Luca Nichetto
Luca Nichetto ist weit gekommen. Als wir ihn vor drei Jahren in seinem Studio in Venedig-Mestre besuchten, umgab ihn noch der Charme eines aufstrebenden Nachwuchsdesigners. Seitdem ist viel passiert: Er entwarf kissenartige Sofas für Cassina, insektenartige Stühle für Offecct oder filigrane Glasarbeiten für die Galerie Pascale in Stockholm. In der schwedischen Hauptstadt eröffnete der 36-jährige Venezianer 2011 ein zweites Studio und pendelt seitdem zwischen Italien und Skandinavien. Wir trafen Luca Nichetto in Köln und sprachen mit ihm über grünes Wohnen, Kräftemessen mit alten Meistern und die Farben Canalettos.
Herr Nichetto, auf der Kölner Möbelmesse imm cologne haben Sie mit „Das Haus“ Ihre Vorstellung eines idealen Wohnhauses umgesetzt. Erklären Sie uns, wie es sich darin wohnt.
Meine Idee war, dass das Wohnzimmer ganz klar im Mittelpunkt des Hauses steht. Es liegt genau in der Überschneidung zweier großer Volumina und funktioniert mit seinen vielen Planzen wie eine grüne Lunge. Wir haben sehr viele Modelle angefertigt, um die Proportionen, Perspektiven und Lichteinfälle genau zu verstehen. Die Planzen haben auch bei der Aufteilung der Räume eine wichtige Rolle gespielt. Anstelle von starren und geschlossenen Wänden sind die Übergänge nun fließend. Der Wohnraum ist ein Open Space mit grünen Filtern.
Sie sprachen zwei Volumina an, die sich im Wohnraum überschneiden. Wie haben Sie Aufteilung der einzelnen Räume organisiert?
Die Raumaufteilung basiert auf einer zeitlichen Trennung. Das eine Volumen verbindet das Wohnzimmer mit der Küche und der Loggia. Das sind für mich die Orte, die vor allem am Tag genutzt werden. Das andere Volumen bildet eine Achse aus Schlafzimmer, Wohnzimmer und einem dritten Raum, der zur Entspannung dient. Das sind die Bereiche, an denen man mehr Zeit am Abend verbringt. Die vier Ecken des Hauses sind spezifischeren Funktionen zugeordnet wie das Badezimmer, das Büro, die Bibliothek und der Gemüsegarten. Es war mir wichtig, den Eindruck zu erzeugen, dass man wirklich in diesem Haus wohnen kann. Wenn sich die Bewohner des Hauses um die Planzen kümmern, erhalten sie einen mehrfachen Nutzen. Schließlich reinigen die Planzen nicht nur die Luft, sondern steuern auch das Gemüse zum Kochen bei. In gewisser Weise wollte ich die Slow-Food-Idee in ein Wohnhaus übersetzen.
Wie sind Sie bei der Einrichtung vorgegangen, bei der Sie auch auf Arbeiten anderer Designer sowie einige Klassiker gesetzt haben?
Ich wollte verhindern, dass das Haus zum Schluss wie ein Luca-Nichetto-Showroom aussieht. Es sollte etwas Interessanteres werden. Also habe ich meine Entwürfe mit denen von Kollegen, Freunden und alten Meistern wie Franco Albini oder Vico Magistretti gemischt. Für mich war das auch die Möglichkeit zu sehen, wie meine Sachen neben diesen Entwürfen funktionieren und umgekehrt. Es kommt selten ja vor, dass man ein ganzes Haus frei bestücken kann.
Interessant sind auch die Farben der Wände, Decken oder Fußböden, die nie weiß sind. Stattdessen haben Sie auf eine Mischung heller Grautöne und warmer Pastellfarben setzt.
Die farbigen Wände geben den Räumen einen deutlich wärmeren Charakter. Ein reines Weiß wäre zu kalt und würde keine wohnliche Atmosphäre erzeugen. Das Haus würde automatisch wie ein Showroom aussehen. Dasselbe gilt für schwarze Wände. Das Haus, das Doshi Levien im letzten Jahr in Köln gezeigt haben, war sehr schön. Aber es wirkte meiner Meinung nach wie ein Showroom, weil die Wände viel zu dunkel waren. Als Vorbild für meine Farben habe ich die Palette des venezianischen Malers Canaletto genommen und so die einzelnen Räume aufeinander abgestimmt.
Auch auf geschlossene Wände haben Sie verzichtet. Anstelle von Mauerwerk oder Beton haben sie seitlich verdrehte Lamellen verwendet. Während die Außenseiten verglast wurden, dienen die Innenseiten als Regale für weitere Zimmerpflanzen. Was war die Idee dahinter?
Ich wollte eine engere Beziehung zwischen Innen und Außen erzeugen. Wenn man von der einen Seite auf die Wände schaut, kann man erkennen, was sich im Inneren des Hauses befindet. Von der anderen Seite aus wirken die Wände verschlossen. Ich denke, dass Außen- und Innenwirkung in der Architektur noch immer viel zu selten zusammen kommen. Es gibt so viele Häuser mit schönen Fassaden, die im Inneren das reinste Grauen sind. Darum wollte ich das Haus von Innen nach außen denken und beides verbinden. Auf die Fassadenlamellen habe ich ein Muster gedruckt, das meine Möbel in der Natur zeigt. Dasselbe Muster findet sich Innen zum Beispiel auf dem Teppich im Schlafzimmer wieder.
Die filigrane Bauweise und der fließende Übergang zwischen Innen und Außen lässt unweigerlich an das Case Study House-Programm im Kalifornien der 40er und 50er Jahre denken. Inwieweit haben Sie sich darauf berufen?
Ich habe natürlich viele Einflüsse aus der Moderne aufgenommen, die ich auf eine heutige Weise interpretieren wollte. Nicht nur die kalifornischen Architekten waren wichtig, sondern ebenso Gio Ponti und einige zeitgenössische Architekten aus Japan wie Sou Fujimoto. Dennoch glaube ich, dass in der Mischung aus Raum und Möbeln etwas Eigenes entstanden ist. Mir haben schon mehrere Leute gesagt, dass sie nicht wüssten, in welche Zeit sie dieses Haus einordnen sollten. Das habe ich als Kompliment gesehen. (lacht)
Einige der ausgestellten Möbel haben Sie als Premieren mit nach Köln gebracht. Um welche Arbeiten handelt es sich?
Wir haben die Schrankkollektion Toshi vorgestellt, die von Casamania produziert wird. Als Inspiration dienten die mosaikartigen Fassadenverkleidungen der Gebäude in Tokio. Die einzelnen Kuben verfügen über unterschiedliche Farben und Texturen, die aufeinander abgestimmt sind. Auch haben wir den Clubsessel Hai präsentiert, dessen Rückenlehne nach unten in den Sitz geklappt werden kann. Damit können die Lieferkosten halbiert werden. Für den Hersteller, die finnische Möbelfirma One Nordic, war das ein sehr wichtiges Kriterium, weil sie ihre Möbel ausschließlich über das Internet verkauft. Neu ist auch der Teppich Regata Storica für Nodus, dessen Muster an die historische Regatta von Venedig angelehnt ist. Einmal im Jahr starten die farbig bemalten Gondeln am Hauptquartier der Biennale und fahren durch den Canal Grande bis zur Ca‘ d‘Oro. Der Teppich zeigt, wie die Boote aus der Vogelperspektive beim Start nebeneinander im Wasser liegen.
Sie leben und arbeiten zwischen Venedig und Stockholm. In welcher Stadt sind häufiger anzutreffen?
Ich bin im Moment ungefähr zweieinhalb Wochen im Monat in Stockholm und anderthalb Wochen in Venedig. Es hängt natürlich davon ab, wo gerade mehr Arbeit ansteht. Aber mein Plan ist, in Zukunft häufiger in Skandinavien zu sein, weil ich mehr Zeit mit meiner Freundin verbringen möchte. Sie wohnt in Stockholm. Wir werden sehen, ob es klappt. Der Wechsel zwischen Italien und Schweden ist natürlich fantastisch. Es sind zwei sehr unterschiedliche Länder mit unterschiedlichen Kulturen, die aber beide das Design mögen. Darum ist diese Mischung perfekt. Mein Studio in Venedig werde ich auch weiterhin behalten. Ich habe die Räume vor ein paar Jahren gekauft. Da komme ich gar nicht mehr heraus. (lacht)
Vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Beiträge zur Kölner Möbelmesse imm cologne 2013 finden Sie in unserem Special.
FOTOGRAFIE Constantin Meyer
Constantin Meyer
Links