Mit jeder Faser Corbusier
Architekturklassiker, Produktdesignerin, Tuft-Roboter: Wie diese Schweizer Koproduktion Marseille bereichert.
Ohne ihn wäre Julie Bernards Idee lediglich eine Idee geblieben: In der Werkshalle der Schweizer Teppichmanufaktur Ruckstuhl in Langenthal steht ein computergesteuerter Tuft-Roboter, der digitale Datensätze in dichten Schurwollflor verwandeln kann – und das in einem Zug. Die Masterstudentin der Lausanner Hochschule Ecal hat den Roboter eine Karte von Marseille tuften lassen – der Teppich Atlas ist ihr Beitrag zur aktuellen Ausstellung im Appartement 50 in Le Corbusiers Unité.
„Bei solchen Projekten bin ich nicht der kühle Rechner, der fragt: Was bringt uns das?“, sagt Ruckstuhl-Geschäftsführer Peter Ruckstuhl. Und so sagte er gleich zu, als die Hochschule Ecal um Hilfe bat. „Ich freue mich, dass wir bei der Hommage an Le Corbusier dabei sein und unsere Kompetenzen zeigen können.“ Wie meistens bei Customizing-Projekten brachte auch Julie Bernard bereits eine konkrete Motividee mit, nämlich den Stadtplan von Marseille aus dem Jahr 1952, dem Jahr der Fertigstellung der Unité d’habitation. Deren Standort sollte besonders hervorgehoben werden. Die Feinheiten der Umsetzung wie Farben und Auflösung hat Bernard dann gemeinsam mit Ruckstuhl entwickelt. „Die Herausforderung war, dass die Karte tatsächlich lesbar sein musste“, erzählt Peter Ruckstuhl.
Der 160 mal 240 Zentimeter große Teppich aus reiner Schurwolle liegt nun im Wohnraum des doppelgeschossigen Appartement 50, umgeben von den Beiträgen der elf anderen, an der Ausstellung beteiligten Produktdesign-Studenten – ihre Aufgabe war es, Objekte für den täglichen Gebrauch in der Wohnung zu entwickeln. Eingeladen wurden sie von Jean-Marc Drut und Patrick Blauwart, die das Appartement vor einigen Jahren gekauft und denkmalgerecht saniert hatten. Seit 2008 öffnen sie ihre Räume jedes Jahr im Sommer für eine Designausstellung – unter anderem so illustre Persönlichkeiten wie Jasper Morrison, Konstantin Grcic und die Bouroullec-Brüder haben bereits die Originalausstattung mit eigenen Objekte ergänzt.
Die Zwölf von der Ecal
Die Zwölf von der Ecal haben zwar noch keine großen Namen, dafür hatten sie aber Zeit und Muße, im September 2014 den Alltag in der Unité zu studieren und daraus Konzepte zu entwickeln. Etwa für tragbare Möbel, Sitzkissen und eine Picknickbox für den Ausflug auf die berühmte Dachterrasse, für mobile Leuchten oder einen Ventilator, der die Luft im niedrigen Mezzaningeschoss auffrischt – insgesamt 20 Objekte sind zu sehen. Julie Bernards Teppich wiederum soll bei den häufigen Führungen in der Wohnung helfen, den Besuchern zu erklären, wie sich die Cité radieuse in den Fünfzigern in die städtische Umgebung einfügte. Doch Atlas hat einen doppelten Bezug zum Ort: Bernard hat sich für die Gestaltung bei Le Corbusiers Farbwelt bedient. Das lag auch insofern nahe, als dass Ruckstuhl selbst eine Kollektion in Corbusier-Farben anbietet. Atlas strahlt nun in Grau- und Blautönen, die sich sichtlich harmonisch in das Interieur einfügen.
Studentisches Startkapital
Es mag zum Gelingen beigetragen haben, dass man sich kennt: Ruckstuhl und die Ecal haben bereits mehrmals an gemeinsamen Projekten gearbeitet. Der Leiter des Musterstudiengangs Produktdesign, Thilo Alex Brunner, hat die Teppichmanufaktur als unkomplizierten Partner erlebt: „Das Interesse war durch den außergewöhnlichen Kontext schnell geweckt.“ Und in Langenthal hat man sich Zeit genommen, das Vorhaben mit Julie Bernard direkt in Produktion zu besprechen. Die Lausanner Hochschule tut sich regelmäßig mit solchen Kooperationen hervor, zuletzt gleich mehrfach zum diesjährigen Salon del Mobile. „Wir unterrichten sehr realitätsnah“, sagt Brunner. „Die Studierenden sollen sich in der Industrie zurechtfinden, wenn sie die Ecal mit dem Diplom in den Händen verlassen.“ So lernten sie gleich die harte Design-Realität kennen, andererseits ergebe sich aber immer wieder die Chance, dass die Studenten bereits das ein oder andere Produkt auf dem Markt hätten, wenn sie aus dem Studium kommen. „Das ist ein schönes Startkapital.“
Die Ausstellung Ecal/Appartement 50 mit dem Teppich Atlas von Julie Bernard ist noch bis zum 19. Juli 2015 im Appartement 50 in der Unité d’habitation in Marseille zu sehen.
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