Grüne Arbeitswelten
Ein Gespräch mit der „Greenterior“-Designerin Miriam Köpf

Mit ihrem Studio Phyllis hat sich die Stuttgarter „Greenterior“-Designerin Miriam Köpf auf die Planung von Pflanzen in Büros spezialisiert. Im Interview schildert sie, wie Grünpflanzen den Büroalltag bereichern und wie eine gute Planung gelingt.
Vieles spricht dafür, dass es sich in grünen Umgebungen besser arbeitet. Das hat Miriam Köpf früh erkannt. Der Nebenjob an einem Blumenstand legte den Grundstein für ihre Liebe zur Botanik. Mit der Gründung ihres Studios Phyllis im Jahre 2015 spezialisierte sie sich auf die Planung von Pflanzen in Büros. In ihrem Buch Plants at Work: An inspirational guide to greenterior design, erschienen bei Avedition, teilt sie ihr Wissen und zeigt beispielhafte Projekte wie die Gestaltung eines grünen Besprechungsraums für die IT-Firma Vector.
Zum Zoom-Interview lädt die Designerin stilecht in ihren Garten ein. Vor einer efeuberankten Wand erklärt sie, wie eine gute Planung mit Pflanzen abläuft, wie sich die Pflege handhaben lässt und was es mit dem sprichwörtlichen „grünen Daumen“ auf sich hat.
Büropflanzen haben ja einen eher traurigen Ruf. Was läuft da schief?
Wer die Pflanzen pflegt, ist ein ganz wichtiges Thema. Ich spreche es gleich zu Beginn des Projekts mit meinen Kund*innen an. Einige Firmen haben Mitarbeitende oder jemanden aus dem Facility Management, der die Pflege übernimmt. Anderen empfehle ich den Pflegedienst einer Gärtnerei. Sie kümmert sich um regelmäßiges Gießen, Düngen, Umtopfen und entfernt vertrocknete Blätter. Bei von der Decke hängenden Gewächsen sollte sichergestellt sein, dass jemand zum Gießen mit der Leiter hochklettert oder sie sich abseilen lassen. Wenn man irgendwo gar nicht hinkommt, nehme ich auch mal punktuell Kunstpflanzen. Aus der Entfernung sieht man den Unterschied kaum. In 90 Prozent meiner Projekte arbeite ich mit Hydrokulturen in Blähton, die das Wasser lange speichern. Auf automatisierte Bewässerungssysteme verzichte ich hingegen, allein schon deshalb, weil sie meist sehr hochpreisig sind. Und bezüglich des traurigen Rufes: Ich selbst versuche, mit individuellen Pflanzenkonzepten und passenden Gefäßen zeitgemäß zu gestalten.
Was ist die Motivation der Bauherrschaft, sich Pflanzen ins Büro zu holen?
Oft geht der Wunsch von den Mitarbeitenden aus. Wie auch im privaten Bereich spielen Zimmerpflanzen in Büros eine zunehmend wichtige Rolle. Hinzu kommen Studien, die besagen, dass sie die Konzentration steigern. Sie schaffen ein gesundes Raumklima und dämpfen den Schall. Wobei das für mich nicht an erster Stelle steht. Vor allem bringen sie Schönheit und Natürlichkeit in die Räume. Nach der Corona-Pandemie geben sich viele Arbeitgeber*innen besondere Mühe, die Räume attraktiv zu gestalten, damit die Leute wieder gerne ins Büro kommen. Pflanzen sind da ein wichtiges Mittel, sie werten Büroräume auf.
Worin besteht der Unterschied zwischen einer Planung mit Pflanzen und einfacher Dekoration?
Die Planung mit Pflanzen beginnt im Idealfall ganz früh in Kooperation mit den Architekt*innen oder Innenarchitekt*innen, wenn der Grundriss noch leer ist. So ist sichergestellt, dass es ausreichend Platz gibt. Eine frühe Planung kann Sichtachsen und Wege berücksichtigen. Auch bauliche Maßnahmen sind dann noch möglich, zum Beispiel für eine Deckenhängung und eine entsprechende Lichtplanung. Selbst in dunklen Räumen braucht man heute keine Pflanzenlampen mehr. Schlichte LED-Tageslichtstrahler, die an Deckenschienen in vielen Büros zum Einsatz kommen, können Bereiche ohne Tageslicht aufhellen. Im Gegensatz zur Planung erfolgt die Dekoration, wenn alles fertig ist und jemandem auffällt: „Oh Mist, wir haben die Pflanzen vergessen. Jetzt stellen wir an jeden Arbeitsplatz einfach einen kleinen Blumentopf.“
Wie gut lassen sich Pflanzen überhaupt planen?
Ich versuche, so gut es geht, das Wachstum der Pflanze und die Dimensionen einzuplanen. Einige Pflanzen erreichen nur eine bestimmte Größe, da versuche ich, ausgewachsene Exemplare zu nutzen. Denn der Raum sollte schon am Anfang üppig wirken. Bei einem Rankgitter, das langsam zuwuchern soll, sind die Pflanzen im Anfangsstadium noch etwas kleiner. Das kommuniziere ich sehr klar gegenüber den Bauherr*innen.
Sind Blüten oder gar Früchte eher hinderlich?
Es gibt einige Pflanzen wie Anthurien, die mit ihren Blüten schöne Akzente setzen. Von Orchideen würde ich eher abraten, weil sie nicht das ganze Jahr über blühen und dazwischen auch nicht so schön aussehen – aber da richte ich mich nach dem Geschmack der Bauherr*innen. Mit verschiedenen Grüntönen und unterschiedlichen Blattformen lässt sich auch sehr nuanciert gestalten. Bei Pflanzen, die über Kopf wachsen, achte ich darauf, dass auch die Unterseite schön aussieht und möglicherweise eine besondere Blattfarbe hat.
Gestalten Sie Ihre Pflanzgefäße selbst?
Fast immer. Entweder wähle ich eine Sonderlackierung von bestehenden Gefäßen oder ich lasse sie bauen und gegebenenfalls auf die Einbauten abstimmen. Manchmal arbeite ich auch mit Einzelstücken von Keramikkünstler*innen.
Viele Möbelhersteller integrieren ja inzwischen Pflanzgefäße in ihre Möbel.
Tatsächlich verwende ich momentan zum ersten Mal ein bepflanzbares Regal von USM Haller. Da auch der Rest des Büros mit diesem System ausgestattet ist, wirkt es letztlich wie aus einem Guss.
Woher bekommen Sie Ihre Inspirationen?
Egal in welcher Stadt ich bin, besuche ich den Botanischen Garten. Viele Ideen finde ich aber auch über Instagram, wo es eine coole internationale Community gibt und Gestalter*innen, die mit Pflanzen arbeiten. In Gärtnereien entdecke ich fast immer etwas Neues, auch wenn ich dort schon zwanzig Mal war.
Was waren Ihre letzten Neuentdeckungen?
Mir ist zuletzt ein wilder Wein für den Innenraum ins Auge gefallen mit relativ großen, hellgrünen Blättern, der sehr schnell rankt. Auch eine neue Züchtung kleiner Strelitzien habe ich entdeckt, die vielleicht an Orten stehen könnte, wo nicht so viel Platz ist.
Was meinen Sie: Gibt es einen „grünen Daumen“?
Ich glaube, ob Pflanzen gedeihen, hat viel damit zu tun, wie sehr man sich für sie interessiert. Wenn ich sehe, dass etwas nicht in Ordnung ist, kann ich entsprechend gegensteuern und sie im Zweifelsfall noch retten. Es wäre also eher ein „grünes Auge“.
Phyllis
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