Die Zukunft eines stillen Ortes
Die Stätte, die gemeinhin „Stilles Örtchen“ heißt, wird von den meisten auch genau so behandelt. Was der Besucher dort erledigt, ist eine delikate Angelegenheit, über die man eher nicht mit dem Kollegen oder dem Nachbarn plaudert. Dabei gibt es einiges, über das mal gesprochen werden sollte: Etwa darüber, dass das herkömmliche Wasserklosett technisch längst überholt ist. Dass ein Drittel der Weltbevölkerung keinen Zugang zu sanitären Anlagen hat. Oder über den Umstand, dass Topfpflanzen bei der Düngung durch unser „Gelbwasser“ schneller wachsen. Einige, die es leid sind diese Themen hinter der vorgehaltenen Hand zu diskutieren, haben sich organisiert. Und zwar in der WTO, der „World Toilet Organization" oder in der GTO, dem deutschen Pendant. Und sie untergraben das Stillschweigen mit Demonstrationen, Designinitiativen und dem Welttoilettentag, der in der letzten Woche - am 19. November - zum achten Mal begangen wurde.
Die Toilette ist ein Ort kultureller Identität. Während die Franzosen sich mit ihren klar strukturierten Schüsseln gern über unsere „Zwischenetage“ mokieren, bevorzugen die Amerikaner Swimmingpool-große Becken, die mit Strudel und Schlurp einfach alles verschwinden lassen. Die meisten Asiaten favorisieren die Hocke gegenüber dem Sitzen, und die Japaner mögen den stillen Ort lieber künstlich laut: Damit der Nebensitzer nichts von den „eigentlichen“ Geräuschen mitbekommt, blendet man hier gern elektronisch erzeugte Spülgeräusche oder laute Musik ein. So verschieden die Präferenzen und Angebote auch sein mögen - innerhalb eines Systems wird über die Alternativen schon aus Gewohnheit nicht diskutiert. Denn: Das war schon immer so, bleibt so. Oder?
Grüner sitzen
Revolutionen – etwa im Sinne der Nachhaltigkeit – bietet der Markt rund um die Schüssel jedoch zur Genüge an. Separations-, Vakuum-, Dehydrations- oder Komposttoiletten – davon hat mancher schon gehört. Zu sehen sind sie in unserem europäischen Alltag selten. Dabei ist das, was erst einmal nach einem Produkt für einsiedlerische Selbstversorger oder Astronauten klingt, weniger eine Düsentriebsche Entwicklung, als eine Dienstleistung an der Natur und dabei durchaus massentauglich. Denn mit jedem Abspülen verschwinden bis zu zehn Liter Trinkwasser in der Kanalisation. Während in vielen Haushalten die mittlerweile populäre Stopp-Taste den Verbrauch verringert, gehen die Trenntoiletten einen Schritt weiter. Weil Flüssiges von alleine abfließt, gibt es einen zusätzlichen Ablauf, der Fest- und Flüssigstoffe separiert. Erhebt sich der Nutzer vom Sitz, verschließt sich die darunterliegende Sammelkammer und blockiert unangenehme Gerüche.
Düngen mit menschlichen Feststoffen
Vakuumtoiletten hingegen kennt man schon aus dem Flugzeug. Im privaten Haushalt haben sie den großen Vorteil, dass sie so gut wie gar kein Wasser brauchen und damit gleichzeitig eine effiziente Komposttoilette darstellen. Denn das, was hier gespeichert werden kann, ist ein wertvoller Rohstoff, der in anderen Ländern schon als wirksames Düngemittel zugelassen wurde. Das „Gelbwasser“ kann sofort ausgebracht werden, die menschlichen Feststoffe brauchen einen längeren Vergärungs- und Trocknungsprozess.
Doch um die neuen Systeme in der westlichen Welt durchzusetzen, müsste das eingespielte und konsequent installierte Abwassersystem hierzulande von Grund auf umgestellt werden. Eine Investition, die kaum lohnt, weswegen man sich – wenn überhaupt – vor allem auf Projekte beschränkt, die in sich unabhängig funktionieren können. Wirklich plausibel im Sinne der Nachhaltigkeit wird die Revolution auf dem Klo damit nur in vollständig neu geplanten Siedlungen oder innerhalb eines Hauses, das dann – auch mit Hilfe der Toilette - einen nahezu geschlossenen Stoffkreislauf haben kann. Jack Sim, der aus Singapur stammende Gründer der ersten Toiletten-Organisation WTO, hat seinen Fokus deshalb auf Länder gelegt, die bisher nur eine schlechte oder fast gar keine sanitäre Grundversorgung haben und im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern mit der Verknappung von Wasser zu kämpfen haben.
Busch, Baum, Box und Co.
Aber nicht nur die großen technischen Revolutionen rund um den stillen Ort werden durch Jack Sim, die WTO und die anderen nationalen Verbände angezettelt. Auch der Mangel an Toiletten in vermeintlich entwickelten Gebieten wird reklamiert. Denn gerade weil das stille Örtchen ein Tabu ist, gerät es schnell aus dem gesellschaftlichen Blickfeld – und wird dadurch im öffentlichen Raum oft schlichtweg vergessen. Seit 2005 reist eine Ausstellung um die Welt, die Menschen in prekären und eindeutigen Situationen zeigt: hinter Büschen oder Felsen hockend. „Where would you hide?“ – „Wo würden Sie sich verstecken?“ steht auf einem Spruchband, mit dem darauf aufmerksam gemacht werden soll, dass aus Notdurft schnell die pure Not werden kann.
Die Toilette als Statussymbol
Innovationen im sanitären Bereich lassen sich – ganz gleich ob in Entwicklungsländern oder hierzulande – vor allem über Design und damit als Statussymbol verkaufen. Um das UN-Milleniumsziel zu erreichen, bei dem die Zahl der Menschen ohne Zugang zu einer sanitären Grundversorgung bis zum Jahre 2015 halbiert werden soll, hat man sich deshalb prominente Unterstützer wie den Designer Werner Aisslinger ins Boot geholt. Der in Karlsruhe lehrende Professor für Design soll mit seinen Studenten der Technik das richtige Format und eine attraktive Hülle verpassen. Durch den überarbeiteten Look soll die Toilette als ein Objekt wahrgenommen werden, auf „das die Besitzer stolz sind“.
Stolz auf sein Klo ist auch Sim Jae-duck, der Gründer der koreanischen Toilettenorganisation. Der exzentrische Millionär und Rentner hat sich nämlich ein Haus bauen lassen, das in seiner Form einer Toilette nachempfunden ist und damit viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Sein „Symbol einer neuen Toilettenkultur“ kann man sogar mieten – für schlappe 50.000 Dollar pro Nacht. Der Erlös fließt in die Stiftung der World Toilet Association, die damit wiederum die Installation Wasser sparender Toiletten finanziert.
Porzellanbaum für unbelehrbare Männer
Aber auch die hiesige Industrie stellt sich die Frage nach der Toilette der Zukunft. Anlässlich des World Toilet Days hatte die Firma Zewa einen Wettbewerb ausgerufen, der die besten Konzepte rund um den Lokus küren sollte. Die Ergebnisse zeigen, dass das Thema Toilettendesign durchaus vielseitig ist. Und das es weder innerhalb einer Toilettenkultur, noch global die eine, einzig gültige Lösung geben kann: Zu den Siegerobjekten zählt sowohl eine puristische Trenntoilette als auch ein großer Porzellanbaum, der die Männer vom lebenden Grünzeug fernhalten soll.
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