Raumwunder im Reihenhaus
Reihenhaus von i.s.m.architecten in Antwerpen
Im belgischen Hasselt sollten i.s.m.architecten aus Antwerpen ein Reihenhaus familientauglich machen. Keine leichte Aufgabe, denn bei der Renovierung und Erweiterung des schmalen Baus wurde dem Team um Koen Pauwels und Wim Van der Vurst einige Steine in den Weg gelegt – im übertragenen wie wortwörtlichen Sinn. Die echten Steine verwendeten sie wieder. Für die anderen fanden sie trickreiche Lösungen, mit denen sie den Wohnraum größer machen als er eigentlich ist – ganz ohne Mauern zu bauen.
Reihenhäuser haben hierzulande ja nicht den besten Ruf. Eng, spießbürgerlich, viel zu dicht beieinander. Und hat man nicht gerade das erste oder letzte Filetstück der Reihe, rücken einem auch noch die Nachbarn zu Leibe. In Belgien sind Bauherren und Planer zudem auch noch staatlichen Beschränkungen unterworfen. „Die Reihenhäuser hier sind in der Regel wegen ihres Kontexts, aber auch wegen der städtebaulichen Vorschriften stark eingeschränkt“, erzählen die Verantwortlichen von i.s.m.architecten.
Das Grundstück ihrer Auftraggeber verfügte lediglich über eine Breite von fünfeinhalb und einer maximalen Bautiefe von 18 Metern. „Wir wussten also, dass jeder Quadratmeter zählt und wir Strategien brauchen, die Raum für die junge Familie schaffen“, erläutern die Architekten. Zwar konnten sie durch den Anbau im Außenraum Fläche gewinnen. Doch erkannten sie, dass sich eine Unterteilung des langgezogenen Wohnbereichs des schmalen Hauses ausschloss. Während andernorts mit Raumabschnitten unterschiedliche Atmosphären erzeugt werden, wären einzelne Zimmer hier schlichtweg zu kleinteilig geworden.
Trennen und Verbinden
Um dennoch eine optische Funktionstrennung zu erreichen, lag ihre Lösung in der ungewöhnlichen Verwendung von Materialien, die nicht selten zu spannungsreichen Kontrasten führte. Auf dem Boden des Erdgeschosses trifft nun Teppich auf polierten Boden. Die Wände sind mal farbig, mal weiß gehalten, mal mit Holz verkleidet. Und für die Decken wechselt sich Putz mit Holz ab. So gelingt es den Planern, Küche, Essbereich und Wohnzimmer ganz individuelle Farb- und Materialgestaltungen zu verleihen – ohne ein stimmiges Gesamtkonzept aufzugeben.
Um das zu erreichen, setzten sie auf verschiedene Ausführungen ein und desselben Materials. „Das Holz der Möbel im Wohnzimmer wiederholt sich in der Küchendecke. Seine Struktur wird teils verdeckt, teils hervorgehoben“, berichten die Planer. Und auch Experimente mit Rohstoffen derselben Gattung findet man vor. Im Außenbereich verwendeten sie für den Anbau alte Ziegel des Bestands wieder. Diese bilden einen reizvollen Kontrast zu den ebenfalls rötlich gefärbten Marmorplatten in der Küche, die als Arbeitsplatte und Küchenrückwand dienen. Während die Architekten im gesamten Interieur auf formreduzierte Flächen setzen, sorgen sie mit Holz, Stein, Beton und sogar dem Teppich für lebendige Maserungen und Texturen.
Ausgetrickst!
Ein weiteres Element zur Gliederung der langgezogenen Fläche, sind die unterschiedlichen Höhen der Räume, die die Architekten ebenfalls geschickt in den Entwurf einbeziehen. Je weiter man in das Haus hineingeht, desto höher werden die Decken. Durch die deckenhohen Fenster in der Küche scheint der Raum so immer weiter und offener zu werden. Doch dabei bleibt es nicht. Sie dachten sich noch mehr Tricks aus, um die Raumwirkung weiter zu steigern. Mit Schränken, die in der Wand eingelassen sind, schaffen sie dezenten Stauraum, der platzraubende Möbelstücke verzichtbar macht. Auch ein schräg am Küchenschrank angebrachter Spiegel verbindet Mobiliar und Architektur auf harmonische Weise. Er soll einen zusätzlichen Blick auf den Garten ermöglichen. Und tatsächlich gelingt es den Architekten auch mit diesem einfachen Kniff, den Raum noch weiter auszudehnen – bis nach draußen.
FOTOGRAFIE Luis Diaz Diaz
Luis Diaz Diaz
Architekten
www.ismarchitecten.beMehr Projekte
Ein Haus für perfekte Gastgeber
Küchenanbau von Studio McW in London
Surferträume im Reihenhaus
Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur
Ästhetik trifft Funktion
Küchenoberflächen und -materialien im Fokus
Zwischen Alt und Neu
Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney
Messingfarbene Highlights
Neugestaltung des Hotels zum Hirschen in Salzburg von LP architektur und Dietrich Untertrifaller
Kontrapunkt zwischen alten Mauern
Umbau zum urbanen Wohnhaus von Architect George in Sydney
Ausgewählte Zutaten
Sechs Küchenprojekte mit geschmackvollen Materialien
Sportliche Erfrischung
Neuer DFB-Campus in Frankfurt am Main von kadawittfeldarchitektur
Monolith am Mittelmeer
Moderne Küche in einem sizilianischen Landhaus
Umbau mit Bedacht
Renovierung eines denkmalgeschützten Architektenhauses bei Antwerpen
Alles auf Farbe
Wohnungsumbau in Almaty von Sdelaemremont
Besondere Böden
Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung
Moderne Großstadtküchen
Fünf außergewöhnliche Projektbeispiele
Eine runde Sache
Dries Otten baute in Belgien eine Stadtwohnung um
Belebter Backstein
Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne
Bunter Community-Space
kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München
Gestaffeltes Wohnhaus
Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten
Tiroler Putz in Madrid
Atelier- und Wohnhaus Blasón von Burr Studio
Ziegelstein und Hefe
Hannes Peer gestaltete die Bäckerei Signor Lievito in Mailand
Dialog der Gegensätze
Umbau einer Drei-Zimmer-Wohnung in Brooklyn
Beton trifft Reet
Farmhaus von NORRØN im dänischen Haderslev
Küche als Ort der Begegnung
Erweiterung eines Wohnhauses aus den Dreißigerjahren
Beton auf allen Ebenen
Brutalistischer Anbau von McLaren Excell in London
Multifunktionales Penthouse
Loft in München von allmannwappner
Recycelter Anbau
Subtile Erweiterung eines viktorianischen Wohnhauses in London
Whisky im Pantheon
Eine Sichtbeton-Destillerie von Neri&Hu in China
Bewohnter Adventskalender
Lenka Míková Architekti gestaltet ein Prager Apartment
Vermeers Backstube
Brotmanufaktur Aera von Gonzalez Haase AAS in Berlin
Küche mit Aussicht
Intelligenter Anbau von Material Works in London
Mut zur Maserung
Die schönsten Interiors mit Holz