Die Klischees vorweg: Spülmittel mischt sich im Wasserdampf mit dem Geruch aufgewärmter Kohlrouladen, Besteck klappert, benutztes Geschirr stapelt sich zu Türmen, das Gespräch wird von der schlechten Akustik der weiten Halle verschluckt. So oder ähnlich lauten die Vorurteile, denen sich die Einrichtung Mensa immer wieder stellen muss. Dabei sind die Studenten-Kantinen heute vielerorts nicht nur ein erschwingliches Restaurant, sondern ebenso Lounge, Café oder studentischer Marktplatz. Wie schön, hell und freundlich eine Alternative zudem sein kann, zeigt das frisch renovierte Heidelberger Café Botanik mit seinem auffälligen Interieur im modernistischen U-Boot-Stil und einem Entertainmentprogramm bis Mitternacht.
 
Eine Mensa ist mehr als ein Ort, der schnelles, günstiges Mittagessen bietet. Sie ist ein Treffpunkt, Zentrum der Kommunikation und Anlaufstelle, wenn die Studenten eine Auszeit von Hörsaal und Kolloquium brauchen. Der Anforderungskatalog an Ausstattung und Betrieb umfasst also durchaus auch eine psychologische Ebene. Aus diesem Grund ist die neu eröffnete Mensa im Botanischen Garten in Heidelberg viel eher ein einladender Aufenthaltsraum als eine Kantine. Elf Jahre war die letzte Sanierung bereits her, als in dem freistehenden Haus eine zwölfmonatige Umbauphase begann. Jetzt sieht es hier nicht viel anders aus als in wohnlich-szenigen Innenstadt-Cafés.
 
Uni anno 1386
 
Das Café Botanik liegt allerdings nicht mitten in der Stadt, sondern im Zentrum des Heidelberger Universitätscampus, der einer der ältesten in Europa überhaupt ist. Gegenüber ragen die gläsernen Gewächshäuser des Botanischen Gartens in den Himmel, an der Gebäuderückseite forscht die Biologie. Generationen haben hier gespeist, und auch für die kommenden wird das Café Botanik Anlaufstelle sein. Doch selbst Traditionseinrichtungen brauchen ab und an ein Make-Over. Manche der Veränderungen sind sichtbar – so wie die Farbakzente –, andere unsichtbar, so wie der Einbau einer Schallschutzdecke und die Verlegung eines Parkettbodens mit positiven akustischen Eigenschaften. Sie halten den Lärmpegel selbst zu Stoßzeiten angenehm niedrig. Eine neue, Wasser und Spülmittel sparende Spülanlage wurde eingebaut, die thermische Sanierung senkt die Energiekosten und sorgt für eine gute Umweltbilanz.
 
Schwarz-Gelb-Weiß statt uni
 
Sichtbar für die Besucher ist aber vor allem das neue ästhetische Gewand der traditionsreichen Institution. Gelb und Schwarz, Weiß und Holz; in diesen Kontrastbereichen bewegt sich das Interieur. 425 Quadratmeter Fläche teilen sich auf zwei Ebenen auf. Die untere bietet durch die bodentiefe Fensterfront Ausblick auf den Campus, drei Stufen führen nach oben, wo weitere Plätze und die Theke untergebracht sind. Entlang des beide Bereich voneinander abgrenzenden Mauermoduls laufen Bänke entlang, die durch frei stehende Tische und Stühle ergänzt werden. Besondere Aufmerksamkeit generieren die grünen Stühle Perillo der Firma Züco, die immer einen schlichten Kaffeehausstuhl zum direkten Nachbarn haben. Durch ihre ikonische Erscheinung, die durch die als endlose Schleife ausgeformte Sitzfläche und Armlehnen entsteht, setzen sie in der ansonsten eher zurückgenommenen Inszenierung Akzente. Ebenfalls ins Auge fallen die Lüftungselemente, die an den Ausguck des U-Bootes erinnern. Sie ragen in Überkopf-Höhe in den Raum und brechen neben den vereinzelten Säulen die Weite der Fläche. Beide, die Stühle mit ihrer formalen Referenz an eine Lemniskate und die periskopartigen Röhren, sorgen für ein futuristisches Filmset-Flair. Das wird auch von den Studenten gewürdigt, die nicht nur zum Essen herkommen, sondern sich hier an dem ein oder anderen langen Abend dem Karaoke widmen.