(Un-)heimliche Treppen
Im spanischen Cintruénigo strukturieren Treppen den Wohnraum – und verstecken kleine Highlights.

Ein Wohnhaus in der spanischen Region Navarra erinnert mit seinen komplexen Treppenstrukturen ein wenig an die unmöglichen Treppenhäuser und optischen Täuschungen des niederländischen Grafikers M. C. Escher. Die Stufen, die bei ihm jedoch Verwirrung stiften sollen, düster und unheimlich wirken, lassen den von Rue Space realisierten, luftig-hellen Wohnbau strukturiert und intim erscheinen.
Zugegeben, im Vorbeigehen könnte man den Neubau der Architekten von Rue Space im nordspanischen Städtchen Cintruénigo fast etwas übersehen: Zwar überragt er weit die niedrigen Dächer der umliegenden Häuschen, und auch seine helle, glatte Kunststofffront blitzt – zwischen alten Tonziegeln und Steinmauern – dezent hervor. Von der Straße aus betrachtet, ist das insgesamt 150 Quadratmeter große Gebäude jedoch gerade einmal sechs Meter breit, womit es sich kaum von der Nachbarschaft unterscheidet. Lediglich die stufenförmig angelegte Fassade lässt die außergewöhnliche Tiefe von 25 Metern erahnen.
Zick-Zack-Zitat
„Die neue Konstruktion behält die ursprüngliche Sequenz von Haus, Hinterhof und Stall bei“, sagen die Architekten Raul Montero und Emilio Pardo. So teilten sie das Grundstück in einen straßenseitigen Wohnbereich, einen kleinen Patio im Inneren und einen etwas niedrigeren Gästebereich im hinteren Drittel. Auf dem Dach dieses kleineren, separaten Gebäudes bauten sie – kaum sichtbar und nur durch eine extra dafür integrierte Wendeltreppe erreichbar – einen winzigen, fast geheimen Pool ein, der mit seiner kantigen Form die spitzen Vorsprünge des Vorderhauses zitiert.
Auch im Inneren des Haupthauses spielt die Treppe eine maßgebliche Rolle. Hier sind die einzelnen Zimmer nicht, wie gewöhnlich, auf einer oder wenigen großflächigen Etagen angesiedelt und untereinander durch Türen verbunden. Stattdessen richteten sie die Architekten vertikal aus, wodurch jeder Raum zu einem eigenen Stockwerk wird. Was andernorts der Flur ist, ist hier das Treppenhaus. Wie an einer Schnur aufgehängt, gruppieren sich die Räume so jeweils an zwei Seiten der zentralen Treppe, die sich einem Rückgrat gleich – vom Keller bis ins oberste Stockwerk – durch das gesamte Gebäude zieht und es in sechs Niveaus untergliedert.
Diese mäandernde Anordnung der Räume erlaubte es den Architekten, jedem Wohnbereich eine individuelle Höhe zu geben. So erstrecken sich Küche und Wohnraum mit doppelter Raumhöhe weit nach oben, die anderen Zimmer gestalten sich kompakter und intimer. „Wir dachten das Haus nicht in Quadratmetern, wie sonst, sondern in Kubikmetern“, so die Planer. Auf diese Weise schuf das Duo eine Balance aus Offen- und Geschlossenheit, die durch die Zwischenräume des Treppenhauses entstehen. Schlafzimmer und Bäder fanden zudem weiter oben im Gebäude ihren Platz, was ihnen mehr Privatsphäre gibt.
Strahlend schön
Ein Gefühl von Zurückgezogenheit versuchten Rue Space auch mit den schlichten, aber effektvollen Materialien wie Beton, Textil oder Kunststoff herzustellen. „Die transluzenten Fassadenplatten lassen viel natürliches Licht ins Innere, schützen aber zugleich vor Blicken von außen“, so Montero und Pardo. Einen ähnlichen Effekt haben die weißen Vorhänge, die etwa vor der großflächigen Verglasung in der Küche Verwendung finden. Als Abtrennung eines offenen Kleiderschranks verleihen sie dem Schlafbereich optische Ruhe. Im gesamten Wohnraum hingegen sorgen sie für einen charmanten Kontrast zu Böden, Wänden und Decken.
So entsteht ein poetisches Spiel aus massivem, schwerem Beton und leichtem, luftigem Textil. Außerdem kann das einfallende Licht damit effektvoll reguliert werden. Bei Nacht hingegen strahlt es in umgekehrter Richtung von innen nach außen. Dann erscheint die Fassade wie das Papier eines Lampions.
FOTOGRAFIE Aitor Estévez
Aitor Estévez
Mehr Projekte
Nachhaltig auf allen Ebenen
Intelligente Lichtlösungen für den Bürokomplex Tripolis-Park in Amsterdam

Neues Licht fürs Quartier
TRILUX inszeniert den Potsdamer Platz in Berlin mit Manufakturleuchten

Rückzugsort für Macher
Lichtinszenierungen im Coreum Hotel von Studio De Schutter

Licht als Szenografie
Artemide illuminiert den neuen BMW Showroom in München

Licht für die Stille
Neue Beleuchtung für die Meereskapelle Upinniemi in Finnland

Wohnliche Aussichtstürme
Elva Hotel in Norwegen von Mange Bekker Arkitektur

Filmreife Kulisse
Ein Arbeitsplatz in Berlin-Kreuzberg als cineastische Hommage von RHO

Tanzen mit OMA
Nachtclub Klymax auf Bali in Kooperation mit DJ Harvey

Disko unterm Fresko
Umbau einer Villa am Comer See durch J. Mayer H.

Licht verbindet
Umbau und Erweiterung der alten Buntweberei in Eislingen

Duale Spirale
Neuer Bershka-Shop von OMA in Mailand

Effizienter Holzbaukasten
Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Nachhaltig, individuell, vernetzt
Die neuen Lichtlösungen für moderne Arbeitswelten von TRILUX

Kulturelle Schnittstelle
Neue Showrooms von JUNG in Europa und Asien

Schaufenster fürs Licht
Neues Studio der Lichtmanufaktur PSLab in Berlin

Licht im Gewölbe
Apartmentumbau in Valencia von Balzar Arquitectos

Atmosphärisch und funktional
Lichtkonzept für das Berliner Spore Haus von Licht Kunst Licht

Leuchtende Architektur
RHO gestaltet einen flexiblen Eventspace in Berlin

Sprechende Wände
Paul Smith blickt auf das Werk von Pablo Picasso

Belebter Backstein
Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne

Baumhaus am Hang
Balmy Palmy House von CplusC Architectural Workshop in Australien

Der Periskop-Effekt
Hausumbau von Architecture Architecture in Melbourne

Shoppen im Wattebausch
Neue Jacquemus-Boutiquen von AMO in Paris und London

Tanz in der Luft
Café Constance in Montreal von Atelier Zébulon Perron

Heim aus Holz
Neubau eines Wohnhauses von Russell Jones in London

Schwimmendes Smart Home
Modernes Yachtdesign mit intelligenter KNX-Technik von JUNG

Ins rechte Licht gerückt
Medienfassade erleuchtet nachhaltige Landstromanlage am Port of Kiel

Hommage ans Licht
Haus des kanadischen Architekten Omar Gandhi in Halifax

Polychrome Praxis
12:43 Architekten gestalten Behandlungsräume in Le Corbusier-Farben

Um die Bäume gebaut
Schwebender Anbau in Montreal von TBA
