Slowakische Ziegel
Ehemalige Ziegelei mit neuem Anbau von Architekti B.K.P.Š.
Wo seit Mitte des 18. Jahrhunderts die dörfliche Ziegelei lag, die nach rund 100 Jahre geschlossen und durch einen 1 Hektar großen Obstgarten ersetzt worden war, steht heute das Wochenendhaus eines slowakischen Architekten. Das Anwesen vergrößerte er nun um einen Anbau, der die lokale Baukultur ebenso zelebriert wie die puren, ursprünglichen Materialien.
Am Rand der kleinen Karpaten, unweit der österreichischen und tschechischen Grenze liegt der 4.000-Seelen-Ort Čachtice in der Westslowakei. Im etwa eine Autostunde entfernten Bratislava betreiben Pavol Paňák und Martin Kusý ihr gemeinsames Büro Architekti B.K.P.Š. „Mitte der Neunzigerjahre kaufte ich das verlassene und verfallene Anwesen in Čachtice und renovierte das alte Haus“, erklärt Pavol Paňák. „Weil wir nun Familienzuwachs bekommen haben, erweiterten wir das bestehende Gebäude, um den Wohnbereich zu vergrößern“, sagt der Architekt.
Ursprüngliche Baukultur
Wie einst in der Region üblich, umgibt das Bestandsgebäude – ein typisches Landhaus mit Satteldach, das früher der Ziegelmeister bewohnte – an der Längsseite ein Portikus. „Aus dem Slowakischen ins Deutsche übersetzt heißt es ‚Ganghaus‘. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand diese früher sehr weit verbreitete Gebäudetypologie aus dem gesamten mitteleuropäischen Raum“, erzählt Paňák. Als praktischer Übergang zwischen innen und außen reguliert der Zwischenraum die sommerliche Sonneneinstrahlung und winterliche Kälte und dient als klimatische Pufferzone. In Verlängerung des bestehenden Hauses ist auch der neue Erweiterungsbau mit einem Portikus – einem vorgelagerten, verglasten Gang – versehen.
Großzügiges Raumerlebnis
So unscheinbar der Anbau von außen erscheint, so eindrucksvoll zeigt er sich im Inneren. Auf 54 Quadratmetern erstreckt sich der reduziert gestaltete Wohnraum, der laut Architekt eine radikal andere Struktur aufweist als der Bestand. „Es handelt sich um ein offenes Raumkonzept ohne die übliche Decke, die den Wohnbereich vom Dachgeschoss trennt“, sagt Paňák. „Das ganze Haus und seine Zimmer sind von bescheidener Größe, darum stellt der offene Dachbereich optisch einen Raumgewinn dar.“ In die Wände eingelassene, quadratische Öffnungen dienen als Regale und die ebenso quadratisch geformten Fenster durchfluten den kaum möblierten Raum mit Tageslicht.
Der Reiz des Unfertigen
Schlichte, 45 Zentimeter dicke Ziegelsteinwände sind außen und innen mit klassischem Kalkputz ohne Deckbeschichtung versehen. Auch die anderen Materialien im Anbau – der Beton des Fußbodens und der Empore, die Betonsäulen des Portikus sowie der Schornstein, die Stahlträger und Stahlprofile – zeigen sich roh und ohne Oberflächenbehandlung. Der Architekt sieht im „fertiggestellten aber in gewissem Sinne unfertigen Gebäude“ seinen besonderen Charme.
Rohe Materialität
Ein Highlight ist der offene Dachbereich. Mehr als zwei Drittel der verwendeten Ziegel wurden in der ehemaligen Ziegelei auf dem Gelände hergestellt, ein Drittel stammt aus anderen Ziegelöfen der Region. Mosaikartig fügt sich der Dachstuhl in verschiedenen Rot- und Brauntönen zusammen. An ihrer rauen Struktur und ästhetischen Vielfalt wird die handwerkliche Herstellung der rohen Ziegel deutlich. Pavol Paňák erweiterte sein Haus in Čachtice, um hier die Wochenenden mit seiner Familie zu verbringen. Über den praktischen Zweck hinaus ist das Gebäude für ihn eine Hommage an den Ort und die Kultur des Ziegelhandwerks in der Slowakei.
FOTOGRAFIE Tomáš Manina
Tomáš Manina
Architekt | Architekti B.K.P.Š. |
Bauherr | Pavol Paňák |
Art | Erweiterung Wohnhaus |
Standort | Čachtice, Slowakei |
Fertigstellung | 2018 |
Größe | 54 qm |
Ausstattung | Privatbestand |
Boden | Beton |
Wände | Kalkverputzte Ziegel |