Menschen

Büro in Balance

Michal Blutrich und Karl Frederik Scholz von Kami Blusch im Gespräch

Was bleibt, was kommt nach der Pandemie? Wie wird sich unsere Arbeitswelt entwickeln und wie werden Arbeitsräume künftig aussehen – oder besser: sich anfühlen? Im Interview sprachen Michal Blutrich und Karl Frederik Scholz vom Berliner Studio Kami Blusch über fein kuratierte Büros.

von Nina C. Müller, 05.03.2021

Das letzte Jahr hat uns Arbeitsroutinen und -standards neu bewerten lassen. Viele werden es kaum erwarten können, aus dem sogenannten Homeoffice wieder in altbekannte räumliche und zeitliche Strukturen zurückkehren zu können. Andere werden die Annehmlichkeiten der Heimarbeit vermissen. Was wäre, wenn das Büro der Zukunft einfach die Vorteile beider Welten vereint? Das israelisch-deutsche Gestaltungsduo Michal Blutrich und Karl Frederik Scholz von Kami Blusch entwirft professionelle Arbeitsräume, die die Arbeit fast vergessen lassen. Hier erklären sie, wie das geht.

Wie kam es zur Gründung Eures Büros Kami Blusch?
Karl Frederik Scholz: Im Jahr 2013 ging ich nach Israel für ein Austauschjahr an der Bezal'el-Akademie für Kunst und Design in Jerusalem. Wir trafen uns bei einem Studienprojekt und beschlossen, gemeinsam daran zu arbeiten, wurden sehr gute Freunde und später ein Paar. Das war der Ausgangspunkt für unsere Zusammenarbeit. Wir studierten also beide Industriedesign und teilten berufliche, aber auch viele weitere Interessen. Spannend ist, dass es bei uns zwar viele Überschneidungen gibt, aber auch ebenso viele Unterschiede. Michal kommt aus Israel und bringt ihren kulturellen Hintergrund von dort mit, ich als Kölner hingegen meinen. Das führt zu zwei unterschiedlichen Blickweisen auf dieselben Ideen – wie zwei Muster, die am Anfang nicht überlappen und so immer wieder neue Formen, Konzepte oder Farben hervorbringen, wie zwei Puzzleteile oder wie das Yin-Yang-Symbol.

Der Name Eures Büros ist außergewöhnlich. Welche Bedeutung hat er?
Michal Blutrich: „Kami“ steht für Karl und Michal, „Blusch“ für Blutrich und Scholz. Er ist also eine Mischung unserer beider Vor- und Nachnamen. Wir dachten viel darüber nach und bevor wir zum ersten Mal in Mailand ausstellten, hatten wir ein langes Gespräch. Wir fanden, wir bräuchten eine Marke – und so kamen wir auf viele interessante, trendige und coole Worte, mit denen wir uns wirklich verbunden fühlten. Aber am Ende entschieden wir, dass der Name etwas sein muss, auf das wir uns langfristig beziehen können und das uns auch in vielen Jahren noch gefällt. Blutrich Scholz klang zu sehr nach einer Anwaltskanzlei. Es fehlte ein Gefühl von Geheimnis und Weichheit.

Das sind Eigenschaften, die auch in Euren aktuellen Interior-Projekten mitschwingen. Ihr arbeitet viel mit textilen Raumteilern und materiellen Kontrasten, was sogar Büroflächen Wohnlichkeit verleiht. Wie wählt Ihr Materialien aus?
Michal Blutrich: Hier wird die Metapher des Puzzles deutlich, über die wir zuvor sprachen. Wir wollen harte, kräftige Elemente nutzen und gleichzeitig sicherstellen, dass sie weich und gemütlich sind. Aber es geht auch viel um eine bestimmte Erfahrung, die die Menschen gemäß eines bestimmten Raums haben sollten. Das Gefühl an der Rezeption eines Hotels sollte ein anderes sein als in einem Büro. Mit Materialien bestimmen wir die DNA oder den Charakter des Raums.

Karl Frederik Scholz: Ich glaube aber, dass wir auch unabhängig von den jeweiligen Projekten bevorzugte Materialien, Interessen und Inspirationsquellen haben. Da ist immer eine Art Neugierde für Dinge, die wir ausprobieren wollen. Wir sehen unsere Arbeit als einen Spielplatz mit unterschiedlichen Möglichkeiten, Aktivitäten auszulösen. Darüberhinaus spiegelt sich natürlich auch das Branding von Unternehmen in Materialien und Farben wider. Und letztlich streben wir bei der Auswahl von Gestaltungsmitteln auch einen partizipatorischen Prozess mit unseren Kund*innen an. Natürlich muss er von uns kuratiert werden, um zu einer einheitlichen Sprache zu kommen. Aber wenn die Kund*innen die Räume betreten, sollen sie sagen können, dass wir die Dinge darin gemeinsam entschieden haben.

Was sollte nicht fehlen in einem Office Space?
Karl Frederik Scholz: Was uns wirklich wichtig ist, sind die Dinge, die nicht an die Arbeit erinnern, sprich: Elemente und Aktivitäten, die in erster Linie nichts mit dem formellen Büroumfeld zu tun haben. Ich denke, es muss immer eine gute Balance zwischen Wohlbefinden und Arbeit geben.

Ist das der Grund dafür, dass Ihr für die Gestaltung Eurer Büros gerne auf Kunst zurückgreift?
Michal Blutrich: Hier kommt es wirklich auf die Kund*innen und die Budgets an, weil echte Kunst nun mal etwas kostet. Auftraggeber*innen müssen also einen Wert darin sehen. Wir aber glauben an die Integration von vor allem lokalen Künstler*innen, die je nach Standort des Projekts variieren. Kunst ist lebendig. Genauso wie wir oft auf Pflanzen zurückgreifen, integrieren wir gerne Kunst. Sie kann eine erstaunliche Ergänzung des Raums sein, egal, ob es sich um eine Lichtinstallation, eine Skulptur oder eine Leinwand handelt.

Wie stellt Ihr Euch das Büro der Zukunft vor?
Michal Blutrich: Ich denke, dass Mehrzweckräume vielleicht sogar noch flexibler werden als bisher. Vor allem, wenn sie zu unterschiedlichen Zeiten oder bei wechselnden Bedürfnissen, für mehr oder für weniger Nutzung gebraucht werden. Es ist wichtig, Immobilien auf ihre produktivste Art und zum Vorteil aller zu nutzen. Vorhänge, Schiebetüren oder andere Formen von Raumteilern werden kommen, um Flächen in einem noch weiteren Sinn als bisher nutzbar zu machen.

Karl Frederik Scholz: Aktuell ist die Situation ja so, dass wir entweder gar nicht ins Büro gehen oder mit viel Distanz voneinander entfernt sitzen. Dies ist hoffentlich nur eine vorübergehende Lösung. Ich denke, was den Menschen fehlt und was sie dringend brauchen werden, ist neben der Arbeit auch die soziale Begegnung. Sie ist doch im Grunde der Ausdruck von Wohlbefinden, von Teamarbeit und Identität. Dafür sollte es Platz in Büros geben. Selbstverständlich haben Büroräume die Funktion, konzentriertes Arbeiten und individuelle Strukturen zu ermöglichen, aber der Arbeitsplatz muss – meiner Meinung nach – mehr als sozialer Treffpunkt gesehen werden. Diese verschiedenen Anforderungen sollten in eine fein austarierte Balance gebracht werden.

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