Über den Dächern von Taltal
1 / 9

Taltal ist so eine Stadt, für die die Lagebeschreibung „am Ende der Welt“ erfunden zu sein scheint. An der Pazifikküste Chiles gelegen und umringt von kargem Gebirge und einer Wüste, gibt es nicht viele Gründe, sich in diese Region zu verirren. Ein Grund ist nun hinzugekommen: die neue Stadtbibliothek vom Architekturbüro Mur&uactue;a-Valenzuela aus Santiago de Chile – jetzt schon ein Wahrzeichen der kleinen Fischerstadt und eine Attraktion für die Bewohner.
Der Neubau liegt am zentralen Platz der Stadt, in unmittelbarer Nähe des ebenfalls erst vor kurzem modernisierten Theaters. Die beiden Kulturstätten sind Teil einer gesellschaftspolitischen Mission der Verwaltung Taltals: Für die wachsende Einwohnerschaft sollten städtebauliche Identifikationsfaktoren entstehen. Mit dem Wettbewerb zum Bau der Bibliothek sah man die Chance auf eine moderne Ergänzung der Stadtlandschaft und einen Impuls für die abgelegene Region.
Best of Taltal
Das Stadtbild ist geprägt von niedrigen, mit Wellblech gedeckten Hütten, die aussehen wie eine wild zusammengestellte Collage verschiedenster Materialien, Farben und Formen: das Abziehbild einer südamerikanischen Stadt. Die Architekten suchten sichtbar nach dem genius loci Taltals und spielten mit den Motiven seiner Umgebung – das Dach ist ebenfalls aus Wellblech gebaut und die Beton-Fassade wurde mit Ornamenten versehen, die in ähnlicher Art und Weise an verschiedenen Gebäuden der Stadt auftauchen, unter anderem im Inneren des benachbarten Alhambra-Theaters. Der Beton wurde farblich so gemischt, dass sich die Oberfläche stets anders darstellt und an die rostroten Dächer der umliegenden Häuser erinnert: Die Fassade sieht in ihrer leicht changierenden Oberfläche aus wie ein altes, etwas verwittertes Fabrikgebäude.
Eine Krone für die Stadt
Die Bibliothek erstreckt sich über drei Geschosse, ist damit höher als die meisten anderen Gebäude von Taltal und prägt so die Silhouette der Stadt. Die Höhenunterschiede bedingten auch eine Gestaltung der beiden Längsseiten mit immerhin 40 Metern Länge, da sie aus der Dachlandschaft herausragen und so von fast jedem Punkt in der Stadt zu sehen sind. Neben dem dreidimensionalen Muster, das sich über die Fassade zieht, knickt diese immer wieder nach innen ein, um Licht in das Gebäude zu lenken. Die Architekten planten die Bibliothek fast ohne Fenster, das Licht sollte nur gefiltert von oben in die Räume gelangen, um eine blendfreie Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Die Dachform spielt mit der Typologie des Schrägdachs und mäandert über die gesamte Länge des Hauses – im Inneren erhöhen sich dadurch die Räume der oberen Etage auf mehr als doppelte Größe und tauchen die Lese- und Arbeitsbereiche in einen weißen Lichtschleier.
Das Licht wird über die großen Dachgauben ins Innere des Gebäudes gelenkt und gelangt über Rücksprünge in den Geschossplatten bis in die unterste Ebene. Ein Patio trennt den öffentlichen Eingangsbereich vom Hauptgebäudeteil mit den Arbeitsplätzen der Biblioheksangestellten und bietet den Besuchern im Sommer eine schattige Oase zum Stöbern und Lesen der Bücher an.
Schatten als Ornament
Die Böden sind mit hellen, sandgestrahlten Fliesen verkleidet, die Wände und Decken wurden weiß verputzt – nur die Lichtschächte sind von innen mit Holzlatten verkleidet, in ihnen sitzen vereinzelt Pflanzen. Die Räume bleiben auf diese Weise klar und angenehm hell, ohne zu blenden, und erzeugen eine perfekte Arbeitsatmosphäre. Das einzige Ornament bilden die Bücherregale mit den schräg gekippten Trennwänden und der Lichtwurf der Dachfenster, deren diagonale Rahmung ein Rautenmuster auf die Wände der obersten Etage projiziert. Im Mittelpunkt steht an diesem Ort ganz klar das, wofür das Haus gebaut wurde: das Buch.
FOTOGRAFIE Macarena Alvarez
Macarena Alvarez
Mehr Projekte
Arbeiten wie aus einem Guss
Fellowes stattet elf ergonomische Arbeitsplätze in der Hamburger Speicherwerkstatt aus

Inspirationen am Fleet
Neu gestalteter Showroom von Kinnarps in Hamburg

Eine Stadt aus Räumen
Kollaborativer Arbeitsort von Alberto Hueso in Spanien

Tabula Casa
Die inspirierenden Studioräume von Nerea Apraiz in Bilbao

Nachhaltig auf allen Ebenen
Intelligente Lichtlösungen für den Bürokomplex Tripolis-Park in Amsterdam

Arbeiten in neuem Licht
BOS hat das eyeo-Büro in Berlin als Stadtrundgang inszeniert

Architekturwandel an der Alster
Umbau der BAT-Hauptverwaltung in Hamburg durch Ratschko Architekten

Kreative in der Konservenfabrik
Zirkuläres Büro-Interieur im belgischen Leuven von tweestroom

Büro auf Abruf
Meeting Suites by Bene in Wien

Rohbaucharme und Ruhezone
Modernes Bürokonzept von Delta Pods im Sky Park Bratislava

Bestand und Weitblick
Nachhaltige Transformation des DUO Towers in Düsseldorf durch DJH Architekten

Massivholz und Mixed-Use
Die Team 7 Welt von Matulik Architekten mit Vestre-Outdoormöbeln

Zirkuläre Raute
Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten

Zukunft im Industriedenkmal
PLY Atelier gestaltet Ramboll-Office in den Berliner Wilhelm Hallen

Kalifornische Moderne
Fabrikhallenbüro nahe Hollywood von 22RE

Zwischen White Cube und Colour Blocking
Batek Architekten gestalten Prophylaxepraxis T7.2 in Berlin

Flexibles New-Work-Office
Bürogebäude für Sevdesk in Offenburg von Müller + Partner

Zirkuläre Metamorphose
Lucas Muñoz Muñoz modernisiert eine Büroetage in Madrid für Sancal

Neue Rohheit
Brutalistisch angehauchte Umbauprojekte in drei europäischen Metropolen

Mut zur Veränderung
INpuls verwandelt das Landratsamt Freising in ein Bürgerbüro mit Zukunft

Alles im Kasten
Büro der Filmproduktion Dynamic Frame in Zürich von balbek bureau

Design à la campagne
Erwan Bouroullecs Bauernhaus im Burgund

Immer der Farbe nach
Studio Carcasse gestaltet ein neues Büro für Thoughtworks in Berlin

Büro mit Herz
Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Zwischen Natur und Technik
Johan Mångsén gestaltet das Interior des Bremer Saab-Büros

Londoner Zeitreise
Neue Büroflächen im Henry Wood House von Nice Projects

Moderner Filmsalon
Büroausbau von Civilian in New York City

Viel mehr als nur Schau
Mode-Showroom Casey Casey in Paris von Atelier NEA

Büro als Begegnungsstätte
Neues Headquarter von Henning Larsen und Ramboll in München

Labor mit Blick ins Grüne
Neue Büroräume von Graft in Berlin-Mitte
