Gästeglücklichmacher
Ist ein Hotel das bessere Zuhause? Stephan Ferenczy vom Wiener Architekturbüro BEHF gibt Antworten bei einer Baustellenbegehung.
Stephan Ferenczy vom Architekturbüro BEHF weiß, wie man Gäste glücklich macht. Er verwandelt Paläste in Designhotels und macht aus schnöden Restaurants echte Stimmungstempel. Wir sind mit dem Architekten auf Baustellenbesichtigung in Wien gegangen und haben erkundet, warum ein Hotel womöglich das bessere Zuhause ist.
Neben Restaurants wie Motto am Fluss, Kussmaul oder Shiki in Wien hat das Architekturbüro BEHF Hotels wie Le Méridien, Motel One Wien Opernring und Lamée geplant. Angefangen hat die Begeisterung für das Thema Hospitality mit dem Interiordesign für das Loisium Wine & Spa Resort in der Südsteiermark, doch die meisten Projekte des Architekturbüros sind in Wien angesiedelt. Im Unterschied zu Großstädten wie Paris oder London gibt es dort nämlich noch freie Flächen, die entwickelt werden können.
Im Stadtgefüge
Eines der spektakulärsten Projekte des Büros ist der Umbau eines denkmalgeschützten Gebäudeensembles nahe der Wiener Oper in ein Motel One-Hotel mit 400 Zimmern. Hier sorgt eine moderne Dachkonstruktion dafür, dass natürliches Licht in sämtliche Zimmer fällt. Und: Durch den Hotelbau wurde nicht nur die historische Bausubstanz erhalten, sondern gleich ein ganzes Stadtareal belebt. „Eines steht fest“, sagt der Architekt: „Auch wenn man Kettenhotels kritisch gegenüber steht, sie beleben unsere Innenstädte.“ Dabei hat sich die Rolle eines Hotels im Stadtgefüge in den letzten Jahren stark verändert. Es geht längst nicht mehr nur darum, die Zimmer so luxuriös wie möglich zu gestalten. Es geht um das Hotel als öffentliche Funktion in der Stadt. Konkret: Das Hotel wird zum Kommunikationsnukleus – für Einheimische ebenso wie für Gäste. „Ein Hotel muss zeigen, dass es mehr kann, als Bett und Klo zu sein“, bringt es Ferenczy auf den Punkt.
Baustelle Hotel
Der Architekt – einer der drei Partner von BEHF – läuft zwischen Handwerkern umher, die auf wackeligen Leitern stehen, es wird gehämmert und gewerkelt, Plastikplanen schützen Möbel und Leuchten vor Staub, Hotelmitarbeiter arbeiten nervös enge Terminpläne ab. Am Abend soll das Hotel Le Méridien am Wiener Opernring neu eröffnen und, auch wenn es am Morgen nicht danach aussieht, am Abend wird alles fertig sein. Zwei Monate wurden die öffentlichen Räume des Hotels von BEHF umgebaut – bei laufendem Betrieb, wohlgemerkt. „Das Projekt ist ziemlich spannend, weil das Hotel vor dreizehn Jahren aus vier verschiedenen Häusern entstanden ist und knapp 300 Zimmer hat“, sagt Ferenczy. Und ergänzt, dass das Méridien auch im Alltagsleben der Wiener eine wichtige Rolle spielt, denn hier finden Empfänge, Partys und Veranstaltungen statt. „Das Aussehen des Hotels vor dem Umbau passte aber überhaupt nicht zu seinem sympathischen Inhalt, weshalb wir die öffentlichen Räume neu gestaltet haben.“
Ringstraßen-Understatement
Vier Jahre lang plante BEHF den 2,4-Millionen-Euro-Umbau gemeinsam mit der Hoteldirektorin Gabriela Benz. Dabei ging es vor allem um die Optimierung der Erdgeschoss-Organisation samt neuer Beleuchtung, Beschallung und Akustik. Das Resultat: Eine große Halle mit Windfang, Rezeptionsbereich, großem Speisesaal, Bibliothek und Bar, die flexibel in der Nutzung gestaltet ist. Entfernt man beispielsweise Tische, Bänke und Bestuhlung des Speisesaals, können hier bis zu 3000 Menschen feiern. Das Interiordesign ist extrem zurückgenommen: Eine neutrale Farbpalette von Weiß-, Grau- und Blautönen trifft auf eine natürliche Begrünung (Stichwort vertikaler Garten) und eleganten Materialakzenten wie Samt (Stühle Romy von Freifrau), Glas und verchromtes Metall (Wandleuchten Miconos von Artemide), Travertin (auf dem Fußboden) und polierter Messing (im Windfang).
Das bessere Zuhause
Die grandiose Architektur, das plüschige K.u.k-Ambiente, der berüchtigte Wiener Schmäh – da könnte man auf die Idee kommen, dass auch die Wiener Hotels etwas „typisch“ Wienerisches haben müssten. „Ja, das könnte man denken“, sagt der gebürtige Hamburger, „aber dem ist nicht so. Wien ist einfach nur eine Großstadt.“ Und wie sieht es aus mit der Sogwirkung, die Hoteleinrichtungen auf das Interiordesign von Privathäusern haben? Damit, dass beispielsweise das Badezimmer nun auch in ganz normalen Wohnungen plötzlich ins Schlafzimmer rückt, wie man es zuerst in Luxusdesignhotels sah? „Hotels hatten schon immer eine gestalterische Vorbildfunktion, denn sie sind ihrer Zeit voraus“, meint Ferenczy und fasst zusammen: „Das Hotel ist das bessere Zuhause, wenn man es sich leisten kann.“
Am Abend zur Neueröffnung des Méridien-Hotels tanzten die Gäste übrigens noch zur Live-Musik von Nouvelle Vague. Die französischen Musiker haben für das Hotel eigens einen Soundtrack eingespielt, der als Dauerschleife im Fahrstuhl läuft. Auch das gehört zur schönen neuen (Hotel-)Welt.