Milchkaffee à la française
Matali Crassets strenge, fast mönchisch anmutende Frisur steht im Gegensatz zu ihren lockeren, gute Laune verbreitenden Entwürfen – seien es nun Interieurs oder Möbel. Im Unterschied zu vielen anderen Projekten der Französin geht es bei ihrem aktuellen Innenausbau – einer ehemaligen Druckerei – jedoch farbig zurückhaltend zu. Gemeint ist die Cafeteria des Performancestudios „Ménagerie de Verre“ in der Rue Léchevin im 11. Arrondissement der französischen Hauptstadt.
Die 1983 gegründete „Ménagerie de Verre“ – benannt nach dem Theaterstück „Die Glasmenagerie“ von Tennessee Williams – unter der Leitung von Marie-Thérèse Allier versteht sich als ein Laboratorium der Künste. Hier darf ausprobiert, getanzt und geschauspielert werden. Dafür stehen diverse Räumlichkeiten zur Verfügung: eine 400 Quadratmeter große Bühne, verschiedene Künstlerstudios und die 200 Quadratmeter große, öffentlich zugängliche Cafeteria, deren Gestaltung sich Matali Crasset angenommen hat.
Une fabrique expérimentale
Hier treffen sich Choreografen, Tänzer, Videokünstler oder Bildhauer zum kreativen Austausch ihrer Ideen. Und da braucht es einen Ort, der einlädt zum Reden und Diskutieren. Und auch zu einer kulinarischen Stärkung. Und so gibt es frische, selbst zubereitete Produkte in gestalterisch anregender Atmosphäre zu kosten: Tagesgerichte, Desserts, Kuchen, allesamt kreiert von Alexandre Elkouby.
Die ehemalige Druckerei ist nicht nur eine „künstlerische Fabrik“ – sie ist es auch im wortwörtlichen Sinn. Denn Crasset ist es gelungen, die Atmosphäre des Fabrikbaus weitgehend zu erhalten. Schön ist insbesondere das Dach, das von rechteckigen Glasbausteinen durchsetzt ist und indirektes Licht in den großen Raum der Cafeteria wirft. Die offen gelegten Kalksandstein-Wände, ebenso wie die aus demselben Material bestehende Theke sind grau gestrichen, während die restlichen Wände und Pfeiler in Weiß gehalten sind. Und so mutet die gesamte Gestaltung des Raums zurückhaltend und streng an.
Selbst entworfene Stühle und Tische aus Sperrholz bestimmen das Bild im Essbereich, während niedrige blau-graue Polster und passende Couchtische zum Lümmeln und Loungen einladen. Durch die Stoffhenkel können diese leicht transportiert und umhergetragen werden. Aufgeklappt und aneinander gereiht, ergeben die festen Kissen sogar ein bequemes Bett. Ansonsten lenkt in dieser Cafeteria nichts vom Eigentlichen – dem Sitzen – ab, dazu ist die Farbgebung in Weiß, Grau, Holzfarben und Blau-Grau zu zurückhaltend.
Instant-Möbel
Beherrscht wird der Raum durch die von Matali Crasset eigens für dieses Projekt entworfenen Möbel: Die Stühle und Tische aus Birkensperrholz werden von Moustache hergestellt. Der in Paris ansässige Möbelhersteller wurde erst vor kurzem gegründet und beschäftigt neben Matali Crasset auch Designer wie Inga Sempé oder das Design-Kollektiv Big-Game. Das Material der Stühle und Tische zeichnet sich durch seine zurückhaltende Ästhetik und visuelle Weichheit aus, die Crasset sehr am Herzen liegt. Wahlweise kann der Stuhl namens „Instant Chair“ auch mit natur-, türkis- oder orangefarbenem Leder bezogen werden. Der Clou der Konstruktion des Stuhls besteht darin, dass er aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt ist: einem zusammenklappbaren Gestell und einer Sitzschale. An der Rückseite der Rückenlehne befindet sich eine Halterung, an der man Jacken oder Taschen anhängen kann – in einem öffentlichen Raum wie dem Café eine nicht unwesentliche Funktion. Der dazugehörige „Instant Table“ folgt demselben Prinzip, das in diesem Fall wie ein Bock funktioniert: Die Tischplatte liegt auf einem Gestell auf.
Zudem ist die Herstellung der Tische und Stühle auch unter Umweltaspekten durchdacht, besteht die Tischplatte doch aus Holzresten, die bei der Holzverarbeitung des Gestells angefallen sind. Praktisch sind die Möbel noch dazu: Einfach zusammengefaltet oder geklappt – und der Raum ist schnell leer geräumt. Und dann treffen sich dort vielleicht ein paar Neugierige, um den Künstlern beim Tanzen zuzusehen.
FOTOGRAFIE Patrick Gries/Jérôme Spriet
Patrick Gries/Jérôme Spriet