Kulinarisches Cabaret
Neuer Hotspot in Warschau: das Restaurant Opasly Tom von Buck.Studio.
Beim Restaurantbesuch zählt an erster Stelle das Essen, keine Frage. Doch für einen gelungenen Abend kommt es auch auf Atmosphäre an. Im Südwesten der Warschauer Altstadt hat das Restaurant Opasly Tom eröffnet, in dem nicht nur die polnische Küche neu interpretiert wird. Die Architekten von Buck.Studio garnieren die Gaumenfreuden mit einem sinnlichen Raumerlebnis.
Höhenunterschiede sind in der Gastronomie eine knifflige Sache. Sobald sich ein Restaurant über mehrere Etagen erstreckt, ist eine Hierarchie unvermeidbar: zwischen der Ebene, auf der alle sitzen wollen und der anderen Ebene, die sich immer ein Stück weit nach zweiter Klasse anfühlt. Um eine solche Abstufung erst gar nicht entstehen zu lassen, haben die Architekten Dominika und Pavel Buck zu einem Mittel gegriffen, das schon in barocken Schlössern bestens funktioniert hat: Sie haben jeden Raum des Restaurants Opasly Tom (zu deutsch: aufgeblähtes Volumen) in unterschiedliche Farben getaucht, nach denen sich die Gäste ihren Tisch auswählen können.
Plissierte Metallpaneele
Korallrot, Salbeigrün, Honiggelb und Tintenblau sind die vier Töne, die diesen Ort zusammenhalten. Sie werden jeweils von den stoffbezogenen Sitzkissen und Rückenlehnen der Holzstühle, den glatt verputzten Decken sowie den Wänden aufgegriffen. Letztere sind mit einer ungewöhnlichen „Tapete“ verkleidet: Samtstoffe, die zusammen mit einer Unterpolsterung auf wellenförmigen Metallpaneelen fixiert wurden. Die Sandwich-Konstruktion sorgt für beständige Schattenwürfe und weckt damit nicht nur Assoziationen an perfekt gefaltete Theatervorhänge. Sie schluckt wirkungsvoll das Stimmengewirr und schafft einen atmosphärischen Gegenpol zu den eigens angefertigten Holzmöbeln und Leuchtern, die sich je nach Deckenhöhe aus vier bis neun Glassphären zusammensetzen.
Strenge und Variation
Die Farben werden im Erdgeschoss klar voneinander getrennt. Ein großer, honigfarbener Raum mit offener Showküche geht in einen salbeifarbenen Bereich über, der aufgrund seiner kompakteren Dimension deutlich intimer wirkt. Ebenfalls im Erdgeschoss liegt ein in sattem Blau gehaltenes Separée für Weinverkostungen. Als verbindendes Element fungiert nicht nur das in quadratischen Blöcken ausgelegte Eichenparkett. Die Innenrahmen der Raumübergänge haben Dominika und Pavel Buck in ein leuchtendes Orangerot getaucht, das sich auch an den Füßen sämtlicher Tische, an den Halterungen der Glasleuchter sowie am Geländer des Treppenhauses wiederfindet. Nachdem die Gäste die dortigen Terrazzostufen hinauf ins Obergeschoss erklommen haben, treten sie in einen von Tageslicht durchfluteten Saal.
Wände und Decke sind hier ebenso in Salbeigrün gehalten wie die Samtvorhänge vor den Fenstern, die das Motiv der plissierten Wandpaneele weiterführen. Spiegel mit abgerundeten Ecken reflektieren die Dachspitzen der Altstadthäuser, die durch die hohen Bogenfenster zu sehen sind. Der Boden ist anstelle von Eichenparkett mit Terrazzofliesen ausgelegt, deren diagonales Streifenmuster die Räumwirkung vergrößert. Die Sitzflächen und Rückenlehnen der Stühle brechen den Salbeiton mit einer Honignuance. In der Raummitte sowie an der Rückwand stehen zwei Servierwagen, deren Fronten mit stark gemasertem Pappelfurnier überzogen sind und damit ebenso einen warmen Akzent einbringen.
Florale Zeitreise
Der Clou des 260 Quadratmeter großen Restaurants liegt ebenfalls im Obergeschoss: Es ist ein versteckter Raum mit rundem Grundriss, der den Namen Oase trägt. Die Gäste können hier an einem einzelnen Tisch Platz nehmen und ungestört von Blicken anderer dinieren. Die gekurvten Wände sind zweigeteilt. An der Unterseite sind sie mit Pappelfurnier verkleidet. Darüber tauchen die wellenförmigen Metallpaneele wieder auf, die hier jedoch nicht mit einfarbigem Samt bezogen sind. Stattdessen wird ein floraler Musterstoff verwendet, der geradewegs in die Zeit des Jugendstils entführt. Das Dekor ist eine Referenz an die Geschichte des Hauses, in dem sich vor dem Zweiten Weltkrieg ein bekanntes Restaurant mit Cabaret befand. Kulinarik und Atmosphäre gehören eben zusammen – damals wie heute.
FOTOGRAFIE PION Basia Kuligowska, Przemysław Nieciecki
PION Basia Kuligowska, Przemysław Nieciecki