Rebellen mit Schweissband
Beheizte Bänke, gekühlte Handtücher: Dieses neues Fitnessstudio in London ist anders als die anderen.
Vom Angestellten zum Freizeitsportler, vom „bezahlt werden“ für Leistungsdruck zum „dafür bezahlen“, vom Bürogebäude zur Sporttempel-Revolution: Dieses Haus im Londoner Financial District, und vor allem seine Nutzung, haben einen radikalen Wandel vollzogen. Kein Wunder, dass sich der neue Hausherr, ein Fitnessstudio, Rebel1 nennt.
Das Konzept ist anders als gewohnt, vielleicht gerade weil es – zumindest indirekt – aus dem Schoß eines Branchenriesen entspringt. Denn verantwortlich für die Idee des luxuriösen Boutique-Fitnessstudios ist James Balfour, Sprössling des Fitness First-Eigentümers.
Kein Mittel zum Zweck
Laute, elektronische Musik dringt aus den Boxen. Dazu unverputzte Wände, unebene Betonböden, offene Decken voller Rohre, Kabel und Industrielampen. Würden nicht gutaussehende Mitarbeiter Powerriegel, frisch gepresste Obstsäfte und samtweiche Handtücher anbieten, könnten sich die Gäste auch in einem angesagten Club oder einem neuen Restaurant wähnen – jedenfalls nicht in einem Fitnessstudio. Die Idee zum Rebel1 Gym hatte James Balfour, die Umsetzung übernahmen die Planer vom Londoner Studio C102. „Unsere Vorgabe für die Gestaltung war es, einen Ort zu kreieren, der sich nach Ausgehen anfühlt“, beschreibt der Architekt Kyriakos Katsaros die ersten Schritte. „Es sollte ein unvergleichliches Ereignis geschaffen werden – und nicht ein Mittel zum Zweck.“
Direkt vom Frachter
Der Boden des 725 Quadratmeter großen Studios wurde in mehreren Abschnitten an unterschiedlichen Tagen gegossen. Dadurch, so das Kalkül der Architekten, sollte er uneben werden und unterschiedliche Maserungen erhalten. Der Plan ist aufgegangen. Kontrastiert wird die samtig-fleckige Oberfläche mit Bänken aus glasiertem Spaltklinker und in den Umkleidebereichen mit Kupfer. Auch sonst glänzt es viel im Rebel1 Gym: An der Decke und einigen Wänden werden Rohre, Kanäle und Schächte in ihrer metallenen oder folierten Haut inszeniert. Und überall finden sich Pendelleuchten verschiedener Couleur, die zum Teil aus Beständen einer polnischen Keramikfabrik und eines, mittlerweile aus dem Verkehr gezogenen, deutschen Frachters stammen. Dazu kommen Lichtinstallationen aus Glühbirnen und Leuchtstoffröhren, die an großes und kleines Kino erinnern.
Auf einen Ritt
„Ride“ und „Reshape“ steht in großen, schwarzen Lettern auf den kinoartigen Anzeigen über den Eingängen zu den zwei Studios. Und im Inneren der beiden Säle geht der Ritt tatsächlich los: auf einem der Hightech-Fahrräder, die sich über abgetreppte Ebenen hin zu einer Art Bühne orientieren. Die Wände sind schwarz und werden nur mit Projektionen bespielt. Eine weitere Referenz zum Thema Ausgehen: Auf der Bühne steht mal der Trainer, mal eine Live-Band. Der Unterschied scheint hier zu verschwimmen, auch das gehört zum Konzept. Überhaupt ist die Musik ein wesentlicher Bestandteil der Inszenierung: Sie wird eigens vom berühmten Club und Label Ministry of Sound für das Rebel1 Gym zusammengestellt.
Duschen wie die Feuerwehr
Besonderen Wert legten die Architekten auf die Gestaltung der Umkleideräume: also Orte, die in den meisten Fitnessstudios mehr der Funktion als der Atmosphäre dienen. Dabei steht und fällt genau mit diesen Räumen das Gefühl von Wohlsein und Komfort. Studio C102 entwickelten für die Bereiche beheizte Bänke, ebenfalls mit Spaltklinker verkleidet. Dieser speichert die Wärme noch besser als andere Werkstoffe und gibt sie natürlich auch wieder ab. Als schöner Kontrast zur wohligen Wärme kommen die Handtücher aus dem Kühlschrank. Die Männer- und Frauen-Umkleideräume unterschieden sich durch ihre Materialität und Einrichtung. Bei den Herren warten Barbiersessel und Hollywood-Spiegel auf die Pflege nach dem Sport. Bei den Damen geht es etwas weicher und wärmer zu: mit Tapeten und Kupferverkleidungen an den Schränken. Folgt man von hier aus den grafisch verlegten Wasserleitungen an den Wänden, gelangt man zu den Duschen. Diese sind nicht nur mit Regenduschköpfen, sondern auch mit Feuerwehrschläuchen ausgestattet. Ohne Extreme kommt ein Fitness-Rebell wohl nicht aus.
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FOTOGRAFIE Gareth Gardner
Gareth Gardner
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