Vom Mythos zur Marke
Ein Mini-Auto mit Maxi-Wirkung: der neue MINI Clubman.

Gelungen integriert sich der neue MINI Clubman in die Markenfamilie. Sein Auftritt ist von liebenswerter Größe, allein der frühere Mythos fehlt.
Der Klassenkampf geht in eine weitere Runde. Der MINI Clubman sei „reif für neue Eroberungen“. Der automobile Neuzugang nimmt nach eigenem Bekunden das „Premium-Kompaktsegment“ ins Visier, mit seiner „Ausnahmeerscheinung, die typisches MINI-Feeling für zusätzliche Zielgruppen erlebbar werden lässt.“ Aha. Für den jüngsten Spross der MINI-Modellfamilie wird mit reichlich Marketing-Kampfbegriffen um Aufmerksamkeit gerungen, Superlative üben den Staffellauf. Ignoriert man friedlich gestimmt das verbale Trommelfeuer, legt der MINI Clubman bei der Besichtigung einen versöhnlichen Auftritt hin. Lang ist er geworden, eine Spur eigenwilliger, äußerlich auf jeden Fall elegant. Fast möchte man sich wünschen, den ausgewachsenen Kleinwagen bevorzugt von hinten zu sehen, offenbart sich so doch dank der charakteristischen Doppeltür am Heck und der meisterhaft integrierten Schlussleuchten die schönste Ansicht.
Stylish in den Speckgürtel
Der Clubman ist ein Auto perfekt konzipiert hinein in die Markenwelt von MINI. Das Design mit klaren Linien, trotzdem schwungvoll und emotional, voll kompatibel zur trendigen Imagination eines urbanen Lifestyles. Der Clubman fühlt sich sichtbar wohl in postindustriellen Loft-Kulissen, die ein wenig „arty“, eine Spur „rough“ eine wunderbare Projektionsfläche für stylische Lebensträume anbieten. Mit den wachsenden Problemen der Mobilität wird hier nicht gerungen, Markenwelten sind ideal. Da darf es gerne auch ein bisschen mehr sein – mehr Länge (plus 27 Zentimeter im Vergleich zum 5-Türer), mehr Breite (plus 9 Zentimeter), mehr Radstand (plus 10 Zentimeter), mehr Motorvarianten (Benziner, Diesel, von 102 bis 190 PS) und mehr Ausstattungsdetails (fast alles, was das Herz begehrt). Mit dem umfangreichen Portfolio an Ausstattungsalternativen erscheint der Clubman so eher Speckgürtel-affin als Innenstadt-kompatibel, alltagstauglich ist er allemal.
Höher, schneller, weiblich
Die modische Vielfalt in der automobilen Kleinfamilie schadet der Konsistenz der Marke nicht, doch trifft die differenzierte Produktpalette auch die Vorstellungen des Marktes? Mit den Absatzzahlen der Marke für das Jahr 2014 – 302.183 Einheiten wurden verkauft – zeigen sich die MINI-Macher und der Mutterkonzern zufrieden. Und auch die Frauenquote stimmt. Mehr als 50 Prozent der Neuwagenkäufe gehen auf das Konto von Frauen. Davon träumen andere Marken mit Lifestyle-Anspruch, doch ein Grund zum Ausruhen sind die Zahlen nicht. Mit rund 45 Jahren ist das Alter der Käuferschaft erstaunlich hoch. Hier bricht die Realität offensichtlich mit dem Markenbild. Statt dem klaren Bekenntnis einer überwiegend jungen Klientel nutzen offenbar die Etablierten und Kaufkräftigen die Marke MINI zu einem persönlichen Revival.
Everybodys Darling
Das sah auch schon mal anders aus, als der klassische MINI noch fest in britischer Hand und Kult und Mythos war. Entstanden ist der Prototyp des modernen Kleinwagens in einer frühen Krisenzeit der Mobilität. 1956 sorgt die Suezkrise für Ölknappheit in Großbritannien, als Antwort mussten neue Fahrzeugkonzepte her. Der Legende nach entwarf Sir Alexander Arnold Constantine Issigonis, kurz Alec Issigonis, den Kleinwagen für Austin auf einer Serviette, mit quer liegendem Motor, kleinen 10-Zoll-Rädern, einer selbsttragenden Karosserie und großzügigen Fensterflächen.
Trotz innovativem Konzept und kostengünstigem Angebot blieben die Begeisterungsstürme der Öffentlichkeit zunächst aus. Erst mit den Jahren erarbeitete sich der MINI einen Kultstatus. Die Beatles gingen damit auf Magical Mystery Tour; Peter Sellers, Michael Caine, Bud Spencer und andere Stars setzten sich in zahlreichen Leinwanderfolgen hinter den Lenker eines MINI. Mit den Jahren avancierte der kleine Brite zum kultigen Underdog, auch zahlreiche internationale Erfolge in der Rennszene trugen zum Mythos MINI bei. Bekennende Autoschrauber und ölverschmierte Werkstattveteranen bekommen noch heute leuchtende Augen, wenn das Gespräch auf DEN MINI kommt.
Alte Liebe – neuer Kult?
Beim Verkauf der Markenrechte Anfang der 1990er Jahre an BMW verzweifelte dann die Mehrzahl der Puristen. Die aufgeplusterte Neuauflage der Fahrzeuge und die Marke waren weit weg vom rebellischen Lebensgefühl, dem sich der klassische MINI verbunden fühlte. Einst wurde er als cooles Automobilkonzept für Enthusiasten erlebt, ein Fahrzeug für das Establishment war der MINI nie. Seit der Übernahme der Namensrechte sucht die Markenwelt von MINI nun den Anschluss an den Mythos, der nicht von der Perfektion des Angebots sondern von den Ecken, Kanten und Sonderlichkeiten der einzelnen (Sonder-)Modelle gespeist wurde. Heißbegehrte Modellvarianten, die ihre Liebhaber oft jenseits der Marktforschung gefunden haben, denn planen lässt sich Mythos nicht.
Für die Markenwelt haben die Macher des neuen MINI Clubman alles richtig gemacht: Fahrzeugtechnik, die up to date ist – das Erscheinen einer Elektrovariante ist nur eine Frage der Zeit – und ein Design, bis in die Details perfektioniert. Fehlt nur der Zauber der unerwarteten Facette, der den MINI Clubman unwiderstehlich macht. Fast möchte man ihm noch unentdeckte, liebenswerte Macken wünschen, denn ganz ohne Potential für Kult und Mythos ist die Marke MINI auch heute nicht.
FOTOGRAFIE BMW Group
BMW Group
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