Neobrutalistische Kellerdisco
Die neuen Arbeitsräume von llotllov für M&C Saatchi in Berlin

Hinter den transluzenten Polycarbonatplatten der Berliner Brunnenstraße 9 residiert seit Kurzem die Werbeagentur M&C Saatchi – auch bekannt für ihre Londoner Designgalerie. Das Studio llotllov hat den Mitarbeiter*innen in dem von Arno Brandlhuber gestalteten Haus einen stilsicheren Arbeitskosmos inklusive Club, Küche, Darkroom und Event Space maßgeschneidert.
Das Gebäude, das aktuell das Zuhause der Werbeagentur M&C Saatchi in Berlin ist, gehört zu den ikonischen Altbau-Transformationen der Hauptstadt. Investor und Planer war der Architekt Arno Brandlhuber, der das ruinöse Skelett des Mehrfamilienhauses 2006 erwarb und bis 2010 modernisierte. Er erhielt die letzten noch stehenden Wände und integrierte sie in seinen Entwurf. Besonders markant ist die Fassade des strengen, fast brutalistisch anmutenden Hauses. Sie besteht aus einer Kombination von Glasfenstern mit transluzenten Polycarbonatplatten, die das Licht je nach Sonnenstand farbig filtern und in die rohen Betonräume abgeben. Im Jahr 2023 zogen in das Haus mit seinem Club, Arbeitsräumen und einer Wohnfläche M&C Saatchi. Auf den insgesamt 380 Quadratmetern arbeiten jetzt die Berliner Kolleg*innen der aus London stammenden, international agierenden Agentur. Passend zur avantgardistischen Architektur Brandlhubers beauftragte man mit llotllov ein Interiordesignstudio, das für aus dem Ort heraus entwickelte Konzepte, Mut zur Farbe und handwerklich gefertigte Unikatmöbel steht.
Urbaner Kunstraum
Das Büro erstreckt sich über drei Etagen und folgt der von Brandlhuber entwickelten Organisation des Hauses. Im Erdgeschoss ist – mit Anschluss an die lebendige Szene von Berlin-Mitte – eine Galerie untergebracht. Sie ist ein Ableger der renommierten, zum Unternehmen gehörigen Saatchi Gallery in London. Im regulären Betrieb wird die Fläche als gemeinschaftlicher Arbeitsraum genutzt, optional übernimmt sie bei Veranstaltungen und Ausstellungen aber die Aufgabe eines Eventspace. Von dort geht es ins Untergeschoss – in den „Club“ – und treppauf in den „Workshop“, der den Agenturmitarbeiter*innen unterschiedliche Szenarien von der privaten Arbeitsbox bis zum kommunikativen Großraumbüro anbietet. Die von Ania Bauer und Jacob Brinck, den Gründer*innen des Studios llotllov, entworfenen Einbauten und Möbelstücke sind ein Echo auf die urbane Architektur sowie eine pointierte Essenz der DNA von M&C Saatchi. Industrielle Details, monochrome Farbräume und eine Toilette als Darkroom treffen auf pastellige Akzente und tropische Pflanzeninseln.
Work ’n' Rave
Jeder Bereich hat einen eigenen Charakter, der zu seiner Funktion passt. Der „Club“ ist mit spiegelnden Flächen, dunklen Farben und einem Schwerpunkt auf die Lichtinszenierung gestaltet. Zentrum des gemeinschaftlichen Bereichs ist die Küche, die mit schwarzen Arbeitsflächen, Fronten und Rückwänden an die Theke einer Szene-Bar erinnert. Fortgeführt wird das Narrativ „Nachtleben“ bei den wandmontierten Tischen mit Barhockern, über denen die zotteligen Palmenblattleuchten Fran aus der llotllov-Kollektion und eine riesige Discokugel pendeln. Der hintere, fensterlose Bereich des Untergeschosses war vor der Modernisierung die dunkle Ecke des Hauses. Dort zog ein kanariengelb beleuchtetes und passend farblich möbliertes Besprechungszimmer ein. Es präsentiert sich als ein launiger Raum, der seinen Mangel an Tageslicht schnell vergessen macht. Das Team von llotllov hat dort eine kleine Hommage an die Vergangenheit des Hauses hinterlassen, denn beim Abriss einer Wandverkleidung entdeckten die Designer*innen eine alte Graffiti-Fläche. Durch eine indirekte Beleuchtung und vorgesetzte Polycarbonatplatten wird sie zur Lichtwand mit künstlerischem Geschichtsbezug.
Freie Platzwahl
Das ebenerdige Galerie-Geschoss schlägt als ein Universum in Puderrosa und Sichtbeton sanftere Töne an als der Club. Eine überlange und auf Maß angefertigte Werkbank mäandert vom Fenster durch den schlanken Raum, während ein farblich passender Vorhang zur Straßenseite zwar Licht einlässt, nicht aber die Blicke der Passant*innen. Der vordere Bereich öffnet sich zur oberen Etage und hat damit eine Raumhöhe von 7,50 Metern. Üppige Pflanzenranken fallen vom ersten Geschoss in den Raum und geben einen Hinweis auf die Atmosphäre in den oberen Arbeitsbereichen. Für sie wählte llotllov als dominierende Farbe ein sanftes Pistaziengrün. Stauraummodule, Regale und Balustraden sind konsequent in dieser Nuance ausgeführt, während visuell und akustisch beruhigend wirkende Zimmerpflanzen in verschiedenen Wachstumsstadien den Raum rund um die Arbeitsplätze und Besprechungstische besiedeln. Wo die Mitarbeiter*innen von M&C Saatchi sitzen, steht ihnen frei. Es gibt keine festen Zuweisungen, stattdessen suchen sie sich ihren Arbeitsplatz zu den anfallenden Aufgaben passend aus und nutzen die Fächer unter den Schreibtischen für zusätzlichen, individuellen Stauraum. Das Büro von M&C Saatchi ist ein Haus für Arbeit, Kunst und Kultur, das den Mitarbeiter*innen – frei nach dem Motto, dass auf die Arbeit das Vergnügen folgt – die Möglichkeit gibt, nach Dienstschluss zum Feiern in den Keller zu gehen.
FOTOGRAFIE Magda Dziewit / llot llov
Magda Dziewit / llot llov
Mehr Projekte
Design à la campagne
Erwan Bouroullecs Bauernhaus im Burgund

Immer der Farbe nach
Studio Carcasse gestaltet ein neues Büro für Thoughtworks in Berlin

Büro mit Herz
Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Zwischen Natur und Technik
Johan Mångsén gestaltet das Interior des Bremer Saab-Büros

Londoner Zeitreise
Neue Büroflächen im Henry Wood House von Nice Projects

Moderner Filmsalon
Büroausbau von Civilian in New York City

Viel mehr als nur Schau
Mode-Showroom Casey Casey in Paris von Atelier NEA

Büro als Begegnungsstätte
Neues Headquarter von Henning Larsen und Ramboll in München

Labor mit Blick ins Grüne
Neue Büroräume von Graft in Berlin-Mitte

Mut zur Transparenz
Architekturbüro Hawkins\Brown bezieht eine Londoner Ladenfläche

Geschmackvolle Pausenräume
Kantinen und Cafeterien mit Aufenthaltsqualität

Wohnliche Praxis
Clinique Monkland in Montreal von Atelier Échelle

Arbeiten im Wohlfühlbereich
Neugestaltung der Innenräume des Fiandre-Hauptsitzes von Iosa Ghini Associati

Neues Leben im alten Amt
Sanierung eines Dresdner Baudenkmals

Ruhe und Ratio
Ein ehrlich gemütliches Büro in Tokio von DDAA

Einschneidende Geste
Umbau des VdK-Büros in Stuttgart von Studio Alexander Fehre

Amtsstube mit Wohlfühlfaktor
Notariat in Affoltern am Albis von Hobiger Feichtner

Filmreife Kulisse
Ein Arbeitsplatz in Berlin-Kreuzberg als cineastische Hommage von RHO

Futuristisches Fachwerk
Holz-Hybrid-Gebäude in Heilbronn von Waechter + Waechter Architekten

Multifunktionaler Kulturtreffpunkt
1zu33 gestaltet ein Autohaus in Hamburg

Schutz vorm Schall
Wohnliches Büro von Kami Blusch in Berlin

Beton in Reinform
MAAS & PARTNER ziehen in alten Münsteraner Industriebau

Transparenz und Offenheit
Innenausbau eines Bürogebäudes in München von Lang Hugger Rampp Architekten

Wohldosiertes Grün
Durchdachtes Office-Konzept in Siegsdorf von raumweltenheiss

Die Stadt im Blick
MRDK gestaltet Office in Montrealer Hochhausikone

New Work und die Schokoladenfabrik
Blockfarbenbunte Bürowelt für Ritter Sport von Ippolito Fleitz

Ressourcenschonende Spinnerei
In Kolbermoor wird ein Industrieareal zum neuen Stadtquartier

Pool, Party, Panorama
Kinzo gestaltet eine Bürofläche im Berliner Admiralspalast

Sakrale Tagungsräume
Umbau des Klosters Johannisberg im Rheingau zum Veranstaltungsort

Arbeiten mit Ausblick
New Yorker Office-Loft vom Berliner Architekturbüro Atheorem
