Beton intim
Tiefergelegt und hochgestapelt: Wie diese venezianische Wohnung den regelmäßigen Hochwassern trotzt.
Venedig gilt als eine der schönsten Städte der Welt: Die nostalgische Architektur, die türkisblauen Kanäle und die romantischen Gondelfahrten machen Touri-Träume war. Dass die vielfrequentierte Metropole im Nordosten von Italien auch mit weitaus handfesteren Themen beschäftigt ist, wird erst beim Blick hinter die malerische Kulisse klar. Beim Umbau dieser historischen Altstadt-Wohnung war es nicht nur die begrenzte Fläche, sondern vor allem das Wasser und seine Gefahren, die – vom Eingangsbereich über die Wände bis hin zu Fliesen und Mobiliar – formgebend waren.
Lediglich 40 Quadratmeter standen den Architekten von act_romegialli aus Mailand zur Verfügung. Wo sich einst eine Werkstatt befand, sollte nun eine komplette Wohnung samt großflächigem Wohnzimmer und abgetrenntem Schlafbereich untergebracht werden. Doch das Objekt liegt im Erdgeschoss, und Venedig ist keine gewöhnliche Stadt. So waren die Anforderungen an Angela Maria Romegialli, Erika Gaggia und Gianmatteo Romegialli während dieses Umbaus, neben den komplexen gestalterischen Aspekten, vor allem technischer Natur.
Über Wasser halten
Hochwasser sind in Venedig keine Seltenheit. Damit das Gebäude am Canale di Cannaregio nach dem Umbau Feuchtigkeit und im Notfall auch starkem Wasserdruck Stand halten kann, wurden zunächst die durchschnittlichen Wasserstände der Stadt aus den Jahren zwischen 1870 und 2000 ermittelt. Auf dieser Basis leiteten die Architekten eine Sicherheitshöhe von 160 Zentimetern ab, durch die der Wohnraum vom Kanalgewässer getrennt werden sollte. Das bedeutete zum einen: ein Becken aus Stahlbetonwänden, mit dem der untere Teil des Erdgeschosses umschlossen wurde. Eine andere Maßnahme war die Anhebung einiger Räume um genau diese Höhe.
Küche, Bad- und Schlafzimmer, die sich alle im hinteren Teil des Hauses befinden, hoben die Planer somit auf ein Niveau von 160 Zentimetern. Die vordere Fläche des schmalen Wohnbereichs hingegen liegt mit einer Distanz von 122 Zentimetern vom Wasserspiegel wesentlich tiefer – ermöglicht durch die seitlichen Flanken der Betonwanne. Ähnlich wie ein Gebäudesockel, der sonst nur äußerlich sichtbar ist, formen diese den unteren Teil der Innenwände und münden im Eingangsbereich in eine kleine Treppe. Sie macht die sonst üblichen Provisorien aus Stahlblechen, die für die Türöffnungen venezianischer Häuser verwendet werden, obsolet und erlaubt es, die Betonwanne zu überwinden.
Tiefergelegt
Geschickt bezogen die Planer die Wanne aber auch optisch in den Wohnraum ein, indem sie nicht nur zu Stufen, sondern auch zu einer Stellfläche für Objekte und Möbel umfunktioniert wird. Ihre konstante Höhe verleiht vor allem dem vorderen Wohnbereich ein Gefühl von Schutz und Intimität. Nicht zuletzt sorgt aber auch der Baustoff Beton für den Eindruck einer stabilen Festung, für ein subtiles Changieren von Grautönen und einen kargen, massiven Charakter. „Indem er sich in Bad- und Küchenbodens fortsetzt, entsteht ein einheitlicher Gesamteindruck im gesamten Innenraum“, sagen die Architekten.
Flüssige Form
Hinzu kamen Schiebewände aus Glas, hölzerne Möbel und einheitlich weiß gestrichene Wandpaneele, die ebenfalls aus Holz gefertigt wurden, aber über isolierende und wasserdichte Eigenschaften verfügen. Einfache, geometrische Formen und kaum Farben und Materialien prägen die Stimmung. Spannend sind die Details des Umbaus: Für Küche und Bad kamen handgemachte schwarz-weiß gemusterte Kacheln zum Einsatz. Mit Tinte dekoriert, stellen sie eine poetische Verbindung zum Wasser her. Interessant erscheint in diesem Kontext auch die Möblierung mit den Formholz-Stühlen der Eames, da auch sie nur in Verbindung mit Wasser, sprich Wasserdampf, hergestellt werden können. So schufen die Architekten von act_romegialli ein durchgängig stimmiges Konzept, bei dem das Wasser in jeder Hinsicht den Ton angab.
FOTOGRAFIE Marcello Mariana
Marcello Mariana
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