Schere, Stein, Papier
Klein aber oho: Diese Mini-Architektur aus Schweden überrascht mit Spezialeffekten.

Um die Grenzen von Papier auszuloten, schufen Architekt Mattias Lind vom Büro White, die schwedische Druckerei Göteborgstryckeriet und die Branding-Agentur Happy F&B eine ungewöhnliche Mini-Architektur, die zunächst mehr wie ein Kunstobjekt denn ein echtes Gebäude anmutet. Und in der Tat, die Chameleon Cabin wartet – ganz wie ein echtes Chamäleons – mit Spezialeffekten auf.
Einen alltäglichen, schlichten Rohstoff in attraktiver Form zu präsentieren, war das Ziel von Architekt Mattias Lind vom internationalen Studio White. Und so entwickelte er – angelehnt an das winzige schwedische Gartenhaus namens friggebod – ein parametrisches Gebäude, das eine gleichsam hohe Flexibilität wie Stabilität aufweist.
Marmor, Stein und Eisen bricht, aber...
Lind erkannte, dass Architektur immer in Bewegung wahrgenommen wird. Und so mag sich zunächst wundern, wer das kleine Haus von Weitem betrachtet: War es doch vorhin noch weiß, so erscheint es, von einer anderen Perspektive aus gesehen, plötzlich schwarz. Grund für dieses Changieren der Farben ist seine großflächig geriffelte Oberfläche. So wird, je nach Standpunkt, immer nur eine Seite seiner Zacken sichtbar. Tritt man näher, offenbart sich eine mamorierte Fassade. Doch wie kommt die gewellte Struktur in den vermeintlichen Stein, fragt man sich.
Tatsächlich bestehen die Wände aus bedrucktem Papier. 95 Module mit einem Gewicht von zirka 100 Kilogramm formen den drei Meter hohen Bau mit einer Innenfläche von sieben Quadratmetern. Seine 1,20 mal 1,60 Meter großen Bögen aus MiniWell verfügen, im Gegensatz zu vergleichbaren Materialen, über eine besondere Steifigkeit. Verbunden mit einem Stecksystem, lässt sich die flexible Konstruktion auf diese Weise beliebig weiterbauen. „So könnte die Hütte problemlos über mehrere hundert Meter Länge erweitert werden“, kommentiert das Architekturbüro.
Die Wände im Inneren bedruckten die Architekten in leuchtendem Gelb, womit nicht nur ein farbiger Kontrast zum schlichten Äußeren, sondern auch der Eindruck einer Beleuchtung entsteht. So scheint das Häuschen von innen warm und sogar bewohnt. Auf dem Rasen des steinernen Schloss Tjolöholms platziert, behält der winzige Bau dennoch seine skulpturalen Eigenschaften und wirkt, zwischen all den akkurat geschnittenen Bäumen des Anwesens, fast ein wenig surreal. Mit diesen bewusst geschaffenen Gegensätzen und optischen Täuschungen machen die Projektverantwortlichen geschickt aufmerksam auf die besonderen formalen und materiellen Eigenschaften ihrer Mini-Architektur.
So vermag die Chameleon Cabin mit Sicherheit zum Nachmachen inspirieren: „Ich glaube, wir werden in Zukunft mehr Gebäude aus Papier sehen – vor allem, weil es ein wiederverwertbares Material ist“, so Mattias Lind. Parametrisches Design zusammen mit neuen digitalen Zeichen- und Schneidetechniken ließe ganz neue Möglichkeiten entstehen, um komplexe Probleme und zukunftsweisende Architektur zu kreieren.
FOTOGRAFIE Rasmus Norlander
Rasmus Norlander
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