Krumbachs schräge Wartehüsle
Sieben Weltklasse-Architekten entwarfen neue Buswartehäuschen mit Naturbezug.
Weltklasse-Architektur kombiniert mit regionalem Handwerk: Im Vorarlberger Ort Krumbach haben sieben internationale Architekturbüros sieben höchst ausgefallene Bushaltestellen gebaut. Doch nicht nur die rund eintausend Bewohner der Gemeinde sollen sich daran freuen. Architekturliebhaber aus aller Welt sind eingeladen, hier ein-, aus- oder umzusteigen. Anfang Mai wurden die Wartehüsle eingeweiht.
Abfahrt Bahnhof Bregenz. Etwa 45 Minuten lang geht es mit der Postbuslinie 25 von der Südspitze des Bodensees aus der aufsteigenden Sonne entgegen, ehe man die kleine Gemeinde Krumbach erreicht. Hier und da verstreut liegen Wohnhäuser, Bauernhöfe, Wirtshäuser. Ringsum zeichnen Wald, Wiesen und Felder das Bild eines Vorarlberger Landidylls. Und doch, so ganz traditionell wie es klingt, soll es hier nicht sein. Sieben internationale Architekturbüros lud der Verein Kultur Krumbach im vergangenen Jahr ein, in seiner Gemeinde eben so viele neue Bushaltestellenhäuschen von weltoffener Gestalt zu errichten. Ihnen zur Seite standen dabei jeweils ein regionales Architekturbüro sowie zwanzig lokale Handwerksbetriebe.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Denn es beweist, dass die üblicherweise schmucklose Gestalt solcher Nutzbauten auf sehr abwechslungsreiche Art überdacht und mit deutlichem Mehrwert versehen werden kann. Wenngleich sie ihrem eigentlichen Zweck nach mehr als Orte der Abreise, denn der Ankunft dienen, so haben diese neuen Unterstände durchaus Potenzial, Pilgerorte für Architekturliebhaber zu werden. Ohnehin ist die Region im Westen Österreichs längst für ihre zeitgemäße Baukultur und die Pflege traditioneller Handwerkskunst bekannt.
Erste Annäherung
Zum Auftakt des Projektes BUS:STOP Krumbach reisten Anfang 2013 die Architekten Alexander Brodsky aus Russland, Rintala Eggertsson Architects aus Norwegen, Architecten de Vylder Vinck Taillieu aus Belgien, Antón García-Abril und Débora Mesa von Ensamble Studio aus Spanien, Smiljan Radic aus Chile, Wang Shu und Lu Wenyu von Amateur Architecture Studio aus China sowie Sou Fujimoto aus Japan in den Vorarlberger Ort, um sich ein erstes Bild von der Umgebung, ihrer traditionellen Baukunst und den üblichen Baumaterialien zu machen. Ihr erklärtes Ziel und einzige Vorgabe war es dabei, sich einzulassen auf die Kooperation mit dem regionalen Handwerk. „Innovative Ideen entstehen im Austausch und der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen. Für unsere Region suchen wir neue Sichtweisen“, so Krumbachs Bürgermeister Arnold Hirschbühl zu Beginn des Projektes. Bereits im Frühsommer 2013 lagen die ersten Entwürfe vor. Präsentiert wurden sieben sehr unterschiedliche Ansätze für die sieben verschiedenen Standorte.
Haltestelle Zwing
Bei der Ankunft in Krumbach begegnet man dem zuerst fertiggestellten Wartehäuschen an der Busstation Zwing. Nicht weit von der Bauart einer typischen Haltestelle entfernt, hat hier Smiljan Radic aus Chile den Bezug zur Bregenzerwälder Stube gesucht. Eine Box aus Glas, eine Kassettendecke aus schwarzem Beton und innen drei Holzstühle, wie man sie aus den Stuben der Bauernhöfe kennt. Der Blick nach außen wendet sich unweigerlich dem angrenzenden Nadelwald zu, während der Blick von außen besonders aufs schräg geschnittene Vogelhaus am Dach des reduzierten Pavillons fällt. Sein Partner bei der Umsetzung war das Büro Bernardo Bader Architekten aus Dornbirn.
Unterkrumbach Süd
Das belgische Büro dvvt – Jan De Vylder, Inge Vinck und Jo Taillieu nutzte seine Heimreise vom Salone del Mobile 2013 für einen Zwischenstop im Vorarlberger Ort. Eine spitzwinkelige Plattenformation – ein wenig einer ums Eck aufgestellten Zeltplane gleich – bildet die Hülle ihrer abstrakt gehaltenen Busstation Unterkrumbach Süd, die der Architekt Thomas Mennel von MeMux aus Schwarzenberg für sie umgesetzt hat.
Unterkrumbach Nord
Gleich gegenüber steht die Haltestelle Unterkrumbach Nord, entworfen von Antón García-Abril und Débora Mesa des spanischen Ensamble Studios. Und sofort wird klar, dass der Besuch des Sägewerks sie zur Form des Gebäudes inspiriert haben muss. Unbehandeltes, in lange Scheiben geschnittenes Eichenholz stapeln sie wie in den Trockenlagern der Holzwerkstätten zur einer Höhle auf quadratischer Grundform. Die Seite zur Straße halten sie offen. An der Rückseite befindet sich ein kleines Fensterloch und auch zwischen den Spalten ergeben sich immer wieder spielerische Ausblicke auf die angrenzende Landschaft. Ihren Entwurf umgesetzt haben Dietrich|Untertrifaller Architekten aus Bregenz und Wien.
Haltestelle Bränden
An der südlichen Ortsausfahrt begegnet man dem markantesten Bau der BUS:STOPs. Sou Fujimoto geht dabei vielleicht nicht gerade auf die Möglichkeit von Regenwetter ein, wohl aber auf die stets gute Aussicht und die Beobachtung vorbeieilender Waldbewohner. Den Wald selbst sollen seine dicht angeordneten, weißen Stahlstangen nicht nur nachformen, sondern einen Dialog eingehen mit der umliegenden Natur. Über eine gewundene Treppe gelangt man in die Krone seiner Haltestelle und hat von da aus einen besonderen Ausblick auf Ort und Umland. Die Partner des Japaners bei der Realisierung waren Bechter Zaffignani Architekten aus Bregenz.
Oberkrumbach
Ein paar hundert Meter zurück und noch mal in Krumbachs westlichen Teil, begegnet man dem Entwurf des russischen Architekten Alexander Brodsky. Einen simplen und doch in der Form besonders proportionierten Turm setzt er ins Tal zwischen mehrere von Einfamilienhäusern besiedelte Hügel. Zu allen Seiten ist der Turm geöffnet und gibt mit seinen kleinen Fenstern im oberen Teil den Anschein eines zweiten Stockwerkes. Dank Bank und Tisch im Inneren bietet er die Gelegenheit einer gemütlichen, aber nicht unbedingt windgeschützten Rast. Hugo Dworzak von der Architekturwerkstatt Lustenau half dem Russen bei der Umsetzung der – wie dieser es nennt – „typischen Krumbacher Bushaltestelle“.
Kressbad am Tennisplatz
Tatsächlich über zwei Etagen erstreckt sich das Wartehäuschen der Norweger Sami Rintala, Dagur Eggertsson und Vibeke Jenssen. Ihre Station Kressbad befindet sich direkt am Tennisplatz des Ortes. Damit bot es sich an, ihr Gebäude im Erdgeschoss zur Straße hin und im Obergeschoss zum Spielfeld hin zu öffnen und dem ganzen einen sozialen Zweitnutzen zu geben. Während der Bus in einem Dorf wie Krumbach eben nicht im Zehnminutentakt eintrifft, lassen sich in der Zwischenzeit vielleicht ein paar Matchbälle beobachten. Das zweite Stockwerk haben die Architekten wie einen gespiegelten Bau auf die Kante des unteren nach hinten verschoben. Man erreicht es über einen zur Rückseite parallel verlaufenden Treppenaufgang. Bei der Realisierung des mit Holzschindeln verkleideten Baus standen ihnen die Architekten von Baumschlager Hutter Partners aus Dornbirn zur Seite.
Haltestelle Glatzegg
An der westlichen Ortausfahrt schließlich gelingt den chinesischen Architekten Wang Shu und Lu Wenyu, die Natur in besonderer Art zu rahmen. Ihr überdachter Holzbau am Glatzegg läuft zur Rückseite schmal zusammen und konzentriert so den Blick auf das tiefer liegende Umland. Fast skulptural wirkt die Anordnung des schief aufgesetzten Daches und die verspielten Details seiner Konstruktion. Architekt Hermann Kaufmann aus Schwarzach war ihr Partner vor Ort.
Noch bis zum 2. August gibt das Vorarlberger Architekturinstitut in Dornbirn einen Einblick in den Entstehungsprozess des Projektes sowie in die Kulturlandschaft des Bregenzerwaldes. Zudem wird die Ausstellung BUS:STOP Krumbach vom 17. September bis 6. Oktober im Architekturzentrum Wien gezeigt.
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FOTOGRAFIE Adolf Bereuter
Adolf Bereuter