Wo der Unimog wohnt
Tagsüber eine lichtdurchflutete Werkstatt, nachts ein leuchtender Kubus: Haus Unimog.

Man könnte meinen, die Arbeit an Haus Unimog sei mitten im Innenausbau stehen geblieben: rohe Materialien, offen liegende Verschraubungen und fehlende Verkleidungen auf Böden und an Wänden – eine nüchtern funktionale Gestaltungsweise, typisch für Werkstätten. Überraschenderweise setzt sie sich jedoch auch in den angegliederten Wohnräumen fort. Das Ergebnis überzeugt: ökologisch wie ästhetisch.
Kleines Budget, begrenzter Baugrund und eine stark befahrene Bundesstraße: Die Bedingungen für die Werkstatt-Wohnhaus-Kombination in der Nähe von Tübingen waren außerordentlich. Noch dazu sollte der Neubau Platz für einen Unimog, ein universales Motorgerät von Mercedes, bieten. Zwei Stuttgarter Büros, Fabian Evers Architecture und Wezel Architektur, nahmen die Herausforderung an. Sie entwarfen ein kubisches Haus mit traditionellem Satteldach und schufen mittels zwei Geschossen eine klare Funktionstrennung der insgesamt 120 Quadratmeter großen Wohn- und Wirtschaftsfläche. So entstand ein kompaktes Gebäude, das nicht nur das knapp bemessene Grundstück optimal ausnutzt, sondern auch eine Orientierung weg von der Straße hin zum Garten ermöglicht.
Eine Box aus Licht
Diese klare Zweiteilung unterstreichen die Architekten auch optisch: Während der obere Teil der Fassade mit anthrazitfarbenen Aluminiumplatten verkleidet wurde, sahen Wezel und Evers für das Erdgeschoß halbtransparente Schiebetüren aus Kunststoff vor, die tagsüber das Licht hereinlassen und für eine gleichmäßige Ausleuchtung des Arbeitsbereichs sorgen. Nachts hingegen strahlen sie das Licht des Innenraums nach außen in den Stadtraum ab. So entsteht der Effekt eines leuchtenden Kubus.
Nur über eine Treppe vom Hof gelangt man in den Wohnraum in der ersten Etage. Eine großzügige Loggia bildet den Eingangsbereich und gewährt mit ihren gläsernen Schiebetüren uneingeschränkte Blicke in den Garten. Großzügige Fensterflächen sorgen zudem für hell erleuchtete Räume. Ähnlich wie in der Fassade dominieren auch dort kostengünstige Werkstoffe: Weiß lasierte Grobspanplatten für die Wände und ein Boden aus Schaltafeln verleihen den Wohnräumen etwas Werkstatthaftes. Das schafft eine Verbindung zum darunterliegenden Arbeitsbereich und betont den konstruktiven Charakter des gesamten Gebäudes. In Kombination mit den offen liegenden Verschraubungen und den sichtbaren Fugen (und dem, wie Pappe gefalteten, Blechdach) erhält das Gebäude eine improvisierte Ästhetik und erinnert an die einfache Bauweise eines Architekturmodells.
So gar nicht hölzern
Mit Ausnahme der Bodenplatte aus Stahlbeton ist Haus Unimog eine reine Holzkonstruktion. Das erlaubte ein hohes Maß an Vorfertigung, was wiederum eine außergewöhnlich kurze Bauzeit von drei Monaten ermöglichte. Als nachwachsender Rohstoff erfüllt das Naturmaterial jedoch auch hohe Anforderungen an Nachhaltigkeit – ein Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch das Gebäude zieht. Dank der lichtdurchlässigen Fassade und der großen Fensterflächen profitieren die Bauherren von natürlicher Beleuchtung. Das spart Strom. Außerdem senkt die kompakte Fläche den Heizwärmebedarf des Neubaus auf ein Minimum. So genügt ein Holzofen für ausreichend Wärme und sorgt für eine heimelige Atmosphäre.
Spartanisch, praktisch, gut
Hinzu kommen clevere Details wie etwa eine Aussparung in der Badezimmer-Wand, durch die eine praktische Ablage entsteht. Das erspart eine aufwendige Möblierung und nutzt den begrenzten Wohnraum bis in den letzten Winkel. Mit Anthrazit, Schwarz und Weiß halten sich die Architekten auch farblich zurück. In der Außenansicht betonen sie mit diesen Farbkontrasten die unterschiedlichen Ebenen und Funktionen des Hauses. Gleichzeitig lenken sie so jedoch die Aufmerksamkeit auf die Oberflächen von Spanplatte und Co. So erweisen sich die unprätentiösen Werkstoffe hier als charmante Hingucker.
Auf den ersten Blick mag das Haus Unimog spartanisch und schmucklos anmuten, hat es doch tatsächlich etwas Unfertiges, Improvisiertes. Auf den zweiten Blick jedoch erkennt man ein äußerst stimmiges Gesamtkonzept: Nicht nur, dass die verwendeten Low Budget-Materialien reizvolle Oberflächen und ungewöhnliche Kombinationen erzeugen. Auch die offengelegten Verarbeitungsweisen verkörpern den sachlich funktionalen Ansatz der Architekten. Damit beweisen die Stuttgarter, dass man auch mit knapp bemessenem Raum, Budget und Zeit viel erreichen kann – es braucht nur Mut zum Understatement.
Sebastian Berger
Fotograf
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