Shiki-Micki
Maximal Minimal: der drei Millionen Euro teure Umbau eines japanischen Restaurants.
Es soll Menschen geben, die essen in Wien am liebsten Schnitzel, Frittatensuppe und Kaiserschmarrn. Warum nicht mal Japanisch? Denn schräg gegenüber vom Hotel Sacher hat kürzlich das Restaurant Shiki eröffnet. Es lockt mit Sashimi vom Hamachi, wildem Kabeljau und Nashi-Birne – kunstvoll serviert in einem elegant-zeitlosen Interieur vom Architekturbüro BEHF.
Shiki – das ist Japanisch und bedeutet Jahreszeiten, aber auch Dirigieren. Das passt. Zum einen, weil der Bauherr Joji Hattori ein gefeierter Violinist und Dirigent ist und ganz nebenbei aus der Gründerfamilie von Seiko stammt. Zum anderen, weil das Architekturbüro BEHF aus Wien das Restaurant als Komposition von harmonisch aufeinanderfolgenden Räumen gestaltet hat. Das Schöne daran: Jenseits von Tatamimatten und Bambuswänden ist ein Interieur entstanden, das japanisch anmutet und gleichzeitig europäisch ist. Die Architekten haben ein Konzept erarbeitet, das sich auszeichnet durch die Kunst der Reduktion: wenige, dafür hochwertige Materialien, eine klare Raumstruktur, die Verbindung zwischen Innen und Außen durch kleine japanische Gärten.
Ankommen
Das Restaurant liegt in einer Seitenstraße im 1. Bezirk von Wien – unweit von Albertina, Oper und Hotel Sacher. Untergebracht in einem Jugendstilhaus, macht die Fassade im Erdgeschoss mit gefalteten Glaswänden, die an japanische Paravents erinnern, auf sich aufmerksam. Im Kontrast dazu ist die schwere dunkelbraune Eingangstür hermetisch abgeschlossen gestaltet. Lichtspiegelungen an der Decke des Windfangs erzeugen das Gefühl, übers Wasser zu schweben und in einen anderen Bereich überzutreten – den Gastraum. Hier wird man empfangen an einem organisch geformten Tresen im Camouflage-Look, darüber eine mit handgeschöpftem japanischen Papier bekleideten Decke.
Dasein
Das 280 Quadratmeter große Restaurant mit Platz für 112 Gäste ist räumlich dreigeteilt: Im vorderen, lichtdurchfluteten Teil befindet sich die Brasserie samt Sushi-Theke sowie eine Bar, die tagsüber als Café dient. Bei schönem Wetter wird dieser Bereich nach draußen erweitert um einen typischen Wiener Schanigarten mit fünfzig Sitzplätzen. Über einen L-förmigen Gang – vorbei am Weinlagerschrank und Chef’s Table, der als Sitznische mit direktem Blick in die Küche gestaltet ist – gelangt man in den Fine Dining-Bereich. Er verfügt im Unterschied zum vorderen Teil des Restaurants über nur wenige bodentiefe Fenster, die den Raum in ein schummriges Licht tauchen. Im Mittelpunkt des zweigeteilten Raums: ein schwarzer Flügel, der umrahmt wird von Tischen, gepolsterten Sesseln und Sofas. Die intime, sehr harmonische Stimmung wird neben der Lichtführung vor allem durch die gezielte Verwendung haptisch interessanter Materialien und Texturen erzeugt: Sofas und Sessel sind mit samtenen Stoffen in zurückhaltenden Natur- und Blautönen bezogen, die Wände aus handgestrichenen, begrünten Ziegelmauern mit effektvollen Schattenfugen mit einem feingliedrigen Bronzenetz belegt. Gelungen ist auch die Einbindung der (kunstvoll gestalteten) Natur in Form eines japanischen Gartens.
Über einen verspiegelten Treppengang gelangt man in den Toilettenbereich. Der ist weniger Nasszelle als luxuriöses, aber nicht plüschiges Boudoir. Komplett vertäfelt in Buchensperrholz, steht in der Mitte des großzügig bemessenen Raums eine in samtigem Orangerot bezogene Bank. In ihrer gediegenen Üppigkeit ist sie ein Kontrast zu den klaren Linien der Handwaschbecken. Ergänzt wird das luxuriöse Ensemble um Dusch-WCs von Toto, die – ganz nach japanischer Manier – über einen beheizbaren Toilettensitz verfügen. So viele hochwertige Details – verteilt über das gesamte Restaurant – haben ihren Preis: Mit rund drei Millionen Euro schlug der Umbau bei einer Gesamtnutzfläche von 518 Quadratmetern zu Buche.
Zuhause sein
Mittendrin und doch außerhalb der eigentlichen Welt – das ist das (innen-)architektonische Konzept vom Architekturbüro BEHF. Im Zentrum Wiens liegt das Shiki in einer Seitenstraße der quirligen Fußgängerzone Kärntner Straße, umgeben von Restaurants, Kaufhäusern, Nachtclubs. Betritt man das Restaurant, wähnt man sich in einer anderen Welt. Die stringente puristische Gestaltung mit wenigen, sinnlichen Materialien wie Mahagoniholz und bronzierten Messing, eine zurückhaltende Farbpalette, einfache geometrische Formen, hochwertige Möbel von Minotti, japanisches Kunsthandwerk wie Lack- und Papierarbeiten und die klare, übersichtliche Raumaufteilung schaffen ein Gefühl des Angekommenseins. Man möchte sich am liebsten hinsetzen, der klassischen Musik lauschen und sich bekochen lassen vom japanischen Chefkoch Takumi Murase, der für das Projekt Shiki eigens von Gstaad nach Wien gezogen ist. Oder einfach nur herausschauen auf die geharkten weißen Kieselsteine des japanischen Gartens.
FOTOGRAFIE Bruno Klomfar
Bruno Klomfar