Einfach – gut
In Niederösterreich dient ein winziges Haus als stattliche Tribüne für Wein und Besucher.

Im niederösterreichischen Königsbrunn am Wagram verwandelte das Wiener Designstudio March Gut ein historisches Häuschen in eine buchstäblich bodenständige Schänke für Verkostung und Verkauf, die mit einfachen Mitteln große Effekte erzeugt.
Der Wagram: eine malerische Landschaft im nördlichen Österreich, die sich in Form einer bis zu 40 Meter hohen Geländestufe entlang des Donauufers erstreckt. Die besonders fruchtbaren Lössböden der Region eignen sich optimal für den Anbau von Wein. Hier wurde das Duo March Gut, das sich schon zuvor mit dem Design von Verkaufsräumen für Wein, Brot oder Wurst beschäftigt hatte, von Winzer Franz Anton Mayer beauftragt, ein winziges, zunächst unscheinbares Dorfhäuschen in eine repräsentative Lager- und Verkaufsfläche umzugestalten.
Dachstühle
Nähert man sich dem kompakten Bau mit nur 70 Quadratmeter Fläche von der schmalen Dorfstraße, so scheint sich nicht viel über die üblichen Renovierungsmaßnahmen hinaus getan zu haben: ein schlichtes Haus mit archetypischer Form, hell verputzter Fassade und einer gepflegten, freundlichen Erscheinung. Erst bei genauerem Hinsehen wird klar, dass hier ein durchaus radikaler Eingriff in die alte Substanz vorgenommen wurde. Christoph March und Marek Gut bauten die gesamte Rückseite des Hauses in eine großflächige, abgetreppte Schräge um. Wo einst Fassade und Dach waren, befindet sich nun – entlang der kompletten Höhe – eine geschwungene Sitzstufenlandschaft.
Gipfeltreffen
„Die Themen Verkostung und Verweilen standen im Mittelpunkt unserer Herangehensweise“, so die Designer. Hier, auf der Gartenseite des Gebäudes, sollen die Besucher des Heurigers und des Ab-Hof-Verkaufs künftig den Blick über die ausgedehnten Weinberge genießen können. Fast erinnert die Installation an eine Zuschauertribüne eines Stadions oder eines Theaters. Doch statt regen Treibens ist hier weit und breit keine Straße, kein Auto und kaum ein Haus in Sicht. Nur Reben, Bäume, Berge – darüber die Weite des Himmels, sonst nichts. Und so wurde die Aussicht zum Namensgeber des Projekts: Weinblick.
Erdreich
Doch bauten March Gut nicht nur in den Himmel. Auch unterirdisch wird der kleine Bau praktisch genutzt. Dafür beließen die Planer den urigen Gewölbekeller in seiner originalen Form. Der für die Gegend typische Lösslehm bedeckt die leicht unregelmäßig strukturierten Wände. Lediglich in der Mitte des langgezogenen Raumes integrierten sie eine Reihe einfacher, schwarzer Kunststoffkisten, in denen die Weinflaschen gelagert werden. Stimmungsvoll inszeniert werden der charaktervolle Raum und die schlichte Installation durch eine indirekte Beleuchtung im Boden des Kellers, die die erdigen Wände in den Vordergrund hebt und die Ursprünge des alten Gebäudes betont.
Himmelsstürmer
Auch sonst wählten die Gestalter einfache, natürliche und authentische Materialen wie Metall, Beton und Seekiefer. Der Verkaufsraum etwa, der sich im Erdgeschoss befindet, wurde mit einem Tresen und Tischen aus Multiplex ausgestattet. Hinzu kamen Regale, die sich zum Teil bis unter die Decke erstrecken und so die klassische Hausform des Baus aufnehmen. Industriell wirkende Pendelleuchten und punktuell ausgerichtete Strahler lenken den Blick aufs Wesentliche und lassen die farbigen Etiketten der Flaschen – sauber in Reih und Glied im Regal platziert – effektvoll hervorblitzen. Eine markante, schwarze Metalltreppe verbindet den Keller mit dem Verkaufsraum und der Aussichtsplattform auf der Außenseite. Sie erscheint hier wie ein Symbol für den Rebstock, der nach unten verwurzelt ist und von da aus empor wächst.
Ähnlich verbinden auch die Planer mit der zentralen Treppe und der erhöhten Sitzlandschaft den unter- und überirdischen Teil des Gebäudes, oder kurz: den Himmel und die Erde.
FOTOGRAFIE Dietmar Tollerian/Archipicture
Dietmar Tollerian/Archipicture
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