Sinnliches Erlebnis
Restaurant Sahbi Sahbi in Marrakesch von Studio KO
Im Restaurant Sahbi Sahbi in Marrakesch werden traditionelle, marokkanische Gerichte in einer offenen Küche zubereitet. Das Interieur von Studio KO verwandelt Decken und Wände in raffinierte Reliefs. Diese verbinden eine akustische Wirkung und subtile Schattenspiele.
Essen ist Kultur. Und eine der schönsten Formen des Zusammenseins. Dass Genuss nicht nur auf der Zunge zergeht, zeigt das neue Restaurant Sahbi Sahbi in Marrakesch, dessen Name auf Darija so viel wie „Seelenverwandte“ oder „Freundschaft“ bedeutet. Im ausschließlich von Frauen geführten Lokal wird traditionelle, marokkanische Küche serviert. Der zeitgenössische Komponente liefert die räumliche Inszenierung von Studio KO.
Offenes Raumgefüge
Das in Paris und Marrakesch ansässige Büro hat sich vor allem mit dem Musée Yves Saint Laurent einen Namen gemacht, jedoch auch zahlreiche Restaurants, Hotels und Privatwohnungen eingerichtet. Mit Sahbi Sahbi wurde die Position und damit auch die Rolle der Küche neu justiert. Im traditionellen Marokko ist sie ein Ort, an dem die kulinarische Magie im Verborgenen geschieht. „Hier wird das Geheimnis gelüftet: eine offene Küche im Herzen des Essbereichs. Erstmals werden Wissen und Anwendung gleichermaßen gezeigt“, erklärt Olivier Marty, einer der beiden Gründer von Studio KO.
Multisensorielles Erlebnis
Während die Gerichte auf der Zunge zergehen, steigen Düfte aus den Töpfen und Ofen in die Nasen der Gäste. Diese sitzen rings um die freistehende Kochzone und können den Köchinnen zuschauen und zuhören – bei der Arbeit untereinander sowie beim Erklären der Gerichte. Das Küchenteam setzt sich aus Frauen unterschiedlicher Regionen Marokkos zusammen. Auch werden verschiedene Generationen zusammengeführt. Wissen und Erfahrungen können so untereinander geteilt werden, ganz gleich ob bei der Zubereitung von Tagines, Pastillas oder Couscous-Gerichten. Als einen „produktiven und abwechslungsreichen Schmelztiegel“, beschreibt Karl Fournier, der zweite Gründer von Studio KO, die Raumwirkung.
Natürliche Konturen
Das Essbereich des Restaurants erstreckt sich auf einer Ebene. Im hinteren Teil des Raumes ist die offene Küche positioniert. Davor sind weitere Tische in zwei Reihen angeordnet, die den Verbindungsweg zur Eingangstür markieren. Entlang der Wände nehmen die Gäste auf lederbezogenen Bänken Platz. In der Raummitte kommen eigens angefertigte Holzstühle zum Einsatz, die mit Kufen den Boden berühren. Die Sitzflächen sind aus breiten Lederstreifen geflochten, während die Rückenlehnen vollflächig aus Holz gearbeitet sind. Einige Tischplatten wurden in einem Stück aus ganzen Baumstämmen gesägt. Die unbegradigten Außenkanten betonen den natürlichen Charakter des Materials und bringen zugleich eine taktile Qualität ein.
Gebranntes Puzzle
Eine wichtige Rolle spielen die Raumgrenzen. Olivier Marty und Karl Fournier haben den Wänden und Decken Plastizität verliehen – durch raffinierte Strukturen in unterschiedlichen Materialien. Die Seitenwände sind mit matten, unglasierten Tonziegeln von quadratischem Zuschnitt verkleidet. Ihre Oberflächen unterteilen sich in zwei Dreiecke, die einen Höhensprung von rund fünf Millimetern vollziehen. Die Konsequenz daraus sind vier Ausrichtungen pro Fliese, die in wandfüllenden Kompositionen eine beinahe unendliche Zahl an Variationen zulassen. Doch ganz gleich, wie die Fliesen gedreht werden: Sie betonen stets die Diagonalen, wodurch ein dynamischer Effekt entsteht. Runde Papierleuchten werfen ein mattes, weiches Licht auf die Wände und heben die Höhensprünge hervor.
Tiefgang an der Wand
An der Rückwand des Raumes kommen mit deutlich größere Keramik-Fliesen zum Einsatz. Auch sie sind eigens für das Restaurant von Hand gefertigt worden. Die Oberflächen werden von Strukturen aus eingeritzten Winkeln akzentuiert, die in Größe, Ausrichtung und Tiefe stetig changieren. Die Glasuren schimmern in atmosphärischen Grüntönen und verwandeln jede Fliese in ein Unikat. In die Rückseite der Sitzbank eingelassene LEDs illuminieren die Wand. Das Licht verstärkt nicht nur die Wirkung der Farben, sondern entfacht aufgrund der leichten Reliefstruktur der Fliesen ein lebendiges Schattenspiel.
Diagonalen Reliefstrukturen
Die Decken haben Studio KO mit quadratischen Holzpaneelen verkleidet. Diese sind in leichter Distanz zueinander montiert, sodass in die Zwischenräume Halterungen und Kabel für Spotlights und Pendelleuchten eingelassen werden. Auch hier sind die Oberflächen alles andere als flach, sondern mit geschnitzten Arabesken vertieft. Die geometrischen Dekore korrespondieren mit den diagonalen Reliefstrukturen der Wände. Sie versinnlichen die Raumgrenzen, geben ihnen Tiefe und Profil. Das Interieur wird zum Sinnbild für das kulinarische Erlebnis. Die Wahrnehmung ist nie eindimensional. Sie sucht Vertiefungen, den Schulterschluss mit anderen Disziplinen. Studio KO ist hierbei ein kleines Gesamtkunstwerk gelungen: dank einer Küche, die ihre Geheimnisse nicht nur für sich behält.
FOTOGRAFIE Pascal Montary Pascal Montary
| Projekt | Sahbi Sahbi |
| Typologie | Restaurant |
| Ort | Marrakesh, Marokko |
| Interieur | Studio KO |
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