Architektur ohne Zusatzstoffe
Vorne historisch, hinten zeitgenössisch: Wie das Haus eines Winzers den Wein inszeniert.
Partner: Dornbracht
Kaum mehr als 200 Häuser hat der kleine niederösterreichische Ort Feuersbrunn. Als Hort alter Winzertradition in malerischer Landschaft gilt er jedoch als beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Ein ehemaliger Weinkeller in der historischen Kellergasse sollte zum Repräsentationsort eines Winzers werden. Der Umbau stand ganz im Zeichen des Weines.
Ein Jahr dauerte die Umbau-, Renovierungs- und Erweiterungsphase des Stroblkellers, einem ehemaligen Weinkeller. Trotz des verhältnismäßig kleinen Baugrundes verwandelten das Architekturbüro Destilat und das Designduo March Gut das Haus in ein optimal ausgenutztes Gebäude mit 250 Quadratmetern repräsentativer Fläche. Dabei wurden vier Geschosse mit unterschiedlichen Funktionen geschaffen: Während der Keller und das Erdgeschoss der Lagerung, Schau und Verkostung des Weins gewidmet sind, dienen die oberen Etagen als Essbereich und temporärer Schlafraum.
Die Natur als Vorbild
„Uns war wichtig, die historischen Strukturen zu erhalten und das Erscheinungsbild der Kellergasse an sich nicht zu verändern", so der Bauherr Clemens Strobl. „Andererseits wollten wir die Nutzfläche vergrößern und die Wohnfläche zum Weingarten hin öffnen – sozusagen die Natur ins Haus holen.“ Das ist dem Architekturbüro gelungen: Aufgrund des Ensembleschutzes der Kellergasse – immerhin die längste in ganz Österreich – wurde die straßenseitige Fassade in ihren Originalzustand versetzt. Auf der Rückseite hingegen hatte der leitende Architekt Wolfgang Wimmer freies Spiel: Ausgerichtet zum Garten und den Weinbergen, gab er ihr ein gänzlich unerwartetes, zeitgenössisches Gesicht. Inspiriert von der Topografie der angrenzenden Weingärten, dominieren hier große Flächen und eckige Kanten. Außerdem integrierte er eine großzügige Fensterfront. Mit den kleinen Fenstern nach vorne relativ geschlossen, öffnet sich das Gebäude nach hinten und bietet eine fantastische Sicht auf die Natur.
Ort mit Geschichte
Ähnlich kontrastreich arbeiteten auch die Designer, Christoph March und Marek Gut, mit den unterschiedlichen Ebenen innerhalb des Hauses: Sie legten die historischen Gebäudeteile des ehemaligen Weinkellers frei und erhielten so die alten Steine und hölzernen Flügeltüren. Dazu addierten sie Einbauten aus Holz und Leuchten aus Kupfer. „Eine Kombination, die auch im Erdreich vorkommt“, kommentiert das Duo, das den Räumen auf diese Weise etwas Erdbezogenes, Rustikales, gar Archaisches verleiht. Licht- und schallgedämpft, können sich Besucher nun ungestört dem Genuss von Strobls Weinen hingeben. Ganz im Gegensatz zu den abgeschiedenen unteren Räumen strahlen die oberen Geschosse mit der funktionalen Möblierung, den glatten Flächen und den hellen Räumen eine zeitgenössische Leichtigkeit aus. Dafür wählten die Designer beispielsweise das Sofa Tufty Time von Patricia Urquiola für B&B Italia. Etliche Möbelstücke stammen aber auch aus ihrer eigenen Feder, darunter der Esstisch 08 aus geschwartetem Ahornholz und die Eichenstühle Hockn.
Stimmige Kompostion
Die Nasszellen tauchten die österreichischen Designer in ein frisches Grün und statteten sie mit der Armaturenserie Tara in Weiß von Dornbracht aus. Hier soll nichts ablenken. Die Körperpflege steht im Mittelpunkt. „Wie bei einem geruchsneutralen Pflegeprodukt ohne Zusatzstoffe“, so March und Gut. Ähnlich reduziert fallen auch die Schlafplätze des Hauses aus. Eingelassen im Boden, werden sie erst sichtbar, wenn man sie braucht. Ansonsten verschwindet das Bett wieder unter einer bündig abschließenden Klappe.
Stimmungsvoll beleuchtet
Dank der auf ein Minimum reduzierten Innenraumgestaltung treten die natürlichen Materialien und das Farbkonzept der Einrichter in den Vordergrund. Sorgsam komponiert, sollen sie auf die Thematik des Weinbaus verweisen. Gleichzeitig betont das aber auch die stimmungsvolle Belichtung im gesamten Gebäude, die teilweise durch eine indirekte Beleuchtung entsteht. Oft gruppieren March Gut kleine Leuchten und setzen so gezielt Akzente.
Bewusster Stilbruch
Wimmer wagte ein Experiment, als er der alten Fassade eine eckige Freiform anbaute, doch der bewusste Stilbruch funktioniert: Der zeitgenössische Anbau mit dem offenen Feuer, den einfachen Materialien und den natürlichen Farben verbindet auf elegante Weise nicht nur den Innen- mit dem Außenraum, sondern auch die Tradition mit dem Experiment.
FOTOGRAFIE Monika Nguyen, Mark Sengstbratl
Monika Nguyen, Mark Sengstbratl
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