Landschaft und Kunst
Ausstellung Solo Group Show im spanischen Hinterland

Kunst wohnt üblicherweise im Museum. Doch dessen räumlichen Grenzen können auch zu Grenzen für die Kunst werden. Im spanischen Matarraña haben zwei Galeristen auf die Galerie verzichtet – und Werke direkt in und für die Natur bauen lassen.
Rote Hügel, tannengrüne Sträucher und ein tiefblauer Himmel. Die Landschaft in der Region Matarraña ist einsam, wild und weitläufig. Auf einen Einwohner kommt ein Quadratkilometer Land und auch Touristen verschlägt es in diese Gegend ohne Küste eher selten. Seit 2011 gibt es neben dem einsamen Naturerleben einen kulturellen Grund für einen Besuch. Christian Bourdais und Eva Albarran haben mit Solo Houses eine Outdoor-Galerie gegründet, die Kunst „jenseits des weißen Würfels“ präsentiert. Heute streckt sich mitten in Aragonien ein grauer Schornstein nach der spanischen Sonne, ein lichtes Ziegellabyrinth versteckt sich im Grün und eine regelmässige Reihe von Betonkolossen erinnert an ein modernes Stonehenge. Surreale Architekturen in einer verlassenen Landschaft, die im Zusammenspiel eine geradezu postapokalyptische Wirkung haben.
Wandern wie in Mad Max
Erkundet werden kann die Ausstellung auf einem Rundwanderweg. Eine einfache, schwarz-weiße Karte erinnert dabei an die minimalistischen, kartierten Werksführer eines Museums und hilft unterwegs bei der Orientierung. Grafische Symbole kennzeichnen die einzelnen Kunststationen, entdecken muss der Besucher sie selber. Dabei begibt er sich in eine abenteuerliche Welt, die sich aus zwei Bekannten, der Kunst und der Landschaft, zu etwas Unbekannten zusammensetzt. Diesem Land haben Christian Bourdais und Eva Albarran einen eigenen Namen gegeben: Tendre. Ein Titel mit historischen Wurzeln. 1654 wurde in Frankreich von verschiedenen Autoren die Karte eines imaginären Landes namens „Zärtlichkeit“ gezeichnet, die den Weg zur und durch Liebe zeigt. Durch die Erwähnung in einem Roman von Madeleine de Scudéry wurde sie weltweit bekannt und ging sprichwörtlich in den Sprachgebrauch über. Statt zu Dörfern und Flüssen der Liebe führt dieser Trip im spanischen Tendre zu Skulpturen wie der Landmarke Melting Bodies des kolumbianischen Künstlers Iván Argote, die in ihrer Geste an die Hollywood-Lettern erinnert. Dann wieder tauchen verlassene Stelen in der Landschaft auf, wie der Betonmonolith des in Barcelona ansässigen Studios Barozzi Veiga. Und auch die anderen Sinne werden gefordert. Auf der Suche nach Animitas von Christian Boltanski gibt es wichtige Richtungsindizien mit jedem Windstoß. Denn der bringt 500 japanischen Glocken zum Klingen, die Teil der filigranen Installation sind.
Ein Freizeitpark mit Kulturauftrag
Das Gelände ist ein Projekt im Werden. Jedes Jahr kommen neue Gebäude, Skulpturen und Objekte hinzu, die dazu beitragen sollen, dass die Besucher Landschaft und Objekte über einen längeren Zeitraum kennenlernen. Als Kollaborateure in der Projektentwicklung haben sich Christian Bourdais und Eva Albarran deshalb auch Landschaftsplaner und Architekten ins Boot geholt. Der chilenische Architekt Smiljan Radic gestaltet gerade ein Hotel, das zum Entstehen einer dynamisch fluktuierenden „Solo-Gemeinde“ auf dem Gelände beitragen soll – und selbstverständlich auch zu einem Teil der architektonischen Inszenierung wird. So wie die fünfzehn als Villen, gestaltet von einer ganzen Garde junger Architekten, die größtenteils noch in der Planungsphase stecken, aber schon auf der Webseite der Solo Houses digital besucht werden können. Zwei kann man bereits mieten: das Solo Pezo, gestaltet von Maurizio Pezo and Sofia Von Ellrichshausen, und das Solo Office, entworfen vom Architekturstudio Office KGDVS. Der renommierte belgische Landschaftsarchitekt Bas Smets gestaltet Erlebniswege, die neue Blickwinkel auf die Objekte und ein intensiveres Erleben in und mit der Natur schaffen. Und die langfristige Konzept- und Strategieentwicklung liegt in den Händen des Kurators Hans Ulrich Obrist.
Urlaubsziel: Hinterland
Was die beiden Galeristen hier erschaffen und noch erschaffen wollen, ist ein ästhetisch umwerfendes Luxusresort für Architekturliebhaber. Es ist weit weg von dicht belagerten Stränden und Handtuch-Urlaubern, setzt auf Entschleunigung mit Aussicht und Einsicht. Sowohl die Villen als auch Skulpturen bieten Architektur als räumliches Erlebnis, bei dem die Natur und die Umgebung zu Elementen des Entwurfs werden. Denn was wäre eine Panoramafassade ohne die rote Sonne, die hinter dem Präriegras untergeht, wieviel weniger poetisch wäre die einsame Skulpturenpagode Deci ohne das stete Zirpen der Grillen und das sanfte Rauschen des Windes?
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