Der Erlebnisfaktor
2000-2020: Best-of Hotels und Gastronomie
Die Ansprüche von Reisenden sind in den vergangenen 20 Jahren gestiegen. Design- und Boutique-Hotels tragen dem Wunsch nach individueller Gestaltung und persönlichem Service Rechnung. Restaurants werden zu architektonisch-kulinarischen Gesamtkunstwerken. Projekte aus den letzten beiden Dekaden zeigen auf, wie sich die Hotel- und Gastronomielandschaft verändert hat.
Atoll Hotel von Alison Brooks, Helgoland (2000)
Als erstes Designhotel Deutschlands gilt das Atoll Hotel auf Helgoland. Die Innenausstattung von Alison Brooks nimmt Bezug auf die lange Tradition der Insel als Heilbad. Das Leitmotiv bildet eine frühere Tiefseetauchplattform. Aus der kreisrunden Stahlplatte entwickelte die britische Architektin eine harmonische, fließende Einrichtung für das Haus mit seinen 35 Zimmern und eigenem Spa-Bereich.
The Sanderson von Philippe Starck für Ian Schrager, London (2000)
Ian Schrager hat mit dem Studio 54 in New York in den Siebzigerjahren das Nachtleben revolutioniert und gilt als Erfinder des Boutique-Hotels. Mit dem Morgan in New York setzte er bereits 1984 ein Zeichen für diese neue Gattung, die sich durch wenige Zimmer, eine individuelle Einrichtung und einen persönlichen Service auszeichnet. Für The Sanderson in London engagierte er Philippe Starck. Der Designer arbeitete mit optischen Illusionen. Transparente Flächen lassen die Lobby und die Zimmer großzügig erscheinen. Kunst hängt nicht an der Wand, sondern an der Decke, sodass sich der Gast beim Einschlafen in das Bild vertiefen kann. Momentan ist das Hotel aufgrund von Renovierungsarbeiten geschlossen.
Side Hotel von Jan Störmer und Matteo Thun, Hamburg (2001)
Schon von außen grenzt sich das Side Hotel von Architekt Jan Störmer mit seiner Natursteinfassade von den umliegenden Häusern ab. Die oberen vier Stockwerke sind zurückgesetzt, gegen den Hauptkörper verdreht und bilden im achten Obergeschoss eine umlaufende Dachterrasse. Während die Zimmer eher zurückhaltend gestaltet sind, entwarf Matteo Thun für die Lobby eine eigene Polstermöbelserie, die an bunte Ballons erinnert. 2018 überarbeitete der Mailänder Architekt das Design mit venezianischen Stoffen und viel Holz.
Hotel Puerta America von Zaha Hadid, Jean Nouvel, David Chipperfield, Ron Arad u.a., Madrid (2005)
Zugegeben, von außen wirkt die Glas-Stahl-Architektur des 14-stöckigen Hotels Puerta America an einer Autobahnauffahrt in Madrid nicht besonders einladend. Innen hat sich hingegen das damalige Who's who der Designszene ausgetobt. Jeweils eine Etage wurde von Koryphäen wie Zaha Hadid, Norman Foster, David Chipperfield oder Ron Arad gestaltet. Jean Nouvel entwarf die Fassade mit gelben, orangen und roten Sonnenstoren. Vom Waschbecken bis zur Nachttischleuchte zeigen die Designer und Architekten ihre Interpretation eines zeitgemäßen Hotelzimmers. Jede Etage wird über eine eigene Lobby erschlossen.
Condesa DF von India Mahdavi für Grupo Habita, Mexiko-Stadt (2005)
Aus dem Jahr 1928 stammt das Haus in der hippen Gegend Condesa. Alle Möbel des Boutique-Hotels Condesa DF mit seinen 40 Zimmern und Suiten wurden von der in Paris lebenden Designerin India Mahdavi speziell für diesen Ort entworfen. Die Zimmer sind in natürlichen Beigetönen gehalten. Einige verfügen über holzgetäfelte Wände. Zahlreiche Pflanzen machen das ebenerdige Restaurant El Patio zu einem perfekten Treffpunkt. Abends lädt La Terraza zu einem Drink und gutem Sushi über den Dächern von Mexiko-Stadt ein.
Superbuden von Dreimeta, Hamburg (2008)
Hostels sind nur etwas für Backpacker mit wenig Geld? Von wegen. Mit den beiden Superbuden in St. Pauli und St. Georg gelang dem Augsburger Büro Dreimeta die authentische Gestaltung eines neuen Typs Unterkunft. Er hat die lässige Atmosphäre eines Hostels, bietet aber auf Wunsch den Komfort eines Hotels. Möbel aus Seilen und Europaletten, Hocker aus Bierkisten, Bezüge aus Jeansstoff, Zimmer in Hafencontainern und fantasievolle Gemeinschaftsräume – mit Ideen wie diesen machten die Designer die Superbuden zu beliebten Adressen.
The Standard Hotel von Ennead Architects, New York (2009)
Eine architektonische Meisterleistung war der Bau des 18-geschossigen Glas-Beton-Gebäudes über der ehemaligen High Line von Ennead Architects. Seitdem ist das Hochhaus das neue Wahrzeichen von New Yorks hippem Meatpacking District. Seine Architektur harmoniert mit dem linearen Park, der auf den einstigen Schienen angelegt wurde. Die verglaste Fassade gewährt einen weiten Blick über die Stadt. Die Bar auf der Dachterrasse zählt zu den beliebtesten Treffpunkten Manhattans.
25hours Hotel Bikini Berlin von Werner Aisslinger, Berlin (2014)
Der Dreiklang aus Hotel, Restaurant und Bar funktioniert im 25hours Hotel Bikini Berlin so gut, dass es sogar für Berliner zu einer beliebten Ausgehadresse geworden ist. Unter dem Arbeitstitel „Urban Jungle“ schlägt Werner Aisslinger die Brücke zwischen Natur und Kultur. Während die eine Hälfte der Zimmer den Ausblick auf den Zoologischen Garten genießt und in warmen Farben gehalten ist, wählte der Berliner Designer für die zur City West ausgerichteten Zimmer ein kantiges und raueres Design. Das Restaurant Neni mit israelisch-orientalischer Küche verfügt über ein eigenes Gewächshaus, in dem frische Zutaten wachsen.
The Jane von Piet Boon, Antwerpen (2014)
„Fine dining meets Rock 'n' Roll" – so lautet das Motto des Restaurants The Jane in Antwerpen. Es befindet sich in der ehemaligen Kapelle eines Militärkrankenhauses. Den Charme des früheren Gotteshauses erhielt Piet Boon, indem er nur die allernötigsten Bereiche restaurieren ließ. Am ehemaligen Standort des Altars befindet sich heute die nur durch Glaswände abgetrennte offene Küche. Die Bar liegt auf der Empore. Auch die Kirchenfenster wurden ausgetauscht. Statt Heiligenfiguren sind darauf Eistüten und Geburtstagstorten zu sehen. Dominiert wird der Raum von einem 800 Kilogramm schweren Kronleuchter mit mehr als 150 Lichtern von PSLab aus Beirut.
Oasia Hotel von WOHA und Patricia Urquiola, Singapur (2016)
Aus der Skyline von Singapur sticht der 27-geschossige Skyscraper von WOHA allein schon wegen seiner roten Fassade und den hängenden Gärten hervor. Terrassen und Dachgärten nehmen dem Bau seine Anonymität und lassen ihre Nutzer teilhaben an dem aufregenden Leben in Singapur. Für das Interieur verwendete Patricia Urquiola starke Farben, die die verschiedenen Bereiche des Hotels kennzeichnen. Die 314 Zimmer wurden mit Holz und natürlichen Farben eingerichtet. Für das Spa wählte die in Mailand lebende Architektin unter anderem bunt gewebte Sessel im Ethno-Look aus.
Under von Snøhetta, Båly (2019)
Fünf Meter unter dem Meeresspiegel befindet sich das Restaurant Under, dessen Name – neben seiner englischen Bedeutung – im Norwegischen auch als „Wunder“ übersetzt werden kann. Der Rohbau entstand auf einem Lastkahn in der Nähe und wurde mit Schleppbooten an Ort und Stelle versenkt. Dass sich Algen und Meeresbewohner auf dem Beton ansiedeln und er mit der Zeit ein Teil der Natur wird, ist gewünscht. Dafür kooperiert der Bauherr mit Meeresbiologen. Gäste erreichen das Restaurant über eine Metallbrücke. Im Inneren herrschen warme Materialien und Farben vor, während neugierige Fische durch die großen Fenster schauen.