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BMW i Vision Dynamics: Schmetterling statt Doppelniere

Ein Auto ohne Kühler? BMW und sein neues Konzept-Coupé, das so ähnlich bald auf den Straßen rollen soll.

von Norman Kietzmann , 10.10.2017

Die Zukunft fährt elektrisch. Wohin die Reise geht, zeigt BMW mit der Coupé-Studie BMW i Vision Dynamics. Der Wagen gibt nicht nur einen Vorgeschmack auf ein bald folgendes Serienmodell. Er zeigt auch, wie sich Elektrofahrzeuge gestalterisch von ihren rußenden Vorgängern emanzipieren – und dafür sogar manch tierische Verwandlung durchlaufen.

Ein Auto hat vier Räder, minimum zwei Türen und einen Kühler. Bislang zumindest. Mit dem Siegeszug des Elektroautos gerät diese Gleichung ins Wanken. Denn die leisen Stromflitzer brauchen keine Luft mehr anzusaugen, um ihren Motoren vor Überhitzung zu schützen. Doch ein Auto ohne Kühler? Es hat lange gedauert, bis sich die Hersteller an diese heilige Kuh des Automobildesigns herangetraut haben. Schließlich gehört eine markante Front – und damit auch der Grill – zum Erkennungszeichen vieler Marken. 

Rollende Vertrautheit
Dass BMW bei seinen bisherigen Elektromodellen i3 und i8 auf die ikonische Doppelniere nicht verzichten wollte, verwundert an dieser Stelle kaum – zumal die Fahrzeuge in einer rein elektrifizierten Ausführung sowie mit Hybridantrieb zur Auswahl stehen. Auf der IAA in Frankfurt hat die Bayernmarke mit dem BMW i Vision Dynamics ein Konzeptfahrzeug vorgestellt, das noch einen Schritt weiter geht und den Kühler – zumindest ist seiner bisherigen Gestalt – ad acta legt. 

Die Studie ist Teil einer neuen Produktoffensive, mit der der Hersteller sein gesamtes Portfolio erneuern will. Das viertürige Coupé soll die Lücke zwischen dem Stadtauto i3 und dem Supersportwagen i8 schließen. „Wir haben schon heute mehr elektrifizierte Fahrzeuge auf der Straße als jeder etablierte Wettbewerber. Im Jahr 2025 werden wir 25 Modelle mit elektrifiziertem Antrieb anbieten – davon zwölf rein-elektrisch“, erklärte Harald Krüger, Vorstandsvorsitzender der BMW AG, während der Frankfurter Autopräsentation. 

Klarere Konturen
„Wir haben eine erkennbare Formensprache. Aber natürlich wollen wir uns weiterentwickeln: nicht mit mehr, sondern mit weniger Linien“, gibt BMW-Designchef Adrian van Hooydonk eine eher puristische Richtung vor. Ein Vorgeschmack auf die neue Designsprache wurde bereits mit der Concept 8 Series auf dem Concorso D’Eleganza am Comer See sowie mit dem Concept Z4 auf dem Concours d’Elegance in Pebble Beach gegeben. Ist die Motorisierung dieser beiden Fahrzeuge noch nicht abschließend geklärt, soll der BMW i Vision Dynamics rein elektrisch fahren und eine Reichweite von 600 Kilometern erzielen. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h und einer Beschleunigung von Null auf Hundert in vier Sekunden soll auch der Fahrspaß nicht auf der Strecke bleiben.

Tierische Verwandlung
„War die Doppelniere bisher das Symbol für die Motorenkompetenz bei BMW steht sie beim BMW i Vision Dynamics nun sinnbildlich für die technologische Kompetenz. Durch die dahinter liegende Sensorik wird die Niere zur ‚Intelligenzfläche‘“, lässt das Unternehmen in einer Pressemeldung verlauten. Die Doppelniere ist an dieser Stelle allerdings eher eine Frage der Interpretation. Anstelle zweier Quader mit abgerundeten Ecken kommen gestreckte Oktogone zum Einsatz, die viel zu technoid ausfallen, um auf Anhieb als Nieren identifiziert zu werden.

Beide Flächen sind in der Mitte verschmolzen und lassen in dieser Konstellation eher an einen stilisierten Schmetterling denken. Dessen äußere Konturen werden durch blau schimmernde LED-Leisten akzentuiert, was einen subtilen Hauch von Magie einbringt. Der Niedlichkeit wird sogleich entgegengewirkt, indem die Verbindungsnaht der beiden Achtecke die Höhe der Stoßstange aufgreift. Der Schmetterling – sonst ein eher luftiges, flatterhaftes Wesen – wird auf diese Weise mit technischer Härte gepaart. 

Verwandeltes Gesicht
Eine Reinterpretation erfährt ebenso das klassische Vier-Augen-Gesicht von BMW. Anstelle von Rundleuchten kommen L-förmige LED-Leuchten zum Einsatz, die dynamisch in die Länge gezogen wurden und trotz ihrer geschrumpften Größe einen prägnanten Gesichtsausdruck erzeugen. Auch am Heck wurde deutlich aufgeräumt. Die beiden Rückleuchten sind als horizontale Leuchtstreifen ausformuliert, die in ihrer Unaufgeregtheit Ruhe suggerieren. Gleichzeitig vollziehen sie am seitlichen Übergang zu den Hintertüren einen markanten Ausschlag nach oben: Fast so, als wäre ein Pulsschlag auf einer Skala gemessen worden. 

Aus einem Guss 
In den Proportionen der Karosserie bleiben sich die Münchner treu: Ein langer Radstand, eine fließende Dachlinie sowie kurze Überhänge sorgen für einen eleganten und dennoch dynamischen Auftritt. Auffällig sind die großen, jedoch sorgsam modellierten Flächen, die sich dank schmaler Fugen wie aus einem Guss zusammensetzen. Unterstützt wird die kapselhafte Wirkung durch eine bündig eingelassene Verglasung. Front-, Dach- und Heckscheibe gehen nahtlos ineinander über und verbessern die Sichtbarkeit im Innenraum spürbar.

Dass dabei explizit an die sonst in puncto Aussicht eher benachteiligten Rücksitze gedacht wird, ist kein Zufall: Schließlich soll das Fahrzeug für autonomes und teilautonomes Fahren kompatibel sein, wodurch die Hierarchie der Sitzordnung neu definiert wird. „Freude am Fahren“ gilt daher nicht nur für die Person hinter dem Steuerrad, sondern für alle Passagiere an Bord dieses Konzeptfahrzeugs, das mit leichten Veränderungen alsbald auf den Straßen zu sehen sein wird – mit Schmetterling statt Doppelniere. 

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