Sakraler Lichtfänger
Beten mit Meerblick: Eine schwebend-leichte Kapelle in den Bergen von Rio de Janeiro.

43 Quadratmeter. Mehr braucht es nicht, um einen Raum von sakraler Wirkung zu erzeugen. Wie das gelingt, zeigt das brasilianische Architekturbüro Bernardes Arquitectura mit einer Kapelle in den Bergen von Rio de Janeiro. Das weit in den Hang hinausragende Volumen fängt nicht nur Sonnenlicht ein: Es eröffnet eindrucksvolle Blicke aufs Meer.
Es geht hoch hinaus. Unzählige Villen schmiegen sich an die steilen Hänge im Stadtteil Joá – dem Beverly Hills von Rio de Janeiro. Geschäfte gibt es nur wenige: eine Bäckerei, eine Apotheke und eine Lebensmittelgeschäft. Alles weitere muss mit dem Auto erledigt werden. Neu hinzugekommen ist nun eine Kapelle, die anfangs nur für die Bewohner des Quartiers geplant wurde. Doch schon jetzt dürfte sich der Entwurf von Bernardes Arquitectura einen festen Platz auf den architektonischen Pilgerrouten der Stadt gesichert haben. Der Grund: Nicht trotz, sondern wegen ihrer kompakten Dimensionen gelingt dem Bau der große Auftritt.
Stabilisierendes Kruzifix
Die Herausforderung lag in der Topografie. Schließlich wurde die Capela Joá an einem Ort errichtet, wo eigentlich gar kein Platz für sie ist: an einem steinbepflasterten Wanderweg, der sich inmitten dichter Vegetation den Berg hinauf schlängelt. Um den Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten, wählten die Architekten einen dreieckigen Grundriss. Während eine Längsseite direkt an den Wanderweg anschließt, kragt die gegenüber liegende Spitze weit über den Hang hinaus. An dieser Stelle wird der Bau von einem einzelnen Stahlträger stabilisiert, der weit mehr mehr als eine statische Funktion erfüllt. Der Träger ragt über das Bodenniveau der Kapelle hinaus und verwandelt sich durch einen metallenen Querträger in ein Kruzifix. Der Halt, den der Glaube verspricht, wird so auf wortwörtliche Weise in Architektur übersetzt.
Inside-Out-Prinzip
Die Kapelle öffnet sich mit einer raumhohen Verglasung zum Wanderweg und zieht die Passanten regelrecht in das Gebäude hinein. Eine Öffnung auf der anderen Seite des Raumes gibt das metallene Kreuz frei – das vom Sonnenlicht umspielt wird und sich vor dem dahinter liegenden Meer abzeichnet. Anstelle geschlossener Wände haben die Architekten eine offene Struktur aus hölzernen Balken konstruiert, die von einer gläsernen Verkleidung vor Wind und Regen geschützt wird. Die Balken reihen sich in einer Abfolge immer kleiner werdender Torbögen aneinander, deren Breite sich von acht Metern auf 3,5 Meter reduziert und so die Blicke automatisch zum Kreuz zieht. Die Spalten zwischen den Holzbögen holen nicht nur Tageslicht ins Innere hinein. Sie lassen die Blicke ebenso nach draußen wandern, wo dichte, tropische Vegetation die schwebende Kapelle umschlingt.
Dschungel im Visier
Während der Nacht verändert sich die Wirkung des Gebäudes, wenn in den Boden eingelassene Strahler die Balken illuminieren. Die warme Materialität des Holzes tritt dann dem Blau der Dämmerung entgegen, was im Inneren eine lichtgetränktes Schauspiel erzeugt. Auch von außen zeichnet sich die Kapelle als warmer Lichtpunkt ab, der vom nahe gelegenen Strand gut erkennbar ist und dem Quartier einen neuen Mittelpunkt verleiht.
FOTOGRAFIE Tuca Reinés
Tuca Reinés
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