Leporello-Loft
Verwinkelte Mansardenwohnung in Barcelona von AMOO
In südeuropäischen Großstädten gilt das Obergeschoss eines Gebäudes gewöhnlich als beste Adresse, verfügt es doch meist über eine großzügig bemessene Wohnfläche plus Panoramaterrasse. Das darüber befindliche Dachgeschoss hingegen fristet oft – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Schattendasein. In Barcelona haben die Architekten von AMOO sich der Herausforderung gestellt, eine verwinkelte Mansardenwohnung jenseits begehrenswerter Penthouse-Standards in ein attraktives Loft zu verwandeln.
Die 60 Quadratmeter große Wohnung befindet sich in einem Wohnhaus aus den späten Fünfzigerjahren im dörflich geprägten Künstlerviertel Gràcia. Der Grundriss wird in erster Linie durch den zentralen Treppenaufgang geprägt, der das Apartment in zwei Flügel unterteilt. Ursprünglich war der Wohnbereich nach Südwesten ausgerichtet, während sich der Schlafbereich mit vier engen Räumen auf der südöstlichen Fassadenseite befand. „Von Beginn an sah unser Entwurf vor, die Ausrichtung umzukehren“, berichten Aureli Mora und Omar Ornaque, die beiden Gründungspartner des Architekturbüros AMOO. „Alle nicht tragenden Wände wurden entfernt, weitere strukturelle Veränderungen der Bausubstanz jedoch vermieden, da die Eigentümergemeinschaft dagegen stimmte.“
Offen und fließend
Der Bauherr wünschte sich einen großzügigen Schlafbereich mit offenem Bade- und Ankleidezimmer sowie einen weitläufigen Wohnbereich, um ohne Einschränkungen Gäste einladen und arbeiten zu können. Sein Budget lag bei rund 84.000 Euro. Erschwerende Faktoren beim Umbau waren die starke Dachschräge, tief sitzende Fenster, der verwinkelte Schnitt des Apartments sowie eine tragende Wand im neuen Wohnbereich, die erhalten werden musste. Der Lösungsansatz der Architekten besteht aus maßgefertigten Einbauten, die den Grundriss multifunktional erschließen: „Sofas, die Betten sind, werden zu Schreibtischen. Betten, die Kleiderschränke sind, werden zu Badewannen“, erläutern die Architekten ihr Konzept. Sinnbildlich für die fließenden Nutzungsmöglichkeiten verfüge die Wohnung zudem – abgesehen vom Eingang – über nur eine einzige Tür: die der Gästetoilette.
Gefaltet und kontrastreich
Die nach Südosten ausgerichtete Fensterseite strukturierten die Architekten mithilfe von weißen Einbauregalen, die viel Stauraum bieten und gleichzeitig für eine verbesserte Wärmedämmung der Außenwand sorgen. Auf der gegenüberliegenden Seite ziehen sich die maßgefertigten Einbaumöbel wie ein gefaltetes Leporello an der Wand entlang. Dabei geht eine Funktion fließend in die nächste über, sticht jedoch durch ihre jeweilige Farbgebung hervor. So präsentiert sich der offene Wohn- und Arbeitsbereich in sanftem Pistaziengrün, während der nahtlos anschließende Kochbereich in Hellrosa gehalten wurde. Im Schlafbereich dominieren monochrom weiße Wände und Decken – der Wechsel der Funktionen zeigt sich hier vor allem im Wechsel der Materialien. Das Doppelbett mit integrierter Kleideraufbewahrung wurde aus Eichenholz gefertigt, die direkt anschließende Badewanne aus hellem Marmor. Einzig eine Klarglasscheibe trennt den Nass- vom Schlafbereich.
Graphitschwarz und pink
Auch im Kleinen legten die Planer viel Wert auf starke Akzente. So kontrastieren in Küche und Badezimmer schwarze Armaturen mit hellem Marmor und Holz, während die Wahl der Schalter auf den Klassiker LS 990 von JUNG in ebenso auffälligem wie elegantem Graphitschwarz fiel. „Als letztes besonderes Detail betont die ionische Säule aus pinkem Marmor auf symbolische Weise den Beginn der tragenden Wand, die nicht eingerissen werden durfte“, schließen Aureli Mora und Omar Ornaque. Mit diesem ebenso ungewöhnlichen wie flexiblen Umbau beweist das junge Team, dass die Mansarde der Penthouse-Etage in nichts nachstehen muss.
FOTOGRAFIE José Hevia
José Hevia
Projektname | Providència |
Architekten | AMOO, Aureli Mora und Omar Ornaque |
Mitarbeit | Ainhoa Mur, Inès Martinel |
Typologie | Dachausbau |
Fertigstellung | 2020 |
Standort | Carrer de la Providència, Barcelona |
Fläche | 60,46 Quadratmeter |
Budget | 84.647 Euro |