Second Life
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Erst Fähre, dann Theater, jetzt Spa: Als vor wenigen Jahren die L’Escale zum Verkauf angeboten wurde, mussten Natalie und Geneviève Émond nicht lange überlegen, um zu zugreifen. Auch wenn das heruntergekommene Schiff aus den fünfziger Jahren alles andere als die Anmutung eines zukünftigen Wellness-Tempels besaß, sahen die beiden Unternehmerinnen genau darin die Zukunft des altersschwachen Kahns – und fanden mit Sid Lee Architecture das passende Büro für die Umsetzung ihrer Idee.
Das Boot liegt fest verankert am Fuße der Rue McGill im Vieux-Port, dem alten Hafen von Montréal. 1951 erbaut, diente es zunächst als Fährschiff namens Arthur Carbin, das die beiden kanadischen Städtchen Sorel und Berthier miteinander verband. 1967, fast zeitgleich zur Weltausstellung und den Olympischen Spielen, wurde es in ein schwimmendes Theater umfunktioniert und auf den Namen L’Escale getauft. Fortan reiste es als erstes treibendes Kunstzentrum auf dem Sankt-Lorenz-Strom und verband Kultur mit Reisevergnügen. 2008 folgte die zweite Metamorphose, die innerhalb von zwei Jahren mithilfe des Büros Sid Lee Architecture die ausgediente Fähre in ein 2.500 Quadratmeter großes Spa verwandelte. Auch der Name blieb nicht bestehen: aus L’Escale wurde Bota Bota.
Kontrast
Wer heute das Bota Bota Spa besuchen möchte, gelangt über die Rue McGill über eine Eisenbahnbrücke und den Quai des Éclusiers in eine Gartenanlage, die im starken Gegensatz zur industriellen Umgebung des Hafens steht. Am Ufer ist das Boot fest verankert; von hier aus kommt der Besucher über eine Rampe direkt in den Empfangsbereich, der sich auf dem Hauptdeck des Schiffs befindet. Auf derselben Etage liegen auch die Behandlungszimmer sowie ein Bistro und eine Boutique. Eine Treppe in der Form eines Schiffbugs führt in eine untere, fensterlose Etage, in der sich die Umkleidekabinen und Duschen befinden.
Chiaroscuro
Diese stehen ebenso wie die Behandlungsräume in einem deutlichen Kontrast zur traditionellen, meist hell gestalteten Spa-Optik und schaffen eine schwerelose Stimmung. Sie sind in dunklen Grautönen gehalten; die Behandlungsräume selbst sind fast vollständig schwarz: dunkle Wände, niedrige Decken zusammen mit etwa 20 Bullaugen, die gefilterte Hell-Dunkel-Ausblicke aus den düsteren Räumen auf den alten Hafen und die Altstadt Montréals bieten. Wer mag, kann sie auch öffnen, um die maritimen Geräusche der Umgebung hinein zu lassen.
Auftauchen
Eine eindrucksvolle Inszenierung des Verhältnisses zwischen Boot und Wasser erlebt man beim Gang auf der Schiffbugähnlichen Treppe in die oberen Etagen. Wer aus der Tiefe der düsteren Umkleidekabinen kommt, die immer noch dunkel gestalteten Behandlungszimmer auf dem Hauptdeck besucht und sich danach auf das darüber liegende mittlere Deck in den Ruhebereich mit großer Fensterfront begibt, mag das Gefühl verspüren, allmählich aufzutauchen. Schritt für Schritt wird der Horizont enthüllt und ein herrliches Panorama öffnet sich. Dieser Eindruck steigert sich noch beim Betreten der beiden obersten Etagen, dem Promenade- und dem Sonnendeck, die sich unter freiem Himmel befinden. Hier stehen Sonnenliegen, ein kleiner und ein großer Whirlpool sowie zwei finnische Saunen. Sie bieten selbst im harten kanadischen Winter dem Besucher Erholung an der frischen Luft sowie einen eindrucksvollen Blick auf die industriell-urbane Kulisse der Stadt.
FOTOGRAFIE Sid Lee
Sid Lee
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