Die Küche als White Cube
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Townhouses sind en vogue. Familien, die es sich leisten können, ziehen längst nicht mehr in die Ödnis der Peripherie, sondern erfüllen sich ihren Traum vom Eigenheim mitten in der quirligen Stadt. Nalbach + Nalbach Architekten haben auf dem Friedrichswerder zwischen Auswärtigem Amt und Hausvogteiplatz mit dem Townhouse P14 ein luxuriös anmutendes Projekt verwirklicht, dessen schneeweißes Interieur von Wiewiorra Hopp Architekten einem, zugegebenermaßen etwas sterilen White Cube gleicht. Die Küche – eine Sonderanfertigung ganz aus Corian – in der ersten Etage des fünfstöckigen Hauses – erstreckt sich übergangslos in das Esszimmer hinein.
In der Mitte der deutschen Hauptstadt, gleich um die Ecke von Museumsinsel und Dom, ist seit Juni 2005 das Projekt „Berlin Townhouses“ – innerstädtisches Wohnen nach Amsterdamer Vorbild – entstanden. Auf einer Fläche von 4,5 Hektar wurde eine Blockstruktur mit Privathäusern, Straßen, Plätzen, Grünanlagen und Wohnhöfen errichtet – die 47 Grundstücke variieren in ihrer Größe von 120 bis 290 Quadratmeter bei einem ungefähren Preis von 900 Euro pro Quadratmeter und zeichnen sich durch die relativ geringe Breiten von 6,50 Meter sowie Bebauungstiefen von dreizehn bis sechzehn Meter aus.
Mittendrin: Townhouse P14
Das mit einer Natursteinfassade versehene Townhouse P14 von Nalbach + Nalbach Architekten – das etwas hochtrabend als „White Freedom“ bezeichnet wird – ist fünfstöckig angelegt und grenzt wie alle anderen Townhouses an beiden Seiten unmittelbar an die Brandmauern der Nachbargebäude. Während sich der repräsentative Wohn- und Essbereich im Erd- und Galeriegeschoss befindet, ist der Arbeits- und Gästebereich in der zweiten und dritten Etage angeordnet. In den darüber liegenden Geschossen sind Schlafzimmer mit großzügiger Ankleide und einem offenen Bad sowie die Wellness-Räume mit Sauna und großflächiger Terrasse untergebracht. Von hier aus bietet sich – nur durch eine gläserne Schiebetür getrennt – ein schöner Blick über die Mitte Berlins. Erschlossen werden die fünf Geschosse über ein offenes einläufiges Treppenhaus sowie einen Aufzug. Das Interieur, gestaltet von Wiewiorra Hopp Architekten, wird bestimmt durch raumhohe Fensterfronten an der Vorder- und Rückseite des Hauses sowie großvolumige Einbaumöbel, die sich durch eine skulpturale Anmutung auszeichnen.
Schmal und tief: der Wohnungsgrundriss
Ein schmales, tiefes Grundstück mit nur wenigen Möglichkeiten, natürliche Lichtquellen einzuplanen – das ist die Grundproblematik von Townhouses generell. Und diesen schmalen, langgestreckten Grundriss des Hauses sieht man auch der Küche im ersten Stock an – hier wird er gar durch die Einbaumöbel noch verstärkt. Der langgestreckte, mittig angeordnete weiße Block aus Corian birgt neben der Kochstelle mit Induktionsherd und einer Wasserstelle mit zwei Edelstahlspülen auch einen Arbeits- und Essbereich mit weißen Freischwingern von Verner Panton. Über der Kochstelle ist ein großer, kubisch gestalteter Dunstabzug platziert.
Klinisch rein: Küche und Esszimmer
Hinter dem sage und schreibe fünfzehn Meter langen Küchenblock finden sich raumhohe Schränke mit grifflosen Türen. Diese bieten nicht nur viel Stauraum für allerlei Küchen-Krimskrams – der nur stören würde bei all den minimalistischen Gestaltungselementen – sondern nehmen auch die Elektrogeräte wie Ofen, Dampfgarer und eine Espressomaschine auf. Was auffällt, sowohl bei der Schrankwand als auch beim Küchenblock, sind die tiefen Aussparungen, die als Sitz- oder Abstellgelegenheit genutzt werden können. Sie lockern die architektonisch anmutende Strenge der Einbaumöbel und das ewige Weiß auf Boden und Wänden ein wenig auf. Die Sitzgelegenheit zwischen Küchenarbeitsfläche und Tisch ist mit einem maßangefertigten weißen Lederkissen ausgestattet – wer hier Platz nimmt, schaut direkt auf den schwarzen, hinter Glas verborgenen Kamin.
Von der gläsernen Brüstung aus fällt der Blick hinunter in das Wohnzimmer, das vor allem durch seine Raumhöhe von sechs Meter auffällt. Wie in der Küche sind hier als Bodenmaterial weiße Fliesen verlegt, während in den oberen privaten Etagen das Eichenholzparkett wenigstens ein bisschen wohlige Atmosphäre verströmt.
FOTOGRAFIE Thorsten Klapsch
Thorsten Klapsch
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