Best-of Teppiche 2024
Wie die Kunst auf den Teppich kam
Es gibt wohl kaum ein anderes Feld im Interiordesign, wo gerade so viel passiert wie im Teppichbusiness, auch in gestalterischer Hinsicht. Nicht nur arbeiten fast alle namhaften Designer*innen für die großen Brands, sondern es entstehen zunehmend auch Entwürfe von Künstler*innen. Wir haben uns angeschaut, was sich zwei junge Gründerinnen in Berlin ausgedacht haben, wie Eduardo Chillidas Collagen auf den Teppich gekommen sind und was Designer aus Beirut in Indien entdeckt haben.
Der Boden ist neben den Wänden das bestimmende Raumelement. Doch während Fliesen, Holzdielen und von Wand zu Wand verlegte Bodenbeläge eher selten ausgetauscht werden, können abgepasste Teppiche den Look eines Raums kurzerhand verändern. Insbesondere dann, wenn sie farblich auffallen oder stark gemustert sind – so wie die neue Kollektion Tie Dye des Berliner Labels Reuber Henning, die inspiriert ist von historischen Teppichfragmenten. Hier treffen zwei verschiedene Knüpftechniken aufeinander: Während der Hintergrund des Teppichs durch die sogenannte Sumak-Technik flach anmutet, ist das an historische Teppichfragmente angelehnte Muster als Flor ausgebildet. Zum einfarbigen Hintergrund gesellt sich eine „Tie Dye“ genannte Färbetechnik, die aus dem Batik-Handwerk bekannt ist. Hierbei wurde die Wolle in drei verschiedene Töne getaucht, sodass ein zufälliges Zickzackmuster entsteht.
Der Teppich und die Kunst
Gerade wenn es um handgefertigte Teppiche geht, dann ist die Kunst nicht weit. Schon seit Langem arbeiten namhafte Teppichlabels mit Künstler*innen zusammen. Nanimarquina hat zum 100. Geburtstag von Eduardo Chillida vier neue (Wand-)Teppiche aus Wolle und Seide vorgestellt, nachdem das Label vor zehn Jahren schon einmal Werke des spanischen Künstlers in das Medium Teppich umsetzen ließ. Die vier neuen Teppiche sind nach Collagen namens Gravitaciónes entstanden, wobei sie durch verschiedene Florhöhen sehr haptisch wirken. Die Zusammenarbeit mit Künstlern*innen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen auch Hannah Vagedes und Charlotte Culot, die das Teppichlabel Maison Rhizomes gegründet haben. Die Idee der zwei jungen Kreativen: Muster zeitgenössischer Gemälde in handgeknüpfte Teppiche zu übersetzen, die in Indien und Nepal handgefertigt und in limitierter Auflage auf den Markt gebracht werden. Gerade stellte Maison Rhizomes in einer Berliner Galerie die Arbeit Blue Breath vor – ein aus Merinowolle handgeknüpfter Teppich, der nach dem Entwurf des französischen Malers Ludovic Philippon entstanden ist und in einer limitierten Auflage von 22 Exemplaren gefertigt wird. Durch die Übersetzung in das Medium Teppich gewinnt die abstrakte, flächige Komposition an Tiefe.
Aus dem Nahen Osten
Auch das indische Label Jaipur Rugs ist bekannt für seine kunstvollen Teppiche und hat während der Art Week Dubai eine Kooperation mit Designeast und fünf Designer*innen aus dem Nahen Osten vorgestellt. Man wolle Kreative aus dem globalen Süden unterstützen, sagt Rue Kothari, Gründerin und Kreativdirektorin der Plattform Designeast. Mit von der Partie bei dem Teppichprojekt waren auch zwei Designer aus Beirut: Ahmad Bazazo von Studio Bazazo, der vor allem im Collectible (Möbel-)Design arbeitet, und der Textilkünstler Adrian Pepe. Genau wie die drei anderen Gestalter*innen waren sie zu Besuch bei den Handwerker*innen in einem Dorf namens Aaspura im indischen Jaipur, um das Teppichhandwerk und seine Möglichkeiten zu eruieren. Adrian Pepes Arbeit I rest my Face against its Fibers reflektiert seine intensive Beschäftigung mit dem Material Wolle, insbesondere Schafwolle. Das erstaunliche Ergebnis aus der Kooperation mit Jaipur Rugs ist ein rechteckiger Fransenteppich mit dem geknüpften, hochflorigen Umriss eines Schaffells, der geschickt mit der Wahrnehmung von echt und unecht spielt. Der geknüpfte Wandbehang von Studio Bazazo hat eine unregelmäßige Form und ist auch ansonsten sehr spielerisch im Entwurf: Es gibt Farbwechsel, Durchblicke und locker drapierte Wollfäden.
Auch Beige kann spannend sein
Auch wenn handgefertigte Teppiche oft ziemlich wagemutig sind, was Farben, Muster und zunehmend auch Formen angeht: Gerade in den skandinavischen Ländern sind nach wie vor zurückhaltende Dessins gefragt – das zeigen Brands wie Woodnotes, Audo Copenhagen und Linie Design aus Kopenhagen. Die Teppiche des 1980 gegründeten Labels, das seine Entwürfe seit letztem Jahr in einem von Norm Architects gestalteten Showroom zeigt, werden in Indien in verschiedenen Techniken handgefertigt. Dabei geben Weiß-, Beige- und Braunnuancen sowie zurückhaltende grafische Muster den Ton an, während mit Materialkombinationen, verschiedenen Florhöhen, unregelmäßigen Formen und Fransen gestalterische Spannung erzeugt wird. Das beweist auch der Neuzugang The Kindred Path, ein von Helene Blanche gestalteter Kelim mit einem feinen grafischen Muster, das an die Ikat-Technik erinnert.
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