Wasser, Stein und Licht
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Rustikal, gemütlich, zuweilen auch ziemlich bieder – Chalets in Wintersportorten überraschen selten. In den Stuben stehen Holzmöbel mit Herzchenschnitzereien, in den Fluren hängen Hirschgeweihe und auf den Betten liegen große Felldecken. Dass alpenländische Architektur und modernes Design dennoch durchaus zusammenpassen, zeigt Noé Duchaufour-Lawrance. Bei der Renovierung des Chalet Béranger in den Savoyer Alpen inszenierte der französische Architekt den Chalet-Charakter neu. Dabei fand er Inspiration in der Bergwelt und verwandelte das Interieur in einen Fluss, der ins Tal fließt.
Das 530 Quadratmeter große Chalet befindet sich in St. Martin de Belleville, einem Ort inmitten von Les 3 Vallées, einem der größten Skigebiete der Welt. Seine grobe Fassade aus Holz, Schiefer und Stein überrascht zunächst wenig, ist sie doch typisch für die Gegend. Im Gebäudeinneren zeigt sich dann jedoch ein völlig anderes Bild: Angeregt von der Natur mit ihren Flussläufen, Seen und Tälern wählte Noé Duchaufour-Lawrance Materialien aus der Bergwelt wie Tannenholz und Valser Naturstein und verband sie mit industriellen Werkstoffen wie Beton und Metall. Als Gegenpol zur traditionellen Außenfassade setzte er schlichte geometrische und organische Formen ein, die wie selbstverständlich aufeinandertreffen und ineinander überfließen. „Die Formen sind die eines Flusses“, sagt der Architekt. „Der Fluss kommt von einem See in den Bergen und fließt nach unten in das Tal.“
Der Bergsee
Der Mittelpunkt des Gebäudes ist die oberste, 150 Quadratmeter große Etage, die einen offenen Wohnbereich mit integrierter Küche umfasst. Der Raum ist bis unter das Dach ausgebaut und besitzt auf zwei Seiten tiefe, von braunen Holzbalken gestützte Schrägen. Diese sind mit Leisten aus grau geöltem Tannenholz verschalt und wölben sich auf der einen Seite knapp über dem Fußboden zu Sitzplateaus. Auf der anderen Seite dienen sie der weißen Küchenzeile, die wie ein schlichtes Sideboard anmutet, als Gerüst. Die beiden Querseiten des Raumes sind dagegen mit Valser Naturstein verkleidet und haben deckenhohe Fenster, die eine herrliche Sicht auf die Umgebung bieten.
Die zentralen Elemente des Raumes sind ein langer gewundener Betontisch, der aus dem Estrichboden „entwachsen“ zu sein scheint, sowie ein von der Decke abgehängter, zylinderförmiger Kamin. Er ist ebenfalls mit Beton verkleidet und schafft eine Verbindung zwischen dem Boden und der Decke. Auch die Möbel sind mit Ausnahme der Küchenzeile in braunen und grauen Farbtönen gestaltet.
Der Fluss und das Tal
In den beiden unteren Etagen führen sanft beleuchtete Flure zu den Zimmern. Auch hier nahm der Architekt das Spiel der Gegensätze wieder auf und verband es mit einer minimalistischen, dennoch behaglichen Ästhetik. Jedes der sechs Schlafzimmer ist unterschiedlich gestaltet und verfolgt trotzdem dasselbe Farb- und Materialkonzept: Die Fußböden sind blanker Estrich, die Wände schlicht in weiß gestrichen, mit Valser Naturstein oder grau geölter Tanne verkleidet; und auch das Mobiliar wie Betten, Tische und Stühle greift die Grau- und Brauntöne auf. Die Möbel stammen bis auf wenige Ausnahmen aus Noé Duchaufour-Lawrances Feder und weisen die ihm eigene Sprache aus fließenden Formen auf.
Jedes Schlafzimmer besitzt ein eigenes geräumiges Bad. Auch hier gleicht keines dem anderen, abgesehen von der Farb- und Materialwahl. Die Bäder bestehen immer aus einem Hauptraum mit maßangefertigten Waschbecken aus weißem Corian oder grauem Naturstein, großen Sitzbänken sowie abgetrennten WCs und Duschen. Zudem gibt es einen öffentlichen Baderaum in der mittleren Etage, in dessen Boden ein etwa 20 Quadratmeter großer Whirlpool eingelassen ist. Der Raum erinnert entfernt an Peter Zumthors Therme Vals: Die Wände sind mit Valser Naturstein verkleidet, das Becken besteht ebenfalls aus dem grauen Quarzit, und die Holzdecke ist grau gestrichen. An der Innenwand neben der Tür befindet sich eine Bank aus grau geölter Tanne, die wie ein großer Rahmen wirkt; ihr gegenüber liegt eine die gesamte Wand einnehmende Fensterfront. Dank ihr wird die Begegnung mit dem Wasser und der Natur hervorgehoben: Das Becken scheint regelrecht mit der Außenwelt zu verschmelzen.
FOTOGRAFIE Vincent Leroux / TempsMachine
Vincent Leroux / TempsMachine
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