Dimorestudio
Mehr ist mehr, lautet die Losung des Mailänder Designbüros

Mehr ist mehr: Dimorestudio machen Schluss mit weißen Wänden und unscheinbaren Formen. Das Mailänder Kreativbüro gestaltet Interieurs und Einrichtungsobjekte. Mit seiner eigenen Designgalerie kuriert es zudem die Arbeiten großer Meister. Gegenwart und Vergangenheit sind bei ihnen keine Antipoden. Sie werden zu einer untrennbaren Einheit miteinander verwoben.
Ab den Neunzigerjahren galt im Design eine verlässliche Gleichung: Das Zeitgenössische offenbart sich in der Zurückhaltung, in der bewussten Reduktion. Es ging um eine Fortführung der Moderne, die ganz bewusst die wilden Auswüchse der Postmoderne überwunden hat. Dekoration wurde belächelt, dass Schimmernde war suspekt. Heute ist es genau andersherum. Wer Minimalismus macht, macht sich verdächtig. Wer poppige Zitate auslässt, gilt plötzlich als Spielverderber. Ein Büro, das an dieser Stelle ganz weit vorne mitspielt, heißt Dimorestudio. 2003 wurde es vom Italiener Emiliano Salci und dem US-Amerikaner Britt Moran in Mailand gegründet. Nachdem es einige Jahre eher gemächlich für sie voranging, geben sie in der Branche längst den Ton vor.
Pailletten für den Tag
Unterstützung hat das Duo aus der Mode erfahren. Dort hat Alessandro Michele im Januar 2015 die kreativen Geschicke von Gucci übernommen und das Florentiner Haus von einer Saison zur anderen zur hippsten Marke des Planeten gemacht. Mehr ist mehr, lautet seine Parole. Verspielte Muster, große Logos, Nachtclub-Glitzer-Pailletten als Tagesoutfit, Katzengesichter auf T-Shirts und Sneakers: ein großer Kindergeburtstag für Erwachsene. Der Maximalismus-Hype ist auch auf das Interieur- und Produktdesign übergeschwappt: in Form eines Wechselspiels aus Art-déco-Revival und poppiger Moderne-Interpretation.
Animalische Tapeten
Es sind Arbeiten von Gino Sarfatti, Osvaldo Borsani, Gio Ponti, Matthieu Mategot oder Carlo Scarpa: Designer, die nicht nur für die Großserie gearbeitet haben, sondern ebenso kostbare Einzelstücke und kleine Edition angefertigt haben. Jüngstes Beispiel sind die Reeditionen der italienischen Designerin Gabriella Crespi, die bei ihren Möbelentwürfen in den Sechzigerjahren intensiv mit einem Material gearbeitet hat, das Gucci-Gründer Guccio Gucci zuvor bereits für Handtaschengriffe populär gemacht hatte: Bambus.
Multiple Wege
„Wir mögen zeitgenössische Räume mit historischen Produkten. Alles was wir tun, basiert auf der Überlagerung unterschiedlicher Zeitepochen, Materialien und Stoffe“, sagt Britt Moran. Dimorestudio arbeiten nicht nur mit bestehenden Produkten, sondern fertigen auch eigene Entwürfe an: als Einzelstücke für Apartments oder für ihre Galerie. Als Kleinserie wie den Barwagen, den sie für den zur LVMH-Gruppe gehörenden Weinhändler Clos19 entworfen haben. Oder als Serienprodukte für Hersteller wie Cappellini, Bitossi oder ihre 2019 lancierte Eigenmarke Dimoremilano, die sowohl Möbel, Leuchten als auch Stoffe produziert.
Überlagerung der Zeit
Am Anfang waren Dimorestudio zu zweit. Inzwischen ist das Team auf fast 40 Mitarbeiter angewachsen. „Wir mussten unsere Aufgaben teilen. Emiliano konzentriert sich auf die kreativen Aspekte, ich vor allem auf die Projektentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit. Doch wir diskutieren die ganze Zeit, wodurch es immer spannend bleibt“, sagt Britt Moran. Wie sie an ihre Arbeit herangehen? „Wir bestimmen immer zuerst eine Zeitperiode, die wir für ein bestimmtes Projekt als inspirierend empfinden. Das kann vom Ort abhängen, jedoch auch vom Briefing des Kunden. Anschließend interpretieren wir diese Zeit, anstatt sie exakt nachbilden. Es ist also immer eine Mixtur aus Gegenwart und Vergangenheit“, erklärt Britt Moran.
Ein treffendes Beispiel dafür ist die Boutique One-Off in Brescia, wo Zitate der Popkultur wie Kulissen aus Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum mit Phantasien der Sechzigerjahre-Avantgarde-Gruppe Archizoom und prähistorischen Möbelentwürfen von Andrea Branzi aus den Achtzigerjahren zu einer elektrisierenden Mixtur verbunden werden. „Bei den Boutiquen, die wir derzeit einrichten, gibt es eine Tendenz zum Wohnlichen. Im eigenen Zuhause ist es normal, sich mit Dingen zu umgeben, die angenehm und cosy sind. Doch für Verkaufsräume ist es etwas Neues. Damit die Kunden bleiben und den Raum erfahren, muss man etwas schaffen, das sie in der Boutique hält“, macht Britt Moran deutlich. Es klingt wie eine präzise Definition für den Anspruch von Dimorestudio: Räume und Produkte werden von ihnen nicht nur als dreidimensionale Gebilde begriffen, sondern um die vierte Dimension der Zeit erweitert. Es sind Erfahrungsräume, die ihrem eigenen Drehbuch folgen.
Dimorestudio
www.dimorestudio.euMehr Stories
Zwischen Design und Desaster
Experiment und Improvisation im Gestaltungsprozess

160 Jahre Ligne Roset
Von der Sonnenschirm-Manufaktur zur Designmarke

Fliesen mit Format
Über die Wirkung von Größe, Form und Farbe

Avantgardist, Kritiker, Angeklagter
150 Jahre Adolf Loos

Die Chemie des Designs
Mit Nicole Dietz von der Küche in die Werkstatt

Fliese, Fliese an der Wand
Fünf Designstudios stellen ihre Lieblingsfliese vor

Sternstunde des Designs
Virtuelle Werkschau De-siderio von Studiopepe

Teilnahmebedingungen
Adventstombola 2020: Wir verlosen 4 Produkte

Digitales Design-Event
baunetz interior|design virtuell – It’s All About the Details

Design der Entmaterialisierung
Im realen Jogger auf dem Sofa, in Couture zum virtuellen Meeting

Ihrer Zeit voraus
Wegweisende Produkte aus den letzten zwei Jahrzehnten

Nordisch dynamisch
2000-2020: Über den Aufstieg der New-Nordic-Marken

Als die Locher lachen lernten
2000-2020: Humorvolle Produkte von Alessi, Koziol & Co

Neustart in Mailand
Streifzug durch die Milano Design City 2020

Välkommen 2000
Ein Rückblick auf die demokratischen IKEA-Lebenswelten

Bloß nicht anecken
2000-2020: Die neue Zeitlosigkeit im Möbeldesign

Best of Interior 2020
Callwey Verlag verleiht zum sechsten Mal den Award

German Design Graduates 2020
Award geht in die zweite Runde

London Design Festival 2020
Handwerk, limitierte Editionen und neue Schulterschlüsse

Atmosphärische Zeiten
Hermann August Weizenegger im Berliner Kunstgewerbemuseum

3 Days of Design 2020
Neuheiten aus Kopenhagen

Einstieg ins Smart Home
Modulare Gira-Produkte setzen neue Impulse

Best-of Holz
Ein Werkstoff mit inneren Werten und Potential im Sinne der Nachhaltigkeit

Mit Herz von Hand
Im Werk von Brunner trifft Industrie auf Manufaktur

Unsere besten Bücher
Ans Herz gewachsene Lektüre über Design und Gestaltung

Materialising Colour
Giulio Ridolfos Reise zu den Farben der Welt

Jung, kreativ, bietet...
Eine von der Möbelwirtschaft unabhängige Gestaltergeneration

Textile Bodenbeläge
Zwischen Technologie, Gestaltung und Nachhaltigkeit

Geschichte trifft Gegenwart
Ausstellung von Muller Van Severen in der Villa Cavrois in Lille

Das neue deutsche Design
Eine Gestaltergeneration auf der Bugwelle der vierten industriellen Revolution
