Wein-Bau-Kultur
Wein und Architektur haben durchaus etwas gemeinsam: Sie sind Ausdruck von Kultur. Dass Weinkultur nicht mehr nur in traditionellem Sinne durch urige Weinstuben und Verkostungsproben unter Weinlaub interpretiert werden muss, haben inzwischen die Besitzer zahlreicher Weingüter erkannt. Ein besonders gelungenes Beispiel für die Weinverkostung in einem modernen Ambiente ist das Weingut Julius in dem kleinen Ort Gundheim bei Worms. Dessen neue Vinothek besticht durch eine Kombination von reduziertem, modernem Design und historischen Elementen, die vor allem durch Licht in Kontrast und zugleich in Szene gesetzt wird.
Als geradlinig und ursprünglich bezeichnet Weingutsbesitzer und Winzermeister Georg Julius seine Weine, dessen Trauben auf einem rund 19 Hektar großen Gelände angebaut werden. Und genau so sollte auch der neue Verkostungs- und Verkaufsraum sein. Eine Räumlichkeit war schnell gefunden: Ein Lagerraum, der ursprünglich als altes Feuerwehrgerätehaus von Gundheim diente. Für dessen Umbau in eine moderne und ansprechende Vinothek beauftragte Georg Julius die Architektin Christiane Jeromin und die Lichtplanerin Andrea Nusser.
Historische Mauer und Kreismotiv
Schon bei den Renovierungsarbeiten kam zum Vorschein, was später zu einem wichtigen Gestaltungselement werden sollte: eine alte Bruchsteinmauer, die in der neuen Vinothek nun einen traditionellen und urtümlichen Charme verbreitet – besonders im Kontrast zu der modernen Einrichtung. Diese besteht im Grunde lediglich aus einem Tisch und Hockern aus Massivholz, die in der Mitte des vergleichsweise schmalen und mit dunklem Holzboden ausgestatten Raumes platziert sind. An einer Seite befindet sich, integriert in ein geschwungenes Raumelement, eine kleine Küchenzeile. Die Weine selbst sind in einem weißen Regal mit abgerundeten Kanten gelagert, das zugleich als Präsentationswand dient. Hier stehen die Flaschen des Weinguts Julius angenehm hinterleuchtet auf Glasböden in runden Aussparungen. Das Kreismotiv taucht überall im Raum wieder aus. So zum Beispiel in der Eingangstür, als ausgestanztes Muster bei der Verkleidung der Sitzbank unterhalb des Fensters, bei dem Fenster selbst, das vormals ein altes Feuerwehrtor war und nicht zuletzt auch in der Decke, wo sie als runde, unterschiedlich große Beleuchtungsöffnungen in Erscheinung treten.
Lichtfugen als Raumteiler
Das Beleuchtungskonzept für die neue Vinothek des Weinguts Julius stammt von der Lichtplanerin Andrea Nusser, die den Raum durch zwei Lichtfugen in drei klar gegliederte Segmente aufteilte. So wird die historische Backsteinwand als Raumelement durch eine umlaufende Lichtfuge von Boden und Decke abgehoben und dabei sanft illuminiert, sodass die dadurch entstehenden Schatten die natürlichen Unebenheiten der Mauer akzentuieren. Ein weiteres Raumsegment ist das mit runden Beleuchtungsöffnungen versehene Deckenfeld, das zu beiden Stirnseiten in weichem Bogen zur Straßenfrontverkleidung und auf der anderen Seite in die Präsentationswand übergeht. Schließlich grenzen die Lichtfugen auch die Eingangsseite dezent ab, an der sich die Küchenfront unter einem etwas tiefer gezogenen Deckenelement befindet.
Der Tisch, neben den Hockern im Prinzip einziges, freies Möbelstück im Raum, ist ebenso wie die Küchenarbeitsplatte durch tiefe, versenkte und runde Einbauspots unauffällig beleuchtet. Da die Spots verstellbar sind, kann auch die historische Wand bei Bedarf damit angestrahlt werden.
Neue Freunde: Wein und Architektur
Die neue Vinothek auf dem Weingut Julius wird natürlich in erster Linie für Verkostungen und Weinproben genutzt, aber auch andere Events und Gruppenveranstaltungen sollen hier stattfinden. Für ihr Konzept wurden die Architektin Christiane Jeromin und die Lichtplanerin Andreas Nusser mit dem Architekturpreis Wein 2010 von der Architektenkammer Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. Dieser in diesem Jahr zum zweiten Mal verliehene Preis forciert damit die zunehmende Verflechtung von Wein und Architektur. „Weinkultur braucht Baukultur“ sagt auch Stefan Musil, Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Jury zum Architekturpreis Wein. Denn gekauft würde inzwischen mehr als nur der Wein. Bei Weinfreunden, deren Maxime nicht in erster Linie der Preis sei, stünde das umfassende sinnliche Erleben im Vordergrund. „Gerade viele junge Winzerinnen und Winzer setzen deshalb auf Wein-Bau-Kultur“, so Musil.
FOTOGRAFIE Matthias Weil
Matthias Weil
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