Urlaubsstimmung in Moskau
Farbenprächtige Weinbar von DVEKATI
„Es gibt viele interessante Restaurant-Interiors in Moskau, aber die typischen Weinbars sind meist weniger spannend gestaltet“, sagen Katya Lyubarskaya und Katya Svanidze von Studio DVEKATI. Bei ihrem aktuellen Projekt stellen die beiden Architektinnen das Interieur gängiger Weinlokalitäten auf den Kopf – und sorgen mit einer Besucherplattform im Raum für gute Aussichten.
Zu den Projekten von Katya Lyubarskaya und Katya Svanidze zählen sehr ungewöhnliche Aufträge: Apartments im Sowjet-Stil, eine Miniwohnung mit nur 17 Quadratmetern oder ein krachend bunter Schönheitssalon für Kinder. Es überrascht also nicht, dass die Gründerinnen des Architekturbüros DVEKATI auch für die Gestaltung einer Moskauer Weinbar eine unorthodoxe Lösung fanden.
Schnee und Schwarzmeerküste
Die Bar befindet sich in einem ehemaligen Bürokomplex im kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum der russischen Metropole. Als die beiden Planerinnen zum ersten Mal einen Blick auf den mit zwei großen Fenstern, hohen Decken und Sichtbetonwänden ausgestatteten Raum warfen, erkannten sie sofort die besonderen Qualitäten dieser Fläche.
Dennoch wollten Lyubarskaya und Svanidze eine Innenraumgestaltung, die nicht sofort vertraut erscheint. Sie wussten, dass „Regale mit Flaschen, gedämpftes Licht und dunkle Farben“ das Moskauer Klientel kaum überraschen würden und suchten daher nach dem genauen Gegenteil. So fiel die Antwort recht ungewöhnlich aus für eine Stadt, in der die Tiefsttemperaturen im Winter nicht selten in den zweistelligen Minusbereich abfallen: Südländische Erholungsgebiete und die Schwarzmeerküste dienten ihnen als Inspiration für das Interieur der Weinbar.
Das große Ganze
Für mehr Platz entstand im hinteren Bereich des Raumes, über den Bädern und dem Ausschankbereich, ein Zwischengeschoss. Terrassen modernistischer Ferienresorts, die mit ihren kreisförmigen Plateaus und schlanken Stützen über das Meer ragen, dienten hier als Vorbild. Weit in den Raum auskragend, dient das Mezzanin als Dach für die Bar und erweitert gleichzeitig die obere Fläche. Von dort oben genießt man den Blick über das weitläufige Lokal und kann in Gänze das Farb- und Formkonzept der Gestalterinnen bestaunen.
Korallrote Treppe
„Wir lieben es, mit Farben zu arbeiten“, sagt Katya Lyubarskaya. Das sieht man, denn Farben kamen in gleich mehreren Paletten zum Einsatz. Die Plattform und die daran angrenzende Treppe samt Stufen und Geländer wurden in ein kräftiges Korallrot getaucht, das von einem tiefen Smaragdgrün an den hinteren Wänden komplementiert wird. Während die Designerinnen sich dort auf monochrome Flächen besinnen, nutzen sie den Treppenkorpus und die restlichen Wände als Leinwand für ein umfassendes Kunstwerk, das den gesamten Raum einnimmt.
Geometrisches Gesamtkunstwerk
Organische und geometrische Formen, die an Künstler wie Alexander Calder und Hans Arp oder auch die Gruppe Memphis erinnern, erstrecken sich zum Teil bis unter die Decke. Sie korrespondieren mit einem schwarzen Raster, das partiell als Regal dient, und heben sich von unregelmäßigen Graffiti-Spritzern ab. Dem gegenüber stellten die Architektinnen plakative Abbildungen abstrahierter Flaschen in zarten Gelb-Orange-Schattierungen. In den Toiletten hingegen gaben sie kräftigen Farben den Vorrang, die sich mit Orange-, Türkis- und Minttönen in den Fliesen abwechseln.
Ähnlich abwechslungsreich ist das Mobiliar. Gäste können zwischen Sitzgruppen aus Stühlen, Sesseln, Loungesitzen, Bänken und Hockern aus Metall, Textil, Rattan, Holz oder Kunststoff wählen. Obwohl sie weitere Farben sowie vielfältige Materialien und Stile einbringen, erscheint der eklektische Mix vor dem Hintergrund der farbigen Wandgestaltung dennoch erstaunlich stimmig – und noch dazu sommerlich. So wirkt ein Besuch in der Moskauer Weinbar von DVEKATI sicher wie ein kleiner Urlaub am Strand. Selbst bei minus zwanzig Grad.
FOTOGRAFIE Polina Poludkina
Polina Poludkina