Lichtteilchen auf der Datenautobahn
Mathematik ist für Carsten Nicolai die Basis seiner Arbeiten. Der Berliner Künstler sieht in ihr eine ebenso universelle Grundlage wie in der Musik. Eine seiner computergenerierten Inszenierungen ist zurzeit in der Mailänder Fondazione Hangar Bicocca zu sehen: die audiovisuelle Lichtinstallation Unidisplay, die sich mit der Wahrnehmung von Zeit und Raum sowie Zeichen und Formen auseinandersetzt.
Nichts als ein großer dunkler Raum. In seiner Mitte steht eine endlos lang wirkende, schwarze Projektionsfläche. Tausende von kleinen, weißen Teilchen rasen über sie hinweg wie über eine Autobahn, mal in Form von Streifen, mal von Gittern oder Kreisen. Begleitet werden sie von elektronischen Klanglandschaften, von Flirren, Klicken oder Zirpen. Die Kompositionen haben keine klaren harmonischen Abfolgen. Sie sind vielmehr fragmentarisch wie auch die Formen auf der Bildfläche, die mehr abstrakte Andeutungen als konkrete Zeichen sind – und die dank zweier großer, den 50 Meter langen Bildschirm säumender Spiegelwände scheinbar in die Unendlichkeit reichen.
Räumliche Desorientierung
Die Installation Unidisplay verbindet die wichtigsten Elemente der Arbeiten des 1965 in Chemnitz geborenen Künstlers und Musikers Carsten Nicolai: unhörbare Töne, die für das menschliche Ohr sichtbar gemacht werden; minimale, maschinelle Ästhetik, die durch die Nutzung monochromatischer Farben und technischer Töne erzeugt wird und die Gestaltung von Abstraktion und Unendlichkeit. Auf den ersten Blick mögen die computergenerierten und in unterschiedlichen Zeitabfolgen ablaufenden Bilder wie grafische, zweidimensionale Muster wirken. Bei näherer Betrachtung jedoch entwickeln sie aufgrund der starken Kontraste eine dreidimensionale Tiefe, was besonders durch die eigenen Bewegungen verdeutlicht wird. Carsten Nicolai bezeichnet die Lichtstrahlen als Fenster.
Zeitmaschine
In der Arbeit ginge es darum, wie wir Zeichen, Form und Gestalt lesen und damit kommunizieren, sagt der in Berlin lebende Künstler. Es ginge darum, wie wir Realität erzeugen und wie unser Gehirn Bilder vervollständigt. Darüber hinaus weise Unidisplay eine grafische Repräsentation von Zeit auf: eine Uhr, die auf die Bildfläche projiziert wird und zudem konstant den Puls sämtlicher Bewegungen der sich stetig verändernden Muster vorgibt. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Unidisplay um kein Projekt zur synästhetischen Selbsterfahrung. Wie bei seinen vorangehenden Arbeiten liegt die Basis vielmehr in der Mathematik sowie in der Musik. Letztere steht bei Unidisplay jedoch weniger im Vordergrund. Das wird sich jedoch am 29. November ändern, wenn Carsten Nicolai unter seinem Pseudonym Alva Noto in Mailand hinter dem Rechner steht, um durch Audio-Signale software-generierte Bilder live zu erzeugen.
Carsten Nicolai: Unidisplay
bis 2. Dezember 2012, Donnerstag bis Sonntag von 11 bis 23 Uhr
Live-Performance univrs / univrs am 29. November 2012 um 21 Uhr
Hangar Bicocca, Via Chiese 2, 20126 Mailand
FOTOGRAFIE Agostino Osio
Agostino Osio
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