Tiny Houses mit Geschichte
Umbau von historischen Kleinsthäusern in Kyritz
Das Tiny House gilt als eine moderne Wohnform für Minimalisten. Dass es solche Minihäuser aber auch schon im 18. und 19. Jahrhundert gab, zeigt ein Projekt von Kannenberg & Kannenberg Architekten. Sie haben marode Kleinsthäuser an der Kyritzer Stadtmauer zu kompakt eingerichteten Ferienhäusern ausgebaut.
In den 20 bis 30 Quadratmeter großen „Buden“, die ab dem Jahr 1740 erbaut wurden, lebten einst Tagelöhner und Handwerker mit ihren Familien. Sie waren charakteristisch für Städte der damaligen Zeit, gingen aber mit der Auflösung der Stadtgrenzen vielerorts verloren. Das Gebäudeensemble in Kyritz gehört zu den wenigen erhaltenen Beispielen.
Denkmalgerechte Sanierung
Bis in die Neunzigerjahre des 20. Jahrhunderts waren einige der Häuser in der Kyritzer Weberstraße noch bewohnt. Danach wurden sie dem Verfall preisgegeben. Aus einigen wuchsen bereits Bäume, als das Architekturbüro Kannenberg & Kannenberg von der Stadt den Auftrag erhielt, sie nach dem historischen Vorbild und mit lokalen Materialien wie Ziegel und Putz für die Wände sowie Holz und Ziegel für die Dächer zu sanieren. Der Innenausbau wurde dabei gleich mitgedacht. „Es war offensichtlich, dass auf den kleinen, schiefwinkligen Grundrissen nur individuelle Lösungen möglich sind“, sagen die Architekten Bärbel und Christian Kannenberg. Umgesetzt haben die Einbauten aus Holz verschiedene Möbeltischlereien aus Kyritz und Berlin.
Licht ins Dunkel bringen
Um die geringe Grundfläche optimal zu nutzen, bauten die Architekten die Dachgalerien als Schlafgeschoss um. Im Erdgeschoss befindet sich eine offene Küche, die in den Wohnbereich übergeht. Für jedes Haus entwarfen die Architekten ein eigenes Farbkonzept. In einem der Häuser ist ein Teil der mittelalterlichen Kyritzer Stadtmauer sandgestrahlt und neu verfugt sichtbar. Zurückhaltende Oberlichtverglasungen im Traufbereich bringen Tageslicht in die einst dunklen Behausungen, an vier Häusern wurden Austritte angebaut. Auch die Außenflächen wurden neu gestaltet und um einen gemeinsamen Hofraum im Wallbereich erweitert. Somit gelang es, ein Stück gebauter Stadtgeschichte zu erhalten und für Besucher erlebbar zu machen.
Für den Umbau wurden Kannenberg & Kannenberg Architekten mit dem Brandenburgischen Baukulturpreis 2019 ausgezeichnet. Über das Kyritzer Landhotel können die Ferienhäuser gemietet werden.
BRANDENBURG
Aus der Perspektive von Berlinern ist Brandenburg Sehnsuchtsort und belächelte Provinz zugleich. Sehnsucht verspüren die Hauptstädter an heißen Sommertagen nach den gut 3000 Seen im größten zusammenhängenden Wassersportrevier Europas. Kajak, Segelschein und Stand-up-Paddeling-Boards gehören somit zur Standardausrüstung auf dem Weg ins Brandenburgische. Andere wandern über sandige Böden auf den Spuren des omnipräsenten Theodor Fontane. Zur Stärkung gibt es die obligatorische Soljanka und Quarkbällchen an fast jedem Strandbadimbiss. Darüber hinaus kann es schwierig sein, etwas Gutes zu essen zu finden, es sei denn, man richtet seine Tour an den immer mehr werdenden gastronomischen Kleinoden aus: Biobauern, die auf der Suche nach dem Geschmack ihrer Kindheit eine Super-Wurst kreiert haben, Köche, die für ihre regionalen Kreationen Michelin-Sterne nach Brandenburg holen. Kulinarisch immer gut fährt man in der Spargelsaison. So großzügige Portionen wie in Deutschlands drittgrößtem Anbaugebiet würden Berliner Gastronomen nie über die Tresen reichen.
FOTOGRAFIE Cordia Schlegelmilch
Cordia Schlegelmilch
Architektur, Bauforschung und Tragwerksplanung | Kannenberg & Kannenberg Architekten BDA und Ingenieure, Wittstock/Dosse |
Landschaftsarchitektur | k1 Landschaftsarchitekten Kuhn Klapka GmbH, Berlin |
Fertigstellung | 2018 |
Bauherrin | Stadt Kyritz |
Adresse | Weberstraße, Kyritz |
Wohnfläche | je 27 bis 32m² |
Vermietung | www.landhotelheine.de |