Projekte

Lebendige Weltkultur

von Katja Neumann, 17.12.2010


Das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum widmet sich bereits seit über hundert Jahren der Völkerkunde sowie außereuropäischer Kultur und Kunst. Das Haus ist nun im Zuge eines Museumsneubaus wieder eröffnet worden und präsentiert sich mit einer neuartigen, szenografischen Ausstellungskonzeption von Atelier Brückner. Über einen Themenparcours, der die Besucher nicht wie sonst üblich durch geografisch eingeteilte Ausstellungsräume führt, sondern durch eine dynamische Abfolge einzelner Kapitel gekennzeichnet ist, ist das Gestaltungskonzept darauf ausgelegt, die Kulturen der Welt erfahren zu können – und sich selbst als Teil der Weltkultur zu erleben.


Bereits Ende 1906 wurde das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln eröffnet. Adele Rautenstrauch finanzierte das Gebäude in der Kölner Südstadt zum Gedenken an ihren Bruder, den Forschungsreisenden Wilhelm Joest, der ihr nach seinem Tod etwa 3500 Objekte aus aller Welt hinterließ. Im Laufe der Zeit wuchs der Museumsbestand auf rund 60 000 Objekte sowie 100 000 historische Fotografien an. Als Mitte der 1990er Jahre die Stadt Köln vom sogenannten „Jahrhunderthochwasser“ heimgesucht wurde, fiel schließlich der Entschluss zum Neubau des Museums innerhalb des neuen Kulturzentrums im Zentrum der Stadt, in dem auch das Schnütgen-Museum, die Kunsthalle und die Volkshochschule beheimatet sein sollten.

14 Jahre Planungs- und Bauzeit

Den 1995 ausgelobten Wettbewerb gewannen die Architekten Schneider und Sendelbach aus Braunschweig. Ende Oktober dieses Jahres wurde das Kulturzentrum nach 14 Jahren Planungs- und Bauzeit wieder eröffnet und gliedert sich nun in vier kubische Baukörper, die durch verglaste Zwischenräume und begehbare Stege miteinander verbunden sich. Im Inneren bietet das neue Haus nun nicht nur ausreichend Platz für die Objekte der umfangreichen Sammlung des Rautenstrauch-Joest-Museums, sondern auch für eine interaktive angelegte Dauerausstellung, in der rund 2000 Exponate gezeigt werden.

Themenparcours auf drei Etagen

Die unkonventionelle Ausstellungskonzeption von Atelier Brückner aus Stuttgart lädt auf 3600 Quadratmetern und drei Etagen zu einer erkenntnisreichen Entdeckungsreise ein. Statt lediglich Exponate im geografischen Umfeld zu präsentieren, verfolgt das Konzept einen vergleichenden Ansatz und betont damit das gleichberechtigte Dasein aller Kulturen. So wurde jeder Bereich des in sich geschlossenen Themenparcours „Der Mensch in seinen Welten“  individuell inszeniert. Der Besucher wird bereits im großen, von Tageslicht durchfluteten Foyer vom größten Exponat des Hauses empfangen: Ein historischer Reisspeicher von der indonesischen Insel Sulawesi steht exemplarisch für die gesamte Ausstellung und bereitet die Besucher auf die kommenden Räume vor, indem schon hier sämtliche Themen des Parcours an Informationsmodulen bildlich vorgestellt werden. Umrahmt wird der Parcours zudem von einem Prolog und einem Epilog in Form multimedialer Rauminstallationen. So werden die Besucher beim Prolog von Menschen aus fremden Kulturen begrüßt, blau leuchtende Grafiken an Wänden und am Boden benennen zudem die einzelnen Themenbereiche des Rundgangs.

Mystische Lichtstimmung

Die Lichtplanung für das neue Rautenstrauch-Joest-Museum konzipierte Atelier Brückner gemeinsam mit der Firma LDE Belzner Holmes aus Stuttgart. Da sich jeder Raum einem Themenbereich widmet, wurde die Lichtstimmung nach dem Motto „form follows content“ dem jeweiligen Thema angepasst. Die innen liegenden Räume sind überwiegend abgedunkelt, sodass die Projektionen und Bespielungen deutlich hervortreten. Für ein stimmungsvolles, fast mystisches Licht sorgen Pendelleuchten oder dezente Hintergrundbeleuchtung. Die Exponate selbst werden mehrheitlich durch zielgerichtete Spots beleuchtet. Dieses Vorgehen hat nicht nur eine besondere Lichtstimmung zur Folge, sondern rührt auch daher, dass einige der historischen Objekte durch zu starke Beleuchtung Schaden nehmen könnten.

Kapitel 1: Die Welt erfassen

Der Parcours gliedert sich in die zwei Kapitel „Die Welt erfassen“ und „Die Welt gestalten“ unter die die insgesamt neun Themen der Ausstellung fallen. Im ersten Obergeschoss werden die Themen des ersten Kapitels dargestellt, so wie in der Raumfolge „Begegnung und Aneignung: Grenzüberschreitung“: Hier geht es um die Sehnsucht nach Horizonterweiterung durch fremde Kulturen, die durch einen Bibliotheksraum dargestellt wird. Ein interaktives Buch lässt die Historie der Welteroberung Revue passieren, und Schubladen in der Bibliothekswand zeigen den Einfluss fremder Kulturen auf Europa: vom Anorak der Eskimos bis zu den Ziffern der Araber. Der zweite Themenbereich befasst sich auf ungewöhnliche Weise mit weit verbreiteten Klischees und Vorurteilen. Ein Kubus stellt dies am Beispiel Afrika dar: In hinterleuchteten Vitrinen, die in die metallen-dunkle Kubushaut eingelassen sind, sind Exponate zu sehen, die unsere klischeehaften Vorstellungen widerspiegeln. Im Inneren ist der begehbare Kubus hingegen strahlend – und neutral – weiß beleuchtet. Hier werden die bekannten Vorurteile als Text auf Klappen projiziert, die geöffnet werden können. Mittels schräg gestellten, halbdurchlässigen Spiegeln werden die ausgestellten Objekte von einer filmischen Bespielung überlagert, die die Klischees infrage stellt. „Wild“ sind demnach zum Beispiel nicht afrikanische Krieger, sondern europäische Fußballspieler.

Kapitel 2: Die Welt gestalten

Die fünf Unterabteilungen des Kapitels „Die Welt gestalten“ geben Einblicke in unterschiedliche Formen der Lebensgestaltung wie zum Beispiel der Themenbereich „Lebensräume, Lebensformen: Wohnen“, der in Form eines europäischen Salons gestaltet ist, um den sich exemplarisch exotische Raumeinheiten gruppieren. Ein Medientisch in der Mitte des Raums zeigt die vielfältigen interkulturellen Verknüpfungen unserer heutigen Gesellschaft. So wird unter anderem durch Projektionen dargestellt, welche familiären Beziehungen sich um die ganze Welt spannen. Neben den Themen „Kleidung und Schmuck“ sowie „Religion“ befasst sich ein weiterer Themenbereich auch mit dem Tod. So werden die Besucher durch den Einsatz von hellem Licht dem sogenannten „Raum der Stille“ regelrecht entgegen gezogen. Durch bodenlange Fadenvorhänge hindurch eröffnet sich schließlich ein ganz in weiß gehaltener Raum, der gleißend hell erleuchtet ist. Der weiche Boden federt zudem den Schritt der Besucher und schluckt den Schall. Zentrale Ausstellungsstücke sind hier ein raumhoher Stiersarkophag und ein Lotusthron von der Insel Bali.

Den Abschluss des Rundgangs bildet die wertvolle Maskensammlung des Museums. Dieser Raum ist als begehbare Großvitrine angelegt, ein Rundraum, der die Masken in eine grafisch abstrahierte Weltkarte einbindet. Zusammen mit Großgrafiken, Film und Klang ergeben sich inszenierte Einheiten, in die der Besucher regelrecht „eintauchen“ kann. Der Epilog verabschiedet den Besucher schließlich aus dem Themenparcours, in dem jedes Thema erneut kurz dargestellt und von Zitaten untermalt wird. Zum Schluss wird der Besucher sogar von den Protagonisten aus dem Prolog mit Grüßen verabschiedet – und stellt hier erst fest, dass die vermeintlich fremdländischen Menschen allesamt Bürger der Stadt Köln sind.
Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Atelier Brückner

www.atelier-brueckner.de

Schneider + Sendelbach Architekten

www.schneider-sendelbach.de

LDE Belzner Holmes

www.lde-net.com

BauNetz Meldungen

Atelier Brückner

Alle BauNetz Meldungen

BauNetz Meldungen

Schneider + Sendelbach Architekten

Alle BauNetz Meldungen

Mehr Projekte

Duale Spirale

Neuer Bershka-Shop von OMA in Mailand

Neuer Bershka-Shop von OMA in Mailand

Effizienter Holzbaukasten

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Nachhaltig, individuell, vernetzt

Die neuen Lichtlösungen für moderne Arbeitswelten von TRILUX

Die neuen Lichtlösungen für moderne Arbeitswelten von TRILUX

Kulturelle Schnittstelle

Neue Showrooms von JUNG in Europa und Asien

Neue Showrooms von JUNG in Europa und Asien

Schaufenster fürs Licht

Neues Studio der Lichtmanufaktur PSLab in Berlin

Neues Studio der Lichtmanufaktur PSLab in Berlin

Licht im Gewölbe

Apartmentumbau in Valencia von Balzar Arquitectos

Apartmentumbau in Valencia von Balzar Arquitectos

Atmosphärisch und funktional

Lichtkonzept für das Berliner Spore Haus von Licht Kunst Licht

Lichtkonzept für das Berliner Spore Haus von Licht Kunst Licht

Leuchtende Architektur

RHO gestaltet einen flexiblen Eventspace in Berlin

RHO gestaltet einen flexiblen Eventspace in Berlin

Sprechende Wände

Paul Smith blickt auf das Werk von Pablo Picasso

Paul Smith blickt auf das Werk von Pablo Picasso

Belebter Backstein

Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne

Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne

Baumhaus am Hang

Balmy Palmy House von CplusC Architectural Workshop in Australien

Balmy Palmy House von CplusC Architectural Workshop in Australien

Der Periskop-Effekt

Hausumbau von Architecture Architecture in Melbourne

Hausumbau von Architecture Architecture in Melbourne

Shoppen im Wattebausch

Neue Jacquemus-Boutiquen von AMO in Paris und London

Neue Jacquemus-Boutiquen von AMO in Paris und London

Tanz in der Luft

Café Constance in Montreal von Atelier Zébulon Perron

Café Constance in Montreal von Atelier Zébulon Perron

Explosion der Farben

Der Frankfurter Nachtclub Fortuna Irgendwo

Der Frankfurter Nachtclub Fortuna Irgendwo

Heim aus Holz

Neubau eines Wohnhauses von Russell Jones in London

Neubau eines Wohnhauses von Russell Jones in London

Schwimmendes Smart Home

Modernes Yachtdesign mit intelligenter KNX-Technik von JUNG

Modernes Yachtdesign mit intelligenter KNX-Technik von JUNG

Ins rechte Licht gerückt

Medienfassade erleuchtet nachhaltige Landstromanlage am Port of Kiel

Medienfassade erleuchtet nachhaltige Landstromanlage am Port of Kiel

Hommage ans Licht

Haus des kanadischen Architekten Omar Gandhi in Halifax

Haus des kanadischen Architekten Omar Gandhi in Halifax

Polychrome Praxis

12:43 Architekten gestalten Behandlungsräume in Le Corbusier-Farben

12:43 Architekten gestalten Behandlungsräume in Le Corbusier-Farben

Um die Bäume gebaut

Schwebender Anbau in Montreal von TBA

Schwebender Anbau in Montreal von TBA

Louise in Lissabon

Im Restaurant von DC.AD trifft Art déco auf Neonlicht

Im Restaurant von DC.AD trifft Art déco auf Neonlicht

Haus der Lichtringe

Maßgeschneiderte Beleuchtungslösungen im CSSB in Hamburg

Maßgeschneiderte Beleuchtungslösungen im CSSB in Hamburg

Helle Hightech-Forscherwelt

Beleuchtung des Biozentrums Basel von Licht Kunst Licht

Beleuchtung des Biozentrums Basel von Licht Kunst Licht

Kubus aus Kalkstein

Erweiterung des Kunsthauses Zürich von David Chipperfield Architects Berlin

Erweiterung des Kunsthauses Zürich von David Chipperfield Architects Berlin

Das Laternen-Loft

Familiendomizil in Montreal von Future Simple Studio

Familiendomizil in Montreal von Future Simple Studio

Architekturikone in neuem Licht

Denkmalgerechte Beleuchtung der Neuen Nationalgalerie von Arup

Denkmalgerechte Beleuchtung der Neuen Nationalgalerie von Arup

Vermeers Backstube

Brotmanufaktur Aera von Gonzalez Haase AAS in Berlin

Brotmanufaktur Aera von Gonzalez Haase AAS in Berlin

Multifunktionales Minihaus

Smart wohnen auf 35 Quadratmetern

Smart wohnen auf 35 Quadratmetern

Mehr Raum auf kleiner Fläche

Umbau eines Mikroapartments in Cascais

Umbau eines Mikroapartments in Cascais