Wasser, Stein und Licht
1 / 9
Rustikal, gemütlich, zuweilen auch ziemlich bieder – Chalets in Wintersportorten überraschen selten. In den Stuben stehen Holzmöbel mit Herzchenschnitzereien, in den Fluren hängen Hirschgeweihe und auf den Betten liegen große Felldecken. Dass alpenländische Architektur und modernes Design dennoch durchaus zusammenpassen, zeigt Noé Duchaufour-Lawrance. Bei der Renovierung des Chalet Béranger in den Savoyer Alpen inszenierte der französische Architekt den Chalet-Charakter neu. Dabei fand er Inspiration in der Bergwelt und verwandelte das Interieur in einen Fluss, der ins Tal fließt.
Das 530 Quadratmeter große Chalet befindet sich in St. Martin de Belleville, einem Ort inmitten von Les 3 Vallées, einem der größten Skigebiete der Welt. Seine grobe Fassade aus Holz, Schiefer und Stein überrascht zunächst wenig, ist sie doch typisch für die Gegend. Im Gebäudeinneren zeigt sich dann jedoch ein völlig anderes Bild: Angeregt von der Natur mit ihren Flussläufen, Seen und Tälern wählte Noé Duchaufour-Lawrance Materialien aus der Bergwelt wie Tannenholz und Valser Naturstein und verband sie mit industriellen Werkstoffen wie Beton und Metall. Als Gegenpol zur traditionellen Außenfassade setzte er schlichte geometrische und organische Formen ein, die wie selbstverständlich aufeinandertreffen und ineinander überfließen. „Die Formen sind die eines Flusses“, sagt der Architekt. „Der Fluss kommt von einem See in den Bergen und fließt nach unten in das Tal.“
Der Bergsee
Der Mittelpunkt des Gebäudes ist die oberste, 150 Quadratmeter große Etage, die einen offenen Wohnbereich mit integrierter Küche umfasst. Der Raum ist bis unter das Dach ausgebaut und besitzt auf zwei Seiten tiefe, von braunen Holzbalken gestützte Schrägen. Diese sind mit Leisten aus grau geöltem Tannenholz verschalt und wölben sich auf der einen Seite knapp über dem Fußboden zu Sitzplateaus. Auf der anderen Seite dienen sie der weißen Küchenzeile, die wie ein schlichtes Sideboard anmutet, als Gerüst. Die beiden Querseiten des Raumes sind dagegen mit Valser Naturstein verkleidet und haben deckenhohe Fenster, die eine herrliche Sicht auf die Umgebung bieten.
Die zentralen Elemente des Raumes sind ein langer gewundener Betontisch, der aus dem Estrichboden „entwachsen“ zu sein scheint, sowie ein von der Decke abgehängter, zylinderförmiger Kamin. Er ist ebenfalls mit Beton verkleidet und schafft eine Verbindung zwischen dem Boden und der Decke. Auch die Möbel sind mit Ausnahme der Küchenzeile in braunen und grauen Farbtönen gestaltet.
Der Fluss und das Tal
In den beiden unteren Etagen führen sanft beleuchtete Flure zu den Zimmern. Auch hier nahm der Architekt das Spiel der Gegensätze wieder auf und verband es mit einer minimalistischen, dennoch behaglichen Ästhetik. Jedes der sechs Schlafzimmer ist unterschiedlich gestaltet und verfolgt trotzdem dasselbe Farb- und Materialkonzept: Die Fußböden sind blanker Estrich, die Wände schlicht in weiß gestrichen, mit Valser Naturstein oder grau geölter Tanne verkleidet; und auch das Mobiliar wie Betten, Tische und Stühle greift die Grau- und Brauntöne auf. Die Möbel stammen bis auf wenige Ausnahmen aus Noé Duchaufour-Lawrances Feder und weisen die ihm eigene Sprache aus fließenden Formen auf.
Jedes Schlafzimmer besitzt ein eigenes geräumiges Bad. Auch hier gleicht keines dem anderen, abgesehen von der Farb- und Materialwahl. Die Bäder bestehen immer aus einem Hauptraum mit maßangefertigten Waschbecken aus weißem Corian oder grauem Naturstein, großen Sitzbänken sowie abgetrennten WCs und Duschen. Zudem gibt es einen öffentlichen Baderaum in der mittleren Etage, in dessen Boden ein etwa 20 Quadratmeter großer Whirlpool eingelassen ist. Der Raum erinnert entfernt an Peter Zumthors Therme Vals: Die Wände sind mit Valser Naturstein verkleidet, das Becken besteht ebenfalls aus dem grauen Quarzit, und die Holzdecke ist grau gestrichen. An der Innenwand neben der Tür befindet sich eine Bank aus grau geölter Tanne, die wie ein großer Rahmen wirkt; ihr gegenüber liegt eine die gesamte Wand einnehmende Fensterfront. Dank ihr wird die Begegnung mit dem Wasser und der Natur hervorgehoben: Das Becken scheint regelrecht mit der Außenwelt zu verschmelzen.
FOTOGRAFIE Vincent Leroux / TempsMachine
Vincent Leroux / TempsMachine
Mehr Projekte
Minimalismus am Waldrand
Der Bungalow U7A von KANANI verbindet Architektur und Natur
Messingfarbene Highlights
Neugestaltung des Hotels zum Hirschen in Salzburg von LP architektur und Dietrich Untertrifaller
Über den Dächern
Umbau einer Berliner Penthousewohnung von Christopher Sitzler
Zirkuläre Raute
Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten
Der Fjord als Bühne
Sauna Trosten in Oslo von Estudio Herreros
Mehr als heiße Luft
Saunen inmitten der Natur
Monolith in der Schwebe
Ein abgelegenes Waldbad von Vector Architects in China
Vision und Tradition
Hotel Badeschloss in Bad Gastein von BWM Design
Wohnen im Wasserwerk
Loftwohnung in ehemaligem Pumpwerk von Giorgio Gullotta Architekten
Moderner Barock
Kunst- und Designhotel in Berching von Atelier Dimanche
Sportliche Erfrischung
Neuer DFB-Campus in Frankfurt am Main von kadawittfeldarchitektur
Moderne Badkultur
Das Royal in Bad Füssing wird von Zeilberger + Hartl Architekten umgebaut
Trigonale Interventionen
Altbausanierung in Porto mit modernen Ecken von Paulo Moreira
Unikate aus Titan-Stahl
Bette stattet die Bäder im Hotel Wilmina aus
Radikales Raffinement
Studio-Apartment von minuit architectes in Paris
Schutzraum wird zum Wohnraum
Transformation eines Hochbunkers in Hamburg von Björn Liese
Ganzheitliche Genesung
Krankenhausneubau von tsj-architekten in Niedersachsen
Maritime Farbwelten
Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates
Akademisches Schwitzen
Mobile Sauna von Designstudent*innen der Kunsthochschule Halle
Besondere Böden
Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung
Moderne Behaglichkeit
Ausgestaltung einer Villa im Großraum Frankfurt von Andrea Busch Inneneinrichtung
Heilende Räume
Umbau einer Reha-Einrichtung in Polen
Fenster zum Bad
Ein 10.000-Euro-Umbau von TAKK in Barcelona
Baden in Beton
Ehemaliges Lagerhaus in Athen wird zum Penthouse
Ausweitung der Komfortzone
Wohnanlage für Studierende in Bielefeld von Stopfel Architekten
Mit Scarpa baden
Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca
Gestaffeltes Wohnhaus
Umbau einer kleinen Genter Stadtvilla von Graux & Baeyens Architecten
Mediterrane Moderne
Zweizimmerwohnung in Barcelona von Szymon Keller
Durchbruch zur Natur
Hotel Sou von Suppose Design Office auf der japanischen Insel Fukue
Reflektierte Flusslandschaft
Neugestaltung der Sanitärräume auf der Münchner Praterinsel