Stilles Licht
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Es gibt natürlich viele Unterschiede zwischen dem protestantischen und dem katholischen Glauben. Doch auch ohne in Religionsgeschichte sonderlich bewandert zu sein, erkennt man einen Unterschied meist sofort und zwar in der Architektur: katholische Kirchen erscheinen fast immer pracht- und prunkvoll, mit zahlreichen Verzierungen, Ornamenten und Heiligenbildern, wohin gegen protestantische Kirchen eher durch ihre Schlichtheit und Bescheidenheit überzeugen, die Demut und Stille in den Vordergrund stellen sollen.
Doch so manches Mal mag der erste Eindruck täuschen: vor dem evangelischen Magdeburger Dom, dem ältesten gotischen Bauwerk Deutschlands, oder dem Berliner Dom stehend, offenbaren sich dem erstaunten Auge prachtvolle Gebäude, während es andererseits auch durchaus schlichte katholische Gotteshäuser gibt. Im schweizerischen Geroldswil zum Beispiel. Im Kanton Zürich am Limmattal gelegen, gibt es für die rund 5000 Einwohner zwei Kirchen: eine Katholische und eine Reformierte Kirche.
Die Katholische Kirche entstand im Jahr 1972 als Bestandteil des neu erstellten Gemeindezentrums und wurde im vergangenen Jahr einer grundlegenden Sanierung unterzogen. Das ursprüngliche Konzept des Architekten Walter Moser war darauf ausgelegt, ein möglichst vielseitig benutzbares Haus zu gestalten. Nun machte jedoch der schlechte Zustand des Daches und der Installationen eine umfassende Sanierung notwendig, die durch die Zürcher stemmle architekten durchgeführt wurde. Dabei ergab sich auch gleich die Gelegenheit, die gegebene Beleuchtung der eher schmucklosen Kirche zu überdenken. Schließlich schluckten die dunklen Materialien aus den Siebziger Jahren einen Großteil des Tageslichts und ließen somit kaum mehr eine angenehme Stimmung aufkommen. Also wurde der Architekt und Lichtplaner Reto Marty aus Zürich, der unter dem Firmennamen nachtaktiv arbeitet, beauftragt, die Tageslichtführung neu zu gestalten.
Ziel des neuen Lichtkonzeptes war es, mit einem großen Anteil an Tageslicht einen Raum der Stille und Einkehr zu schaffen. Die ursprüngliche Doppelfunktion als Kirche und Gemeindehaus sollte bei behalten werden, weshalb das Gebäude nicht nur für Veranstaltungen offen sein, sondern ebenso das Anzünden einer Kerze, das Platznehmen und Abschalten ermöglichen sollte.
So bestimmt nun das prägende Element der Neugestaltung den zentralen Bereich der Kirche: Der höchste Teil des Raumes wurde mit einem neuen Glasdach eingedeckt. Darunter bilden 17 paarweise angeordnete, zehn Millimeter starke Acrylglasplatten mit mattierter Oberfläche einen Tageslichtfilter und bewirken so eine meditative Lichtstimmung, die sich im Tagesverlauf ständig ändert. In der Nacht werden diese durch integrierte LEDs illuminiert und werden so zu filigranen Leuchtkörpern. Lichtvouten erhellen die seitlichen Sichtbetonwände und lassen die gesamte Dachkonstruktion schweben. Das warme Licht der Lichtvouten sowie der Halogendownlights in den niedrigen Bereichen bilden somit einen klaren Kontrast zur Tageslichtsituation. Bei kirchlichen Anlässen können Altar und Ambo, der erhöhte Ort, von dem das Evangelium gelesen wird, mit Strahlern hervorgehoben werden und der durch eine Senkwand abzutrennende Saal kann zusätzlich auch als Seminarraum genutzt werden. Mit dem Abschluss der Umbauarbeiten hat das kleine Städtchen Geroldswil nun wieder ein vielseitig nutzbares Haus erhalten, das möglichst vielen Benutzern offen steht.
FOTOGRAFIE Michael Fritschi
Michael Fritschi
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