Bavaria Green
Lounge im Sixties Look: Umbau des Bayerischen Hofs von Jouin Manku.
Brez’n, Weißwurst, Bier und Obazda. Im Bayerischen Hof werden diese deftigen Speisen auch zum Frühstück serviert. So weit, so erwartbar. Ganz und gar nicht weiß-blau ist dagegen das neue Interior des Frühstücksaals. Für das legendäre Münchner Grand Hotel hat das französische Designbüro Jouin Manku das komplette sechste Obergeschoss neu gestaltet, inklusive Showküche und Lounge im Sixties Look. Aber ganz ohne bayrische Anspielungen kamen auch die Gestalter aus Paris nicht aus.
Der Bayerische Hof gehört zum Bild von München wie Marienplatz, Frauenkirche und Viktualienmarkt. Das imposante Haus am Promenadeplatz wird seit 1841 als Hotel genutzt und atmet Tradition in allen Winkeln. Gleichzeitig zeigt es sich überraschend zeitgenössisch – wie die gerade wiedereröffnete, komplett umgebaute Dachetage zeigt.
Über den Dächern von München
Hoteldirektorin Innegrit Volkhardt hat ein Faible für gute Architektur. Sie beauftragte schon die französische Designerin Andrée Putman mit der Gestaltung des Spas und Axel Vervoordt mit dem Umbau zweier Restaurants und der Cinema Lounge. Für das aktuelle Projekt des Fünf-Sterne-Hauses veranstaltete sie sogar einen Architekturwettbewerb. Die Aufgabe: die Neugestaltung der 6. Etage – inklusive Frühstücksraum, Showküche, Buffetinseln und Lounge. In den achtziger Jahren von Siegward Graf Pilati entworfen, sollte der große Frühstücksraum den veränderten Anforderungen entsprechend umgestaltet werden. Denn das Frühstücksverhalten der Gäste hat sich verändert: Neben einem Frühstücksbuffet mit großer Produktauswahl werden heute vermehrt Frühstücke à la carte nachgefragt – so wie das Münchner Frühstück mit Brez’n, Weißwurst, Bier und Obazda.
Frühstück in der Nische
Gewinner des Architekturwettbewerbs war das französische Designstudio Jouin Manku, das sich unter anderem durch die Gestaltung des Sterne-Restaurants Sur Mesure im Pariser Mandarin Oriental hervorgetan hat. Deshalb verwundert es nicht, dass ähnliche Gestaltungselemente auch im Frühstückssaal des Bayerischen Hofs auftauchen. Besonderes Merkmal des langgestreckten Raums mit direktem Zugang zur Dachterrasse: der zurückhaltende Farbklang von Weiß-, Beige- und Brauntönen sowie die Verwendung ausgewählter Materialien wie amerikanisches Nussbaumholz und Stoffpaneele von Rubelli. Die stapelbaren Stühle mit den extravaganten Griffen an der Rückseite, die Tische sowie die Sitznischen mit lederbezogenen Bänken wurden von Jouin Manku speziell für diesen Raum entworfen. Ergänzt werden sie von skulpturähnlichen Rückwänden aus geformtem Gips, die je nach Tageszeit unterschiedlich beleuchtet sind. An abstrahierte Berge und Schneeverwehungen erinnernd, stellen sie eine inhaltliche Klammer zum Standort München her.
Muschelkalk und Porzellan
Bevor sich Jouin Manku an die Arbeit machte, musste allerdings die 530 Quadratmeter große Fläche im sechsten Stock entkernt werden. Sämtliche nichttragende Bauteile, der Estrich und die abgehängte Decke wurden komplett entfernt und die Fensterkonstruktion abgerissen. Nach dem sechsmonatigen Umbau präsentiert sich die 118 Quadratmeter große Dachgarten Lounge besonders gelungen. Sie wird über den Frühstücksraum und die Buffet-Zone erschlossen. Es ist das erste Projekt überhaupt, bei dem das Pariser Designbüro mit Farbe arbeitete: Die an den Wänden angebrachten Stoffbespannungen von Kvadrat und Rubelli sind im monochromen Grün gehalten, was dem Raum eine unterkühlte Fünfziger-Jahre-Anmutung verleiht. Herzstück der Lounge ist ein mittig angeordnetes Element, das an ein ägyptisches Lotuskapitell erinnert und dessen abgerundete Form den gestalterischen Fixpunkt bildet. Darin untergebracht ist der nach allen Seiten offene Kamin. Fußboden und Kaminverkleidung aus Kirchheimer Muschelkalk, Porzellanapplikationen an Bar und Kamin sowie maßgefertigte Tische aus Holz und Stoneglas vervollständigen das elegante Ambiente.
James Bond stand Pate
Das Projekt stellte Patrick Jouin und Sanjit Manku vor einige Herausforderungen. Nicht nur stand von Anfang an die entlang der Hotelfassade angeordnete Dachterrasse mit den raumhohen Fensterfronten im Fokus der Gestaltung. Hoteldirektorin Innegrit Volkhardt hatte sich flexible Räume gewünscht, die über den Tag verteilt verschiedene Funktionen übernehmen können. Deshalb kann der Frühstücksraum durch eine Faltwand aus Wallnussholz unterteilt werden, und die Showküche öffnet sich zum Buffet mittels aufschiebbarer Türen. Maßgefertigte Raumelemente und Möbel sowie hochwertige Materialien wie Kupfer, Porzellan und portugiesischer Val Verde-Stein trieben die Kosten für den Umbau in die Höhe.
Firmenkantine zum Martini
Ob sich die beachtliche Investition von 4,5 Millionen Euro gelohnt hat? Im Frühstücksraum eher nicht, gleicht der in seiner zurückhaltenden Farbgebung und mit den nüchternen Möbeln, vor allem jedoch wegen seiner schieren Größe eher einer Firmenkantine. Doch die gelungene Gestaltung der Dachgarten Lounge macht diesen Eindruck wieder wett. Sie scheint in ihrem pastellgrünen Streamline-Design direkt einem James-Bond-Film aus den Sechzigern entsprungen. Fehlt zum wunderbaren Blick über die Dächer von München nur noch ein Glas Martini. Geschüttelt, nicht gerührt.
FOTOGRAFIE Nicolaus Matheus
Nicolaus Matheus