Giuseppe Mengoni übertragen, der zuvor den Wettbewerb für die Umgestaltung des Mailänder Domplatzes gewonnen hatte und dort den Bau der berühmten Galleria Vittorio Emanuele II verantwortete – sozusagen dem Prototypen der Shoppingmall. Von so viel Zeitgeist wollte man auch in Florenz ein Stück abhaben.


Erste Adresse der Stadt
Der 1874 eröffnete Mercato Centrale di San Lorenzo ist bis heute der größte der toskanischen Hauptstadt. Für den Bau musste ein ganzer Häuserblock inmitten der verwinkelten Gassen abgerissen werden. Für die Konstruktion aus Gusseisen, Stahl und Glas orientierte sich Mengoni am Vorbild der Pariser Les Halles. Von außen wird das Gebäude von Bogenreihen aus Pietra Serena eingefasst, jenem grauen Sandstein, der das Stadtbild von Florenz seit der Renaissance bestimmt. Durch die hohen Fenster auf beiden Seiten des fast 30 Meter hohen Mittelschiffs fällt viel Tageslicht ins Innere, um das Gefühl eines Markts im Freien zu vermitteln. Rund 100 Geschäfte sind bis heute in der Halle ansässig. Hinzu kommen kleine Restaurants, wo man Spezialitäten direkt vor Ort probieren kann.

Materieller Wandel
Zu seinem 150-jährigen Bestehen ist der Markt nun renoviert worden. Die Arbeiten haben die Architekt*innen Nicola Spagni und Diletta Storace vom Büro S+S Studio in Koordination mit der Stadtverwaltung und Denkmalbehörde umgesetzt. Dabei ist auf einer Fläche von 2.500 Quadratmetern der Bodenbelag ausgewechselt worden, nachdem der vorherige in einem schlechten Zustand war. Hierbei wurde ein Wandel in der Materialität vollzogen. Anstelle eines Steinbodens kommt technische Keramik zum Einsatz, die neue Eigenschaften mit ins Spiel bringt. S+S Studio hat sich für die Kollektion Blast von FMG Fabbrica Marmi e Graniti entschieden, einer Marke der Iris Ceramica Group. In der Farbe Grey greifen sie optisch das Kopfsteinpflaster der Stadt auf – und fügen sich so harmonisch in den historischen Bau ein.

Gegen Viren, Bakterien und Gerüche
Der Grund für die Anwendung ist noch ein anderer: In der Version Active Surfaces entfalten die keramischen Oberflächen eine selbstreinigende Wirkung – ausgelöst durch den Einfluss von natürlichem oder künstlichem Licht in Kombination mit Luftfeuchtigkeit. So töten sie Bakterien, Viren (auch SARS-CoV-2), Pilze und Schimmel ab. Gleichzeitig werden unangenehme Gerüche beseitigt und die Bildung von Schadstoffpartikeln verhindert. Diese Eigenschaften lassen mit der Zeit nicht nach, sondern bleiben während des gesamten Lebenszyklus der Fliesen erhalten. „Uns gefiel das Konzept, eine Keramik zu verwenden, die augenscheinlich ein historisches Material repräsentiert und gleichzeitig eine zeitgenössische Sprache spricht. So nutzen wir die Tools, die uns in unserer Epoche zur Verfügung stehen, und zollen der Geschichte Respekt“, erklärt Nicola Spagni.

Kollektives Gedächtnis
Die strukturierten Oberflächen sind besonders rutschfest, was die Sicherheit für die Händler*innen und Besucher*innen gleichermaßen erhöht. Da sich die Platten leicht verlegen lassen, konnten die Arbeiten schrittweise durchgeführt werden, während sämtliche Geschäfte geöffnet blieben. Eine Besonderheit sind sogenannte „Erinnerungssteine“. In die 13 Millimeter starken Platten aus der Blast-Kollektion wurden per Wasserstrahl Texte eingraviert, darunter Zitate berühmter Florentiner Persönlichkeiten oder traditionelle Sprüche, die die Markthallen der Stadt und die kulinarische Tradition der Toskana thematisieren. „Wir wollen daran erinnern, dass es ein Ort ist, an dem wir jeden Tag bummeln und einkaufen. Beim Gehen schauen wir auf den Boden und lesen die Erinnerung an jemanden, der vor uns diesen Ort betreten hat“, sagt Diletta Storace.

Lokaler Bezug
Auch der Mercato di Sant’Ambrogio stammt auf der Feder des Architekten Giuseppe Mengoni. Er ist 1873, ein Jahr vor dem Mercato Centrale di San Lorenzo, als allgemeiner Obst- und Gemüsemarkt eingeweiht worden. Die Außenwände sind bis zu einer Höhe von drei Metern gemauert und werden durch gusseiserne Säulen gegliedert. Darüber erheben sich großzügige Fensterfronten. Von Tourist*innen wird der Ort weniger frequentiert. Dafür hat er eine umso wichtigere Bedeutung für die lokale Bevölkerung. S+S Studio hat bei der Renovierung des 700 Quadratmeter großen Innenbereichs der Markthalle ebenfalls die Böden ausgetauscht. Hierbei sind Oberflächen aus der Kollektion Urban Dove von FMG Fabbrica Marmi e Graniti zum Einsatz gekommen.

„In der Ausführung Active Surfaces sind sie nicht nur chemikalienbeständig, bruch-, verschleiß- und rutschfest, sondern haben auch den zusätzlichen Vorteil, dass sie antibakteriell und antiviral agieren“, so Nicola Spagni. Der Markt wurde um eine neue Außenloggia ergänzt, um mehr Platz für gastronomische Angebote zu schaffen. So soll sich die Halle noch stärker mit dem umliegenden Viertel verbinden. „Der Markt von Sant'Ambrogio verändert sein Aussehen: neue Strukturen, Unterstände und Beleuchtung mit einem breiten Mittelgang, um diesem wertvollen Ort in der Stadt neues Leben einzuhauchen. Wir fahren fort, das Florenz der Zukunft zu gestalten“, verkündet der Oberbürgermeister Dario Nardella auf X. Die historischen Märkte gehören zu dieser Zukunft fest dazu.

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Projektinfos
Projekt Storico Mercato Centrale di San Lorenzo und der Mercato Sant’Ambrogio
Ort Florenz, Toskana, Italien
Typologie Markthalle, Gastronomie
Umbau S+S Studio
Materialität des Bodens Keramikfliesen aus der Kollektion Blast von FMG Fabbrica Marmi e Graniti
Links

Entwurf

Planungsbüro s+s studio

https://essepiuesse.it

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